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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 136. Die Bussen.
Maurer, Kr. Ü. III 45. Dahn, Westgothische Studien S. 174 ff. Busstabellen
der einzelnen Stammesrechte giebt Davoud-Oghlou, Histoire de la legislation
des anciens Germains 1845. -- Über den fredus handeln Wilda, Strafrecht
S. 438 ff., Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung I 107. 170, Schröder, RG.
S. 332, v. Amira, Recht S. 179 f.

Wenn man vom germanischen Compositionen- oder Busssystem
zu sprechen pflegt, nimmt man das Wort Busse oder compositio in
so weitem Sinne, dass es das Wergeld, die Busse in engerer Bedeutung,
das Friedensgeld und die Bannbusse in sich schliesst.

Zu Beginn der fränkischen Zeit erfuhr das Busssystem eine er-
hebliche Ausdehnung seiner Herrschaft, deren Höhepunkt die mero-
wingischen Volksrechte bezeichnen. So sehr überwiegt seitdem der
Gedanke der compositio, dass ihm selbst Leibes- und Lebensstrafen
angepasst werden, dass z. B. die Verwirkung des Lebens als ein de
vita componere, als ein solvere 1, die Prügelstrafe als ein ,de dorso
componere' aufgefasst wird 2.

Die Grundbedeutung des Wortes Busse ist zwar emendatio, Besse-
rung, Vergütung 3. Aber auch soweit sie nur dem Verletzten zu Teil
wird, geht ihr rechtliches Wesen nicht in dem Ersatze des durch die
Missethat verursachten Schadens auf. Es giebt Bussen, die ausschliess-
lich pönalen Charakter haben. So die Bussen für Lebensgefährdung
und für andere Versuchsverbrechen, die ein zu ersetzendes damnum nicht
verursachen. So die salischen Diebstahlsbussen, die neben dem so-
genannten capitale, d. h. neben dem gestohlenen Gegenstande oder
dessen Wertersatz, entrichtet wurden. Auch in den Wundbussen ist
nach manchen Rechten der Ersatz nicht immer völlig inbegriffen;
so der Arztlohn und der Ersatz der verlorenen Arbeitszeit 4. In der

1 Lex Sal. 13, 7 Cod. 2 ff.; 51, 2; 58, 6 und öfter. Cap. ital. v. J. 801, c. 4,
I 205: capitali sententia debitum exsolvat. Ed. Pistense v. J. 864, c. 25, Pertz,
LL I 494: sine ... redemptione de vita componat.
2 Childeb. II. decr. c. 14. In einem Aufsatze de compositione sacrilegiorum,
enthalten in einer Handschrift vom Ende des neunten oder vom Anfang des zehnten
Jahrhunderts und abgedruckt bei Schmitz, Bussbücher S. 737 ff., wird der Be-
griff der compositio in folgender Weise erläutert: compositio proprie vocatur que-
libet satisfactio, quam reus componit quisque pro quolibet malefacto. Sive enim
ipsa satisfactio sit corporis aut animae afflictio, sive sit pretium quodcumque, quod
pro malefacto commisso ab ipso reo solvitur, merito compositio vocatur, quia contra
commissum facinus quasi aequitatis pondere ponitur. Das Citat ist R. Loening,
Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. V 538, entlehnt.
3 Wilda, Strafrecht S. 314. v. Amira, Recht S. 179.
4 Das gilt von den langob. Wundbussen für Aldien und Knechte. Roth. 78. 89.
94. 96. 101. 106. 111. 118: excepto operas et mercedes medici. Roth. 128: qui

§ 136. Die Buſsen.
Maurer, Kr. Ü. III 45. Dahn, Westgothische Studien S. 174 ff. Buſstabellen
der einzelnen Stammesrechte giebt Davoud-Oghlou, Histoire de la législation
des anciens Germains 1845. — Über den fredus handeln Wilda, Strafrecht
S. 438 ff., Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung I 107. 170, Schröder, RG.
S. 332, v. Amira, Recht S. 179 f.

Wenn man vom germanischen Compositionen- oder Buſssystem
zu sprechen pflegt, nimmt man das Wort Buſse oder compositio in
so weitem Sinne, daſs es das Wergeld, die Buſse in engerer Bedeutung,
das Friedensgeld und die Bannbuſse in sich schlieſst.

Zu Beginn der fränkischen Zeit erfuhr das Buſssystem eine er-
hebliche Ausdehnung seiner Herrschaft, deren Höhepunkt die mero-
wingischen Volksrechte bezeichnen. So sehr überwiegt seitdem der
Gedanke der compositio, daſs ihm selbst Leibes- und Lebensstrafen
angepaſst werden, daſs z. B. die Verwirkung des Lebens als ein de
vita componere, als ein solvere 1, die Prügelstrafe als ein ‚de dorso
componere’ aufgefaſst wird 2.

