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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 66. Königsschutz.

Schon das ribuarische und das alamannische Volksrecht setzen
auf Raub und Diebstahl an Sachen der Kirche die dreifache Busse,
wie sie um diese Zeit der Fahrnis des Königs gebührte30. Allge-
meines Reichsrecht ist dieser Satz nicht geworden. In Italien blieb
die doppelte Busse des Fiskalgutes auf die königlichen Eigenklöster
beschränkt31. Dagegen gab Karl der Grosse vermittelst des Königs-
bannes allen Kirchen höheren Frieden32. Verletzungen desselben
sollten, wenn möglich, vor dem Kaiser selbst zur gerichtlichen Sühne
gelangen, nötigenfalls von den kaiserlichen Missi untersucht werden33,
eine Bestimmung, die, solange sie beachtet wurde, in derartigen Rechts-
sachen das Reklamationsrecht einigermassen ersetzte.

Die Kirche erwirkte unter Ludwig I., dass die Kirchengebäude
einen örtlichen Sonderfrieden nach Art des Pfalzfriedens erhielten34.
Sie setzte es ferner durch, dass mit der Immunität35, einem Vor-
rechte, welches schliesslich fast allen grösseren Kirchen zu teil ward,
der Gedanke eines Sonderfriedens verbunden wurde, sodass auf jede
Verletzung des Kirchengutes oder doch wenigstens der räumlich ein-
gefriedeten Besitzungen die hohe Busse von 600 Solidi stand.

Im Anschluss an diese Errungenschaft macht sich seit Ludwig I.
eine zweifache Neuerung bemerkbar. Mit Rücksicht auf den allge-
meinen Schutz des Besitzstandes, den nunmehr die Immunität ge-
währte, wurde in der königlichen Kanzlei das Formular der Immunitäts-
briefe neu redigiert und in dasselbe die Klausel aufgenommen, dass
der König die Kirche sub sua protectione et immunitatis defensione

der Wormser Reichstag von 829 brachte nur eine vereinzelte und beschränkte
Konzession, Cap. Worm. v. J. 829, c. 8, II 13. Auf den Mainzer Synoden von
847, c. 6, Cap. II 177, und von 852, c. 4, Cap. II 186, ermahnen die Bischöfe
Ludwig den Deutschen: assensum non praebeat improvide affirmantibus non debere
esse res dominicas id est domino dominantium traditas ita sub defensione regis
sicut propriae suae hereditates. Vgl. H. Brunner, Zeugen- und Inquisitions-
beweis S. 101 ff.
30 Lex Rib. 60, 8. Lex Alam. 7. Syn. Tribur. v. J. 895, c. 7.
31 Aistulf 17 versagt sie den monasteria in defensione palatii. Dass dies
Rechtens blieb, zeigen die Lombarda-Kommentare II 1.
32 Siehe oben S. 38. 40 und unten S. 57.
33 Cap. Aquisgr. 801--813, c. 2, 1 171: ut ecclesiae .. per bannum regis
pacem habeant. Sin aliter, in praesentia nostra hoc veniat, si fieri potest. Sin
autem, missi nostri investigent illud, quomodo gestum sit.
34 Siehe oben S. 47.
35 Über Charakter und Bedeutung der Immunität wird unten § 94 gehandelt
werden. Vorläufig sei bemerkt, dass die Immunität zunächst nur ein privilegiertes
Verhältnis der einzelnen Kirchen und ihrer Hintersassen zur öffentlichen Gewalt
und ihren Beamten, nicht aber einen Schutz gegen beliebige dritte begründete.
§ 66. Königsschutz.

Schon das ribuarische und das alamannische Volksrecht setzen
auf Raub und Diebstahl an Sachen der Kirche die dreifache Buſse,
wie sie um diese Zeit der Fahrnis des Königs gebührte30. Allge-
meines Reichsrecht ist dieser Satz nicht geworden. In Italien blieb
die doppelte Buſse des Fiskalgutes auf die königlichen Eigenklöster
beschränkt31. Dagegen gab Karl der Groſse vermittelst des Königs-
bannes allen Kirchen höheren Frieden32. Verletzungen desselben
sollten, wenn möglich, vor dem Kaiser selbst zur gerichtlichen Sühne
gelangen, nötigenfalls von den kaiserlichen Missi untersucht werden33,
eine Bestimmung, die, solange sie beachtet wurde, in derartigen Rechts-
sachen das Reklamationsrecht einigermaſsen ersetzte.

Die Kirche erwirkte unter Ludwig I., daſs die Kirchengebäude
einen örtlichen Sonderfrieden nach Art des Pfalzfriedens erhielten34.
Sie setzte es ferner durch, daſs mit der Immunität35, einem Vor-
rechte, welches schlieſslich fast allen gröſseren Kirchen zu teil ward,
der Gedanke eines Sonderfriedens verbunden wurde, sodaſs auf jede
Verletzung des Kirchengutes oder doch wenigstens der räumlich ein-
gefriedeten Besitzungen die hohe Buſse von 600 Solidi stand.

