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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 139. Diebstahl, Raub und Unterschlagung.
Recht 49, ebenso die nordischen Rechte 50. Neunfacher Ersatz ist die
Diebstahlsbusse der Westgoten 51, Laugobarden 52, Alamannen 53,
Baiern 54 und der Chamaven 55. Auch bei den Sachsen wird kleiner
(nicht todeswürdiger) Diebstahl mit dem Neungelde gebüsst 56.

Wenn der Wert der gestohlenen Sache streitig war, hatte der
Beschädigte das Recht, ihn zu beschwören. Doch setzten manche
Volksrechte wenigstens für gewisse Gegenstände, um derartige
Streitigkeiten von vornherein auszuschliessen, Werttaxen fest, die ent-
weder nach oben und unten hin 57 oder nur als Maximalgrenze 58
massgebend sein sollten. Aus solchen Werttaxen scheinen mitunter
feste Diebstahlsbussen hervorgegangen zu sein 59.

Feste Diebstahlsbussen begegnen von vornherein in der Lex
Salica neben dem einfachen Ersatze (capitale) des gestohlenen Gegen-
standes 60. Um ursprüngliche Werttaxen kann es sich dabei nicht
handeln; denn die Busse bleibt trotz Verschiedenheit des Wertes bis
zu einer gewissen Wertgrenze stabil. Die höchste Busse beträgt
621/2 Solidi. Es folgen solche von 45 und 35 Solidi. Letztere greift
bei einem Werte von 40 Denaren Platz. Bei kleinem Diebstahl (von
zwei Denaren ab) wird auf eine Busse von 15 Solidi erkannt. Unter
den noch geringeren Bussen ist hauptsächlich die von drei Solidi ver-
treten. Daneben finden sich vereinzelt die Hälfte von 35 und von
15 Solidi, eine Busse von 30 Solidi und einmal die von 7 Denaren
( 1/6 Solidis). Die Busse von 621/2 Solidi, die in Fällen ausgezeich-
neten Diebstahls vorkommt, haben wir oben als vermutliche Redemp-
tionstaxe der Hand, des Fusses oder des Auges kennen gelernt 61.

49 Lex Rib. 42, 4. 5. 6 nach der wichtigen Handschrift A 5, wonach bei
Kleinvieh- und Bienendiebstahl neben dem triplum eine fixe Busse von 3, 6 oder
12 Solidi (als Friedensgeld?) gezahlt wird.
50 Wilda, Strafrecht S. 895. v. Amira, Obligationenrecht I 395.
51 Lex Wisig. VII 2, 13 f. 23.
52 Roth. 253.
53 Pactus Alam. III 26, V 6. 7. 8. Lex Alam. 61. 62. 65.
54 Lex Baiuw. IX 1. 6.
55 Lex Chamav. 24.
56 Lex Sax. 36.
57 Diesen Charakter haben die Taxen in der Lex Burg. 4, 1. 3, nach welchen
der dreifache Ersatz zu leisten ist, secundum pretia constituta.
58 Lex Alam. 62. 1. 2. Vgl. Pactus Alam. V 7. 8.
59 So die Bussen für Hundediebstahl in Lex Alam. 78, in Lex Baiuw. XX,
in Lex Fris. 4, 6 f., für Diebstahl eines gezähmten Hirsches in Lex Rib. 42, 2. 3.
60 Eine Zusammenstellung giebt Davoud-Oghlou, Historie de la legislation
des anciens Germains I 503 ff.
61 Lösung der Hand hat Lex Baiuw. II 6 bei Diebstahl in exercitu, Alfred 6
bei Diebstahl in der Kirche. Siehe oben S. 520, Anm. 40. 41.

§ 139. Diebstahl, Raub und Unterschlagung.
Recht 49, ebenso die nordischen Rechte 50. Neunfacher Ersatz ist die
Diebstahlsbuſse der Westgoten 51, Laugobarden 52, Alamannen 53,
Baiern 54 und der Chamaven 55. Auch bei den Sachsen wird kleiner
(nicht todeswürdiger) Diebstahl mit dem Neungelde gebüſst 56.

Wenn der Wert der gestohlenen Sache streitig war, hatte der
Beschädigte das Recht, ihn zu beschwören. Doch setzten manche
Volksrechte wenigstens für gewisse Gegenstände, um derartige
Streitigkeiten von vornherein auszuschlieſsen, Werttaxen fest, die ent-
weder nach oben und unten hin 57 oder nur als Maximalgrenze 58
maſsgebend sein sollten. Aus solchen Werttaxen scheinen mitunter
feste Diebstahlsbuſsen hervorgegangen zu sein 59.

Feste Diebstahlsbuſsen begegnen von vornherein in der Lex
Salica neben dem einfachen Ersatze (capitale) des gestohlenen Gegen-
standes 60. Um ursprüngliche Werttaxen kann es sich dabei nicht
handeln; denn die Buſse bleibt trotz Verschiedenheit des Wertes bis
zu einer gewissen Wertgrenze stabil. Die höchste Buſse beträgt
62½ Solidi. Es folgen solche von 45 und 35 Solidi. Letztere greift
bei einem Werte von 40 Denaren Platz. Bei kleinem Diebstahl (von
zwei Denaren ab) wird auf eine Buſse von 15 Solidi erkannt. Unter
den noch geringeren Buſsen ist hauptsächlich die von drei Solidi ver-
treten. Daneben finden sich vereinzelt die Hälfte von 35 und von
15 Solidi, eine Buſse von 30 Solidi und einmal die von 7 Denaren
(⅙ Solidis). Die Buſse von 62½ Solidi, die in Fällen ausgezeich-
neten Diebstahls vorkommt, haben wir oben als vermutliche Redemp-
tionstaxe der Hand, des Fuſses oder des Auges kennen gelernt 61.

