der Felonie, der gebrochenen Lehnstreue, zum Grundpfeiler des pein- lichen Rechtes gestaltete.
Dem Schuldigen, der sich der Verantwortung nicht entzieht und die Schuld bekennt, sichern westfränkische Kapitularien die Gewäh- rung einer rationabilis indulgentia, die Anwendung einer rationabilis misericordia zu 49. Nachmals haben fränkische Tochterrechte diesen Begriff in eigenartiger Ausgestaltung weiter entwickelt. Die flan- drischen, französischen, normannischen und anglo-normannischen Quel- len sagen von dem, dessen Bestrafung im Ermessen des obersten Gerichtsherrn steht, er befinde sich in potestate, misericordia regis, ducis, en merci du roi. Den Schuldigen traf in der Regel eine Ver- mögensstrafe, deren höchstes Ausmass in dem Verlust des beweglichen oder des ganzen Vermögens bestand. Das anglo-normannische Recht bezeichnete solche Strafen als amerciamenta. Allmählich bildete die Praxis für bestimmte Arten von Straffällen einen festen Tarif abge- stufter Bussen aus 50. Sie waren ursprünglich nichts anderes gewesen, als der Preis, um den die königliche misericordia im Einzelfalle er- kauft werden musste.
Mit der arbiträren Strafgewalt, die der König in Sachen der In- fidelität ausübte, vermengte sich noch in fränkischer Zeit der Begriff der königlichen Unhuld oder Ungnade. Rechtliche Bedeutung hatte der Verlust der königlichen Huld oder Gnade zunächst nur im Ver- hältnis des Königs zu den Gefolgsleuten und Beamten 51. Aber in karolingischer Zeit wurde er auch auf Fälle von infidelitas angewendet 52. Unhold bedeutete auch feindlich. Und die Unhuld des Königs durfte für die Folge der Infidelität gelten, wenn man nicht sowohl die Feind- schaft des infidelis gegen den König, als die des Königs gegen den infidelis betonen wollte. Nachmals wurde der Begriff der königlichen Ungnade auf verschiedenartige Fälle arbiträrer Strafgewalt ausgedehnt, deren Strenge durch Zahlung von Bussen abgewendet werden konnte, mit welchen man die Huld des Herrn erkaufte 53.
49 Conventus apud Confluentes v. J. 860, Cap. II 156, c. 7. 157, c. 5. Ka- roli II Capit. Carisiac. v. J. 856, c. 3, Pertz, LL I 445. Schon in einer Urkunde Ludwigs I. v. J. 816, Mühlbacher Nr. 602, heisst es von Karl: Haioni comiti .. de Avaria reverso et ad misericordiam eius venienti .. (res quascunque, die durch die Landesflucht verwirkten Güter) reddere iussit.
50Reeves, History of the English Law, ed. Finlason I 280 ff.
51 Siehe unten S. 79.
52 Capit. Franconof. v. J. 794, c. 9, I 75.
53Waitz, VG VI 464. Vgl. Ficker, Forschungen I 79 ff.
§ 67. Königstreue und Huldigung.
der Felonie, der gebrochenen Lehnstreue, zum Grundpfeiler des pein- lichen Rechtes gestaltete.
Dem Schuldigen, der sich der Verantwortung nicht entzieht und die Schuld bekennt, sichern westfränkische Kapitularien die Gewäh- rung einer rationabilis indulgentia, die Anwendung einer rationabilis misericordia zu 49. Nachmals haben fränkische Tochterrechte diesen Begriff in eigenartiger Ausgestaltung weiter entwickelt. Die flan- drischen, französischen, normannischen und anglo-normannischen Quel- len sagen von dem, dessen Bestrafung im Ermessen des obersten Gerichtsherrn steht, er befinde sich in potestate, misericordia regis, ducis, en merci du roi. Den Schuldigen traf in der Regel eine Ver- mögensstrafe, deren höchstes Ausmaſs in dem Verlust des beweglichen oder des ganzen Vermögens bestand. Das anglo-normannische Recht bezeichnete solche Strafen als amerciamenta. Allmählich bildete die Praxis für bestimmte Arten von Straffällen einen festen Tarif abge- stufter Buſsen aus 50. Sie waren ursprünglich nichts anderes gewesen, als der Preis, um den die königliche misericordia im Einzelfalle er- kauft werden muſste.
