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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 132. Die Acht, ihre Spielarten und Abspaltungen.

Abspaltungen der Acht sind die oben S. 477 ff. erörterte Hingabe
des Missethäters in die Gewalt des Verletzten und die aus der Acht
hervorgegangenen, über freie Leute verhängten Lebens- und Leibes-
strafen, die in §§ 133, 134 besprochen werden sollen.

Als selbständige Strafe hat sich ferner die Verwirkung des Ver-
mögens von der Acht abgezweigt. Abgesehen von den Formen der
Zwangsvollstreckung, die aus der vermögensrechtlichen Acht heraus-
wuchsen33, kommt bei den Franken und Oberdeutschen der Verlust
des Vermögens als Strafe gewisser Missethaten vor, indem es entweder
vom Fiskus eingezogen, gefront wird34, oder indem es dem nächsten
Erben35 des Missethäters verfällt.

Auf grundsätzlicher Friedlosigkeit beruhen die Strafen, die das
Recht bei gewissen, an sich todeswürdigen Missethaten in das Ermessen
des Königs stellt. Als oberstes Organ der Friedensbewahrung war
der König befugt, dem Missethäter den verwirkten Frieden zu gewähren,
auch wenn dieser keinen Rechtsanspruch hatte, sich in den Frieden
einzukaufen36. Ebenso stand es dem Könige zu, die Folgen der Acht
im einzelnen Falle abzuschwächen. Mitunter stellte das Volksrecht die
Ahndung einer Missethat von vornherein in das Ermessen des Königs37.
Im weitesten Umfange behielt sich der fränkische König die Be-

Aquisgr. 801--813, c. 12, I 171: et rex super eos districtionem faciat carcerandi,
exiliandi usque ad emendationem illorum. Annales Bertiniani z. J. 864, rec. Waitz
S. 72: Pippinus apostata ... primum a regni primoribus ut patriae et christianitatis
proditor et demum generaliter ab omnibus ad mortem diiudicatur et in Silvanectis
artissima custodia religatur. Beschreibung eines Kerkers zu Reims bei Gregor von
Tours, De virtut. S. Martini IV 26. Die Haft im örtlichen Kerker wird meines
Wissens niemals Exil genannt. Das citierte Aachener Kapitular unterscheidet aus-
drücklich zwischen Kerker und Exil.
33 Siehe oben S. 452 ff. 457.
34 Cap. Pipp. 754/5, c. 1, I 31. Cap. Harist. v. J. 779 c. 5, I 48, versio
langob. Lex Alam. 39. Lex Baiuw. VII 2. Tassil. Decr. Dingolf. c. 9, LL III
460. Decr. Niuh. c. 14, LL III 467. Cap. I 143, c. 3. Cap. Wormat. legg. add.
v. J. 829, c. 2, II 18 (bei Verwandtenmord neben geistlicher Paenitenz). Form. Coll.
Aug. B. 22. H. 143. 176. Vgl. oben S. 213, Anm. 48. 50 und unten § 138.
35 Childeb. II. decr. c. 2, Cap. I 15 neben Verbannung vom Hofe, ein Ana-
logon des Falles, dass das Vermögen des Hingerichteten seinen Erben überlassen
wird. Siehe unten § 133.
36 Siehe oben S. 45, Anm. 18. 19. 20. Aethelstan VI 1, § 4. Aethelred III 16.
Vgl. Lex Baiuw. II 4, 1.
37 Roth. 163: de anima autem illius homicidae sit in potestatem regis iudi-
care, quod regi placuerit. Lex Baiuw. II 4, 2: de minoribus autem hominibus, si
in hoste scandalum commiserint, in ducis sit potestate, quale poena sustineant.
Vgl. Wilda, Strafrecht S. 491 ff.
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§ 132. Die Acht, ihre Spielarten und Abspaltungen.

Abspaltungen der Acht sind die oben S. 477 ff. erörterte Hingabe
des Missethäters in die Gewalt des Verletzten und die aus der Acht
hervorgegangenen, über freie Leute verhängten Lebens- und Leibes-
strafen, die in §§ 133, 134 besprochen werden sollen.

Als selbständige Strafe hat sich ferner die Verwirkung des Ver-
mögens von der Acht abgezweigt. Abgesehen von den Formen der
Zwangsvollstreckung, die aus der vermögensrechtlichen Acht heraus-
wuchsen33, kommt bei den Franken und Oberdeutschen der Verlust
des Vermögens als Strafe gewisser Missethaten vor, indem es entweder
vom Fiskus eingezogen, gefront wird34, oder indem es dem nächsten
Erben35 des Missethäters verfällt.

Auf grundsätzlicher Friedlosigkeit beruhen die Strafen, die das
Recht bei gewissen, an sich todeswürdigen Missethaten in das Ermessen
des Königs stellt. Als oberstes Organ der Friedensbewahrung war
der König befugt, dem Missethäter den verwirkten Frieden zu gewähren,
auch wenn dieser keinen Rechtsanspruch hatte, sich in den Frieden
einzukaufen36. Ebenso stand es dem Könige zu, die Folgen der Acht
im einzelnen Falle abzuschwächen. Mitunter stellte das Volksrecht die
Ahndung einer Missethat von vornherein in das Ermessen des Königs37.
Im weitesten Umfange behielt sich der fränkische König die Be-