49 Lex Rib. 42, 4. 5. 6 nach der wichtigen Handschrift A 5, wonach bei
Kleinvieh- und Bienendiebstahl neben dem triplum eine fixe Buſse von 3, 6 oder
12 Solidi (als Friedensgeld?) gezahlt wird.
50 Wilda, Strafrecht S. 895. v. Amira, Obligationenrecht I 395.
51 Lex Wisig. VII 2, 13 f. 23.
52 Roth. 253.
53 Pactus Alam. III 26, V 6. 7. 8. Lex Alam. 61. 62. 65.
54 Lex Baiuw. IX 1. 6.
55 Lex Chamav. 24.
56 Lex Sax. 36.
57 Diesen Charakter haben die Taxen in der Lex Burg. 4, 1. 3, nach welchen
der dreifache Ersatz zu leisten ist, secundum pretia constituta.
58 Lex Alam. 62. 1. 2. Vgl. Pactus Alam. V 7. 8.
59 So die Buſsen für Hundediebstahl in Lex Alam. 78, in Lex Baiuw. XX,
in Lex Fris. 4, 6 f., für Diebstahl eines gezähmten Hirsches in Lex Rib. 42, 2. 3.
60 Eine Zusammenstellung giebt Davoud-Oghlou, Historie de la législation
des anciens Germains I 503 ff.
61 Lösung der Hand hat Lex Baiuw. II 6 bei Diebstahl in exercitu, Alfred 6
bei Diebstahl in der Kirche. Siehe oben S. 520, Anm. 40. 41.
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[644/0662] § 139. Diebstahl, Raub und Unterschlagung. Recht 49, ebenso die nordischen Rechte 50. Neunfacher Ersatz ist die Diebstahlsbuſse der Westgoten 51, Laugobarden 52, Alamannen 53, Baiern 54 und der Chamaven 55. Auch bei den Sachsen wird kleiner (nicht todeswürdiger) Diebstahl mit dem Neungelde gebüſst 56. Wenn der Wert der gestohlenen Sache streitig war, hatte der Beschädigte das Recht, ihn zu beschwören. Doch setzten manche Volksrechte wenigstens für gewisse Gegenstände, um derartige Streitigkeiten von vornherein auszuschlieſsen, Werttaxen fest, die ent- weder nach oben und unten hin 57 oder nur als Maximalgrenze 58 maſsgebend sein sollten. Aus solchen Werttaxen scheinen mitunter feste Diebstahlsbuſsen hervorgegangen zu sein 59. Feste Diebstahlsbuſsen begegnen von vornherein in der Lex Salica neben dem einfachen Ersatze (capitale) des gestohlenen Gegen- standes 60. Um ursprüngliche Werttaxen kann es sich dabei nicht handeln; denn die Buſse bleibt trotz Verschiedenheit des Wertes bis zu einer gewissen Wertgrenze stabil. Die höchste Buſse beträgt 62½ Solidi. Es folgen solche von 45 und 35 Solidi. Letztere greift bei einem Werte von 40 Denaren Platz. Bei kleinem Diebstahl (von zwei Denaren ab) wird auf eine Buſse von 15 Solidi erkannt. Unter den noch geringeren Buſsen ist hauptsächlich die von drei Solidi ver- treten. Daneben finden sich vereinzelt die Hälfte von 35 und von 15 Solidi, eine Buſse von 30 Solidi und einmal die von 7 Denaren (⅙ Solidis). Die Buſse von 62½ Solidi, die in Fällen ausgezeich- neten Diebstahls vorkommt, haben wir oben als vermutliche Redemp- tionstaxe der Hand, des Fuſses oder des Auges kennen gelernt 61. 49 Lex Rib. 42, 4. 5. 6 nach der wichtigen Handschrift A 5, wonach bei Kleinvieh- und Bienendiebstahl neben dem triplum eine fixe Buſse von 3, 6 oder 12 Solidi (als Friedensgeld?) gezahlt wird. 50 Wilda, Strafrecht S. 895. v. Amira, Obligationenrecht I 395. 51 Lex Wisig. VII 2, 13 f. 23. 52 Roth. 253. 53 Pactus Alam. III 26, V 6. 7. 8. Lex Alam. 61. 62. 65. 54 Lex Baiuw. IX 1. 6. 55 Lex Chamav. 24. 56 Lex Sax. 36. 57 Diesen Charakter haben die Taxen in der Lex Burg. 4, 1. 3, nach welchen der dreifache Ersatz zu leisten ist, secundum pretia constituta. 58 Lex Alam. 62. 1. 2. Vgl. Pactus Alam. V 7. 8. 59 So die Buſsen für Hundediebstahl in Lex Alam. 78, in Lex Baiuw. XX, in Lex Fris. 4, 6 f., für Diebstahl eines gezähmten Hirsches in Lex Rib. 42, 2. 3. 60 Eine Zusammenstellung giebt Davoud-Oghlou, Historie de la législation des anciens Germains I 503 ff. 61 Lösung der Hand hat Lex Baiuw. II 6 bei Diebstahl in exercitu, Alfred 6 bei Diebstahl in der Kirche. Siehe oben S. 520, Anm. 40. 41.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/662>, abgerufen am 17.06.2024.