Mit der arbiträren Strafgewalt, die der König in Sachen der In- fidelität ausübte, vermengte sich noch in fränkischer Zeit der Begriff der königlichen Unhuld oder Ungnade. Rechtliche Bedeutung hatte der Verlust der königlichen Huld oder Gnade zunächst nur im Ver- hältnis des Königs zu den Gefolgsleuten und Beamten 51. Aber in karolingischer Zeit wurde er auch auf Fälle von infidelitas angewendet 52. Unhold bedeutete auch feindlich. Und die Unhuld des Königs durfte für die Folge der Infidelität gelten, wenn man nicht sowohl die Feind- schaft des infidelis gegen den König, als die des Königs gegen den infidelis betonen wollte. Nachmals wurde der Begriff der königlichen Ungnade auf verschiedenartige Fälle arbiträrer Strafgewalt ausgedehnt, deren Strenge durch Zahlung von Buſsen abgewendet werden konnte, mit welchen man die Huld des Herrn erkaufte 53.
49 Conventus apud Confluentes v. J. 860, Cap. II 156, c. 7. 157, c. 5. Ka- roli II Capit. Carisiac. v. J. 856, c. 3, Pertz, LL I 445. Schon in einer Urkunde Ludwigs I. v. J. 816, Mühlbacher Nr. 602, heiſst es von Karl: Haioni comiti .. de Avaria reverso et ad misericordiam eius venienti .. (res quascunque, die durch die Landesflucht verwirkten Güter) reddere iussit.
50Reeves, History of the English Law, ed. Finlason I 280 ff.
51 Siehe unten S. 79.
52 Capit. Franconof. v. J. 794, c. 9, I 75.
53Waitz, VG VI 464. Vgl. Ficker, Forschungen I 79 ff.
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§ 67. Königstreue und Huldigung.
der Felonie, der gebrochenen Lehnstreue, zum Grundpfeiler des pein-
lichen Rechtes gestaltete.
Dem Schuldigen, der sich der Verantwortung nicht entzieht und
die Schuld bekennt, sichern westfränkische Kapitularien die Gewäh-
rung einer rationabilis indulgentia, die Anwendung einer rationabilis
misericordia zu 49. Nachmals haben fränkische Tochterrechte diesen
Begriff in eigenartiger Ausgestaltung weiter entwickelt. Die flan-
drischen, französischen, normannischen und anglo-normannischen Quel-
len sagen von dem, dessen Bestrafung im Ermessen des obersten
Gerichtsherrn steht, er befinde sich in potestate, misericordia regis,
ducis, en merci du roi. Den Schuldigen traf in der Regel eine Ver-
mögensstrafe, deren höchstes Ausmaſs in dem Verlust des beweglichen
oder des ganzen Vermögens bestand. Das anglo-normannische Recht
bezeichnete solche Strafen als amerciamenta. Allmählich bildete die
Praxis für bestimmte Arten von Straffällen einen festen Tarif abge-
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als der Preis, um den die königliche misericordia im Einzelfalle er-
kauft werden muſste.
Mit der arbiträren Strafgewalt, die der König in Sachen der In-
fidelität ausübte, vermengte sich noch in fränkischer Zeit der Begriff
der königlichen Unhuld oder Ungnade. Rechtliche Bedeutung hatte
der Verlust der königlichen Huld oder Gnade zunächst nur im Ver-
hältnis des Königs zu den Gefolgsleuten und Beamten 51. Aber in
karolingischer Zeit wurde er auch auf Fälle von infidelitas angewendet 52.
Unhold bedeutete auch feindlich. Und die Unhuld des Königs durfte
für die Folge der Infidelität gelten, wenn man nicht sowohl die Feind-
schaft des infidelis gegen den König, als die des Königs gegen den
infidelis betonen wollte. Nachmals wurde der Begriff der königlichen
Ungnade auf verschiedenartige Fälle arbiträrer Strafgewalt ausgedehnt,
deren Strenge durch