Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 138. Mord, Todschlag und Körperverletzung. ihren Mann, so hat sie ihr Leben und Vermögen an die Verwandtendes Mannes verwirkt. Stellt sie ihm nach dem Leben, so verfällt sie samt ihrem Gute der Strafgewalt des Mannes55. Ausgezeichnete Tötungen waren ausserdem die Tötung des Herrn, Unter den Körperverletzungen werden Wunden und trockene 55 Roth. 200--203. 56 Roth. 13. Lex Sax. 25. Cap. de part. Sax. 13. Vgl. Alfred 4, 2, Aethelstan II 4, Knut II 57. Leges Henrici primi 75, 1 setzen eine grausame Todesstrafe fest, die derart vollstreckt werden soll, dass der Verbrecher: infelicem prius animam exhalasse, quam finem doloribus excepisse videatur. 57 Die poena dupli setzt Roth. 143 mit Rücksicht auf die dem Rechtsleben geläufige Strafklausel. 58 Cap. Theod. secund. v. J. 805, c. 5, I 123. Siehe oben S. 542. 59 Die langobardische Rechtssprache nennt die Wunde plaga, den trockenen Schlag ferita. 60 Got. dulgs, Schuld scheint seine Bedeutung aus der compositio vulneris ent- wickelt zu haben. J. Grimm in der Vorrede zu Rösslers Ausgabe des Altprager Stadtrechts p. II f. 61 Vgl. bana, bano oben Anm. 19. Die Grundbedeutung des Wortes ist Schlag, plaga. Ahd. bedeutet bana den Todschlag, wie dafür im Nordischen drap, Schlag, gebraucht wird. 62 Ahd. ser, Schmerz. Dazu versehren. Vgl. niederl. zeer, wund, verletzt. 63 Gragas II 369: that er sar, er oddz farvegr er a eda egiar. Urteil v. J. 1492, Michelsen, Oberhof zu Lübeck 1839, S. 290: na deme ... dar doch neyn blodich noch blauw mede wer, ok mit egge unde orde nicht wer gewracht ... (Nachtrag bei Grimm, RA S. 630). 64 Lex Angl. et Werin. 6. Vgl. Cap. legg. add. 818/9, c. 2, I 281. Livor und
vulnus (Blau und Blut) unterscheidet Roth. 43. § 138. Mord, Todschlag und Körperverletzung. ihren Mann, so hat sie ihr Leben und Vermögen an die Verwandtendes Mannes verwirkt. Stellt sie ihm nach dem Leben, so verfällt sie samt ihrem Gute der Strafgewalt des Mannes55. Ausgezeichnete Tötungen waren auſserdem die Tötung des Herrn, Unter den Körperverletzungen werden Wunden und trockene 55 Roth. 200—203. 56 Roth. 13. Lex Sax. 25. Cap. de part. Sax. 13. Vgl. Alfred 4, 2, Aethelstan II 4, Knut II 57. Leges Henrici primi 75, 1 setzen eine grausame Todesstrafe fest, die derart vollstreckt werden soll, daſs der Verbrecher: infelicem prius animam exhalasse, quam finem doloribus excepisse videatur. 57 Die poena dupli setzt Roth. 143 mit Rücksicht auf die dem Rechtsleben geläufige Strafklausel. 58 Cap. Theod. secund. v. J. 805, c. 5, I 123. Siehe oben S. 542. 59 Die langobardische Rechtssprache nennt die Wunde plaga, den trockenen Schlag ferita. 60 Got. dulgs, Schuld scheint seine Bedeutung aus der compositio vulneris ent- wickelt zu haben. J. Grimm in der Vorrede zu Rösslers Ausgabe des Altprager Stadtrechts p. II f. 61 Vgl. bana, bano oben Anm. 19. Die Grundbedeutung des Wortes ist Schlag, plaga. Ahd. bedeutet bana den Todschlag, wie dafür im Nordischen dráp, Schlag, gebraucht wird. 62 Ahd. sêr, Schmerz. Dazu versehren. Vgl. niederl. zeer, wund, verletzt. 63 Grágás II 369: þat er sár, er oddz farvegr er a eđa egiar. Urteil v. J. 1492, Michelsen, Oberhof zu Lübeck 1839, S. 290: na deme … dar doch neyn blodich noch blauw mede wer, ok mit egge unde orde nicht wer gewracht … (Nachtrag bei Grimm, RA S. 630). 64 Lex Angl. et Werin. 6. Vgl. Cap. legg. add. 818/9, c. 2, I 281. Livor und