Im Anschluſs an diese Errungenschaft macht sich seit Ludwig I.
eine zweifache Neuerung bemerkbar. Mit Rücksicht auf den allge-
meinen Schutz des Besitzstandes, den nunmehr die Immunität ge-
währte, wurde in der königlichen Kanzlei das Formular der Immunitäts-
briefe neu redigiert und in dasselbe die Klausel aufgenommen, daſs
der König die Kirche sub sua protectione et immunitatis defensione

der Wormser Reichstag von 829 brachte nur eine vereinzelte und beschränkte
Konzession, Cap. Worm. v. J. 829, c. 8, II 13. Auf den Mainzer Synoden von
847, c. 6, Cap. II 177, und von 852, c. 4, Cap. II 186, ermahnen die Bischöfe
Ludwig den Deutschen: assensum non praebeat improvide affirmantibus non debere
esse res dominicas id est domino dominantium traditas ita sub defensione regis
sicut propriae suae hereditates. Vgl. H. Brunner, Zeugen- und Inquisitions-
beweis S. 101 ff.
30 Lex Rib. 60, 8. Lex Alam. 7. Syn. Tribur. v. J. 895, c. 7.
31 Aistulf 17 versagt sie den monasteria in defensione palatii. Daſs dies
Rechtens blieb, zeigen die Lombarda-Kommentare II 1.
32 Siehe oben S. 38. 40 und unten S. 57.
33 Cap. Aquisgr. 801—813, c. 2, 1 171: ut ecclesiae .. per bannum regis
pacem habeant. Sin aliter, in praesentia nostra hoc veniat, si fieri potest. Sin
autem, missi nostri investigent illud, quomodo gestum sit.
34 Siehe oben S. 47.
35 Über Charakter und Bedeutung der Immunität wird unten § 94 gehandelt
werden. Vorläufig sei bemerkt, daſs die Immunität zunächst nur ein privilegiertes
Verhältnis der einzelnen Kirchen und ihrer Hintersassen zur öffentlichen Gewalt
und ihren Beamten, nicht aber einen Schutz gegen beliebige dritte begründete.
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[54/0072] § 66. Königsschutz. Schon das ribuarische und das alamannische Volksrecht setzen auf Raub und Diebstahl an Sachen der Kirche die dreifache Buſse, wie sie um diese Zeit der Fahrnis des Königs gebührte 30. Allge- meines Reichsrecht ist dieser Satz nicht geworden. In Italien blieb die doppelte Buſse des Fiskalgutes auf die königlichen Eigenklöster beschränkt 31. Dagegen gab Karl der Groſse vermittelst des Königs- bannes allen Kirchen höheren Frieden 32. Verletzungen desselben sollten, wenn möglich, vor dem Kaiser selbst zur gerichtlichen Sühne gelangen, nötigenfalls von den kaiserlichen Missi untersucht werden 33, eine Bestimmung, die, solange sie beachtet wurde, in derartigen Rechts- sachen das Reklamationsrecht einigermaſsen ersetzte. Die Kirche erwirkte unter Ludwig I., daſs die Kirchengebäude einen örtlichen Sonderfrieden nach Art des Pfalzfriedens erhielten 34. Sie setzte es ferner durch, daſs mit der Immunität 35, einem Vor- rechte, welches schlieſslich fast allen gröſseren Kirchen zu teil ward, der Gedanke eines Sonderfriedens verbunden wurde, sodaſs auf jede Verletzung des Kirchengutes oder doch wenigstens der räumlich ein- gefriedeten Besitzungen die hohe Buſse von 600 Solidi stand. Im Anschluſs an diese Errungenschaft macht sich seit Ludwig I. eine zweifache Neuerung bemerkbar. Mit Rücksicht auf den allge- meinen Schutz des Besitzstandes, den nunmehr die Immunität ge- währte, wurde in der königlichen Kanzlei das Formular der Immunitäts- briefe neu redigiert und in dasselbe die Klausel aufgenommen, daſs der König die Kirche sub sua protectione et immunitatis defensione 29 30 Lex Rib. 60, 8. Lex Alam. 7. Syn. Tribur. v. J. 895, c. 7. 31 Aistulf 17 versagt sie den monasteria in defensione palatii. Daſs dies Rechtens blieb, zeigen die Lombarda-Kommentare II 1. 32 Siehe oben S. 38. 40 und unten S. 57. 33 Cap. Aquisgr. 801—813, c. 2, 1 171: ut ecclesiae .. per bannum regis pacem habeant. Sin aliter, in praesentia nostra hoc veniat, si fieri potest. Sin autem, missi nostri investigent illud, quomodo gestum sit. 34 Siehe oben S. 47. 35 Über Charakter und Bedeutung der Immunität wird unten § 94 gehandelt werden. Vorläufig sei bemerkt, daſs die Immunität zunächst nur ein privilegiertes Verhältnis der einzelnen Kirchen und ihrer Hintersassen zur öffentlichen Gewalt und ihren Beamten, nicht aber einen Schutz gegen beliebige dritte begründete. 29 der Wormser Reichstag von 829 brachte nur eine vereinzelte und beschränkte Konzession, Cap. Worm. v. J. 829, c. 8, II 13. Auf den Mainzer Synoden von 847, c. 6, Cap. II 177, und von 852, c. 4, Cap. II 186, ermahnen die Bischöfe Ludwig den Deutschen: assensum non praebeat improvide affirmantibus non debere esse res dominicas id est domino dominantium traditas ita sub defensione regis sicut propriae suae hereditates. Vgl. H. Brunner, Zeugen- und Inquisitions- beweis S. 101 ff.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/72>, abgerufen am 23.11.2024.