Aquisgr. 801—813, c. 12, I 171: et rex super eos districtionem faciat carcerandi,
exiliandi usque ad emendationem illorum. Annales Bertiniani z. J. 864, rec. Waitz
S. 72: Pippinus apostata … primum a regni primoribus ut patriae et christianitatis
proditor et demum generaliter ab omnibus ad mortem diiudicatur et in Silvanectis
artissima custodia religatur. Beschreibung eines Kerkers zu Reims bei Gregor von
Tours, De virtut. S. Martini IV 26. Die Haft im örtlichen Kerker wird meines
Wissens niemals Exil genannt. Das citierte Aachener Kapitular unterscheidet aus-
drücklich zwischen Kerker und Exil.
33 Siehe oben S. 452 ff. 457.
34 Cap. Pipp. 754/5, c. 1, I 31. Cap. Harist. v. J. 779 c. 5, I 48, versio
langob. Lex Alam. 39. Lex Baiuw. VII 2. Tassil. Decr. Dingolf. c. 9, LL III
460. Decr. Niuh. c. 14, LL III 467. Cap. I 143, c. 3. Cap. Wormat. legg. add.
v. J. 829, c. 2, II 18 (bei Verwandtenmord neben geistlicher Paenitenz). Form. Coll.
Aug. B. 22. H. 143. 176. Vgl. oben S. 213, Anm. 48. 50 und unten § 138.
35 Childeb. II. decr. c. 2, Cap. I 15 neben Verbannung vom Hofe, ein Ana-
logon des Falles, daſs das Vermögen des Hingerichteten seinen Erben überlassen
wird. Siehe unten § 133.
36 Siehe oben S. 45, Anm. 18. 19. 20. Aethelstan VI 1, § 4. Aethelred III 16.
Vgl. Lex Baiuw. II 4, 1.
37 Roth. 163: de anima autem illius homicidae sit in potestatem regis iudi-
care, quod regi placuerit. Lex Baiuw. II 4, 2: de minoribus autem hominibus, si
in hoste scandalum commiserint, in ducis sit potestate, quale poena sustineant.
Vgl. Wilda, Strafrecht S. 491 ff.
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[595/0613] § 132. Die Acht, ihre Spielarten und Abspaltungen. Abspaltungen der Acht sind die oben S. 477 ff. erörterte Hingabe des Missethäters in die Gewalt des Verletzten und die aus der Acht hervorgegangenen, über freie Leute verhängten Lebens- und Leibes- strafen, die in §§ 133, 134 besprochen werden sollen. Als selbständige Strafe hat sich ferner die Verwirkung des Ver- mögens von der Acht abgezweigt. Abgesehen von den Formen der Zwangsvollstreckung, die aus der vermögensrechtlichen Acht heraus- wuchsen 33, kommt bei den Franken und Oberdeutschen der Verlust des Vermögens als Strafe gewisser Missethaten vor, indem es entweder vom Fiskus eingezogen, gefront wird 34, oder indem es dem nächsten Erben 35 des Missethäters verfällt. Auf grundsätzlicher Friedlosigkeit beruhen die Strafen, die das Recht bei gewissen, an sich todeswürdigen Missethaten in das Ermessen des Königs stellt. Als oberstes Organ der Friedensbewahrung war der König befugt, dem Missethäter den verwirkten Frieden zu gewähren, auch wenn dieser keinen Rechtsanspruch hatte, sich in den Frieden einzukaufen 36. Ebenso stand es dem Könige zu, die Folgen der Acht im einzelnen Falle abzuschwächen. Mitunter stellte das Volksrecht die Ahndung einer Missethat von vornherein in das Ermessen des Königs 37. Im weitesten Umfange behielt sich der fränkische König die Be- 32 33 Siehe oben S. 452 ff. 457. 34 Cap. Pipp. 754/5, c. 1, I 31. Cap. Harist. v. J. 779 c. 5, I 48, versio langob. Lex Alam. 39. Lex Baiuw. VII 2. Tassil. Decr. Dingolf. c. 9, LL III 460. Decr. Niuh. c. 14, LL III 467. Cap. I 143, c. 3. Cap. Wormat. legg. add. v. J. 829, c. 2, II 18 (bei Verwandtenmord neben geistlicher Paenitenz). Form. Coll. Aug. B. 22. H. 143. 176. Vgl. oben S. 213, Anm. 48. 50 und unten § 138. 35 Childeb. II. decr. c. 2, Cap. I 15 neben Verbannung vom Hofe, ein Ana- logon des Falles, daſs das Vermögen des Hingerichteten seinen Erben überlassen wird. Siehe unten § 133. 36 Siehe oben S. 45, Anm. 18. 19. 20. Aethelstan VI 1, § 4. Aethelred III 16. Vgl. Lex Baiuw. II 4, 1. 37 Roth. 163: de anima autem illius homicidae sit in potestatem regis iudi- care, quod regi placuerit. Lex Baiuw. II 4, 2: de minoribus autem hominibus, si in hoste scandalum commiserint, in ducis sit potestate, quale poena sustineant. Vgl. Wilda, Strafrecht S. 491 ff. 32 Aquisgr. 801—813, c. 12, I 171: et rex super eos districtionem faciat carcerandi, exiliandi usque ad emendationem illorum. Annales Bertiniani z. J. 864, rec. Waitz S. 72: Pippinus apostata … primum a regni primoribus ut patriae et christianitatis proditor et demum generaliter ab omnibus ad mortem diiudicatur et in Silvanectis artissima custodia religatur. Beschreibung eines Kerkers zu Reims bei Gregor von Tours, De virtut. S. Martini IV 26. Die Haft im örtlichen Kerker wird meines Wissens niemals Exil genannt. Das citierte Aachener Kapitular unterscheidet aus- drücklich zwischen Kerker und Exil. 38*

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/613>, abgerufen am 22.11.2024.