vulnus (Blau und Blut) unterscheidet Roth. 43. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0652" n="634"/><fw place="top" type="header">§ 138. Mord, Todschlag und Körperverletzung.</fw><lb/> ihren Mann, so hat sie ihr Leben und Vermögen an die Verwandten<lb/> des Mannes verwirkt. Stellt sie ihm nach dem Leben, so verfällt sie<lb/> samt ihrem Gute der Strafgewalt des Mannes<note place="foot" n="55">Roth. 200—203.</note>.</p><lb/> <p>Ausgezeichnete Tötungen waren auſserdem die Tötung des Herrn,<lb/> nach langobardischem, sächsischem und angelsächsischem Rechte ein<lb/> todeswürdiges Verbrechen<note place="foot" n="56">Roth. 13. Lex Sax. 25. Cap. de part. Sax. 13. Vgl. Alfred 4, 2, Aethelstan<lb/> II 4, Knut II 57. Leges Henrici primi 75, 1 setzen eine grausame Todesstrafe<lb/> fest, die derart vollstreckt werden soll, daſs der Verbrecher: infelicem prius animam<lb/> exhalasse, quam finem doloribus excepisse videatur.</note>, im Norden ein Neidingswerk; ferner die<lb/> Tötung von Geiſseln, die nach friesischem Rechte gleich dem Morde<lb/> gesühnt werden muſste; endlich die Tötung mit Bruch der Urfehde,<lb/> für deren Folgen in erster Linie das etwa im Sühnvertrage fest-<lb/> gesetzte Strafgedinge maſsgebend war<note place="foot" n="57">Die poena dupli setzt Roth. 143 mit Rücksicht auf die dem Rechtsleben<lb/> geläufige Strafklausel.</note>, während ein karolingisches<lb/> Kapitular neben der Verwirkung des Wergeldes Verlust der Hand<lb/> und den Königsbann androht<note place="foot" n="58">Cap. Theod. secund. v. J. 805, c. 5, I 123. Siehe oben S. 542.</note>.</p><lb/> <p>Unter den <hi rendition="#g">Körperverletzungen</hi> werden Wunden und trockene<lb/> Schläge unterschieden<note place="foot" n="59">Die langobardische Rechtssprache nennt die Wunde plaga, den trockenen<lb/> Schlag ferita.</note>. Der Begriff der Wunde, wunta, ahd. auch<lb/> tolk, fries. dolg<note place="foot" n="60">Got. dulgs, Schuld scheint seine <choice><sic>Bedeutuug</sic><corr>Bedeutung</corr></choice> aus der compositio vulneris ent-<lb/> wickelt zu haben. J. <hi rendition="#g">Grimm</hi> in der Vorrede zu Rösslers Ausgabe des Altprager<lb/> Stadtrechts p. II f.</note>, ags. und nord. ben<note place="foot" n="61">Vgl. bana, bano oben Anm. 19. Die Grundbedeutung des Wortes ist Schlag,<lb/> plaga. Ahd. bedeutet bana den Todschlag, wie dafür im Nordischen dráp, Schlag,<lb/> gebraucht wird.</note>, sár<note place="foot" n="62">Ahd. sêr, Schmerz. Dazu versehren. Vgl. niederl. zeer, wund, verletzt.</note>, wird entweder<lb/> durch die Art der Verursachung oder durch die Art der Verletzung<lb/> näher bestimmt. Wunden werden mit scharfer Waffe geschlagen, mit<lb/> ‘Ort oder Egge’, Spitze oder Schneide<note place="foot" n="63">Grágás II 369: þat er sár, er oddz farvegr er a eđa egiar. Urteil v. J. 1492,<lb/> Michelsen, Oberhof zu Lübeck 1839, S. 290: na deme … dar doch neyn blodich<lb/> noch blauw mede wer, ok mit egge unde orde nicht wer gewracht … (Nachtrag<lb/> bei <hi rendition="#g">Grimm</hi>, RA S. 630).</note> beigebracht. Der Wunde<lb/> ist die sanguinis effusio<note place="foot" n="64">Lex Angl. et Werin. 6. Vgl. Cap. legg. add. 818/9, c. 2, I 281. Livor und<lb/> vulnus (Blau und Blut) unterscheidet Roth. 43.</note> wesentlich, wobei manche Volksrechte noch<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [634/0652]
§ 138. Mord, Todschlag und Körperverletzung.