Die Grundbedeutung des Wortes Buſse ist zwar emendatio, Besse-
rung, Vergütung 3. Aber auch soweit sie nur dem Verletzten zu Teil
wird, geht ihr rechtliches Wesen nicht in dem Ersatze des durch die
Missethat verursachten Schadens auf. Es giebt Buſsen, die ausschlieſs-
lich pönalen Charakter haben. So die Buſsen für Lebensgefährdung
und für andere Versuchsverbrechen, die ein zu ersetzendes damnum nicht
verursachen. So die salischen Diebstahlsbuſsen, die neben dem so-
genannten capitale, d. h. neben dem gestohlenen Gegenstande oder
dessen Wertersatz, entrichtet wurden. Auch in den Wundbuſsen ist
nach manchen Rechten der Ersatz nicht immer völlig inbegriffen;
so der Arztlohn und der Ersatz der verlorenen Arbeitszeit 4. In der

1 Lex Sal. 13, 7 Cod. 2 ff.; 51, 2; 58, 6 und öfter. Cap. ital. v. J. 801, c. 4,
I 205: capitali sententia debitum exsolvat. Ed. Pistense v. J. 864, c. 25, Pertz,
LL I 494: sine … redemptione de vita componat.
2 Childeb. II. decr. c. 14. In einem Aufsatze de compositione sacrilegiorum,
enthalten in einer Handschrift vom Ende des neunten oder vom Anfang des zehnten
Jahrhunderts und abgedruckt bei Schmitz, Buſsbücher S. 737 ff., wird der Be-
griff der compositio in folgender Weise erläutert: compositio proprie vocatur que-
libet satisfactio, quam reus componit quisque pro quolibet malefacto. Sive enim
ipsa satisfactio sit corporis aut animae afflictio, sive sit pretium quodcumque, quod
pro malefacto commisso ab ipso reo solvitur, merito compositio vocatur, quia contra
commissum facinus quasi aequitatis pondere ponitur. Das Citat ist R. Loening,
Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. V 538, entlehnt.
3 Wilda, Strafrecht S. 314. v. Amira, Recht S. 179.
4 Das gilt von den langob. Wundbuſsen für Aldien und Knechte. Roth. 78. 89.
94. 96. 101. 106. 111. 118: excepto operas et mercedes medici. Roth. 128: qui
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[613/0631] § 136. Die Buſsen. Maurer, Kr. Ü. III 45. Dahn, Westgothische Studien S. 174 ff. Buſstabellen der einzelnen Stammesrechte giebt Davoud-Oghlou, Histoire de la législation des anciens Germains 1845. — Über den fredus handeln Wilda, Strafrecht S. 438 ff., Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung I 107. 170, Schröder, RG. S. 332, v. Amira, Recht S. 179 f. Wenn man vom germanischen Compositionen- oder Buſssystem zu sprechen pflegt, nimmt man das Wort Buſse oder compositio in so weitem Sinne, daſs es das Wergeld, die Buſse in engerer Bedeutung, das Friedensgeld und die Bannbuſse in sich schlieſst. Zu Beginn der fränkischen Zeit erfuhr das Buſssystem eine er- hebliche Ausdehnung seiner Herrschaft, deren Höhepunkt die mero- wingischen Volksrechte bezeichnen. So sehr überwiegt seitdem der Gedanke der compositio, daſs ihm selbst Leibes- und Lebensstrafen angepaſst werden, daſs z. B. die Verwirkung des Lebens als ein de vita componere, als ein solvere 1, die Prügelstrafe als ein ‚de dorso componere’ aufgefaſst wird 2. Die Grundbedeutung des Wortes Buſse ist zwar emendatio, Besse- rung, Vergütung 3. Aber auch soweit sie nur dem Verletzten zu Teil wird, geht ihr rechtliches Wesen nicht in dem Ersatze des durch die Missethat verursachten Schadens auf. Es giebt Buſsen, die ausschlieſs- lich pönalen Charakter haben. So die Buſsen für Lebensgefährdung und für andere Versuchsverbrechen, die ein zu ersetzendes damnum nicht verursachen. So die salischen Diebstahlsbuſsen, die neben dem so- genannten capitale, d. h. neben dem gestohlenen Gegenstande oder dessen Wertersatz, entrichtet wurden. Auch in den Wundbuſsen ist nach manchen Rechten der Ersatz nicht immer völlig inbegriffen; so der Arztlohn und der Ersatz der verlorenen Arbeitszeit 4. In der 1 Lex Sal. 13, 7 Cod. 2 ff.; 51, 2; 58, 6 und öfter. Cap. ital. v. J. 801, c. 4, I 205: capitali sententia debitum exsolvat. Ed. Pistense v. J. 864, c. 25, Pertz, LL I 494: sine … redemptione de vita componat. 2 Childeb. II. decr. c. 14. In einem Aufsatze de compositione sacrilegiorum, enthalten in einer Handschrift vom Ende des neunten oder vom Anfang des zehnten Jahrhunderts und abgedruckt bei Schmitz, Buſsbücher S. 737 ff., wird der Be- griff der compositio in folgender Weise erläutert: compositio proprie vocatur que- libet satisfactio, quam reus componit quisque pro quolibet malefacto. Sive enim ipsa satisfactio sit corporis aut animae afflictio, sive sit pretium quodcumque, quod pro malefacto commisso ab ipso reo solvitur, merito compositio vocatur, quia contra commissum facinus quasi aequitatis pondere ponitur. Das Citat ist R. Loening, Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. V 538, entlehnt. 3 Wilda, Strafrecht S. 314. v. Amira, Recht S. 179. 4 Das gilt von den langob. Wundbuſsen für Aldien und Knechte. Roth. 78. 89. 94. 96. 101. 106. 111. 118: excepto operas et mercedes medici. Roth. 128: qui

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 613. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/631>, abgerufen am 22.11.2024.