ihren Mann, so hat sie ihr Leben und Vermögen an die Verwandten
des Mannes verwirkt. Stellt sie ihm nach dem Leben, so verfällt sie
samt ihrem Gute der Strafgewalt des Mannes 55.
Ausgezeichnete Tötungen waren auſserdem die Tötung des Herrn,
nach langobardischem, sächsischem und angelsächsischem Rechte ein
todeswürdiges Verbrechen 56, im Norden ein Neidingswerk; ferner die
Tötung von Geiſseln, die nach friesischem Rechte gleich dem Morde
gesühnt werden muſste; endlich die Tötung mit Bruch der Urfehde,
für deren Folgen in erster Linie das etwa im Sühnvertrage fest-
gesetzte Strafgedinge maſsgebend war 57, während ein karolingisches
Kapitular neben der Verwirkung des Wergeldes Verlust der Hand
und den Königsbann androht 58.
Unter den Körperverletzungen werden Wunden und trockene
Schläge unterschieden 59. Der Begriff der Wunde, wunta, ahd. auch
tolk, fries. dolg 60, ags. und nord. ben 61, sár 62, wird entweder
durch die Art der Verursachung oder durch die Art der Verletzung
näher bestimmt. Wunden werden mit scharfer Waffe geschlagen, mit
‘Ort oder Egge’, Spitze oder Schneide 63 beigebracht. Der Wunde
ist die sanguinis effusio 64 wesentlich, wobei manche Volksrechte noch
55 Roth. 200—203.
56 Roth. 13. Lex Sax. 25. Cap. de part. Sax. 13. Vgl. Alfred 4, 2, Aethelstan
II 4, Knut II 57. Leges Henrici primi 75, 1 setzen eine grausame Todesstrafe
fest, die derart vollstreckt werden soll, daſs der Verbrecher: infelicem prius animam
exhalasse, quam finem doloribus excepisse videatur.
57 Die poena dupli setzt Roth. 143 mit Rücksicht auf die dem Rechtsleben
geläufige Strafklausel.
58 Cap. Theod. secund. v. J. 805, c. 5, I 123. Siehe oben S. 542.
59 Die langobardische Rechtssprache nennt die Wunde plaga, den trockenen
Schlag ferita.
60 Got. dulgs, Schuld scheint seine Bedeutung aus der compositio vulneris ent-
wickelt zu haben. J. Grimm in der Vorrede zu Rösslers Ausgabe des Altprager
Stadtrechts p. II f.
61 Vgl. bana, bano oben Anm. 19. Die Grundbedeutung des Wortes ist Schlag,
plaga. Ahd. bedeutet bana den Todschlag, wie dafür im Nordischen dráp, Schlag,
gebraucht wird.
62 Ahd. sêr, Schmerz. Dazu versehren. Vgl. niederl. zeer, wund, verletzt.
63 Grágás II 369: þat er sár, er oddz farvegr er a eđa egiar. Urteil v. J. 1492,
Michelsen, Oberhof zu Lübeck 1839, S. 290: na deme … dar doch neyn blodich
noch blauw mede wer, ok mit egge unde orde nicht wer gewracht … (Nachtrag
bei Grimm, RA S. 630).
64 Lex Angl. et Werin. 6. Vgl. Cap. legg. add. 818/9, c. 2, I 281. Livor und
vulnus (Blau und Blut) unterscheidet Roth. 43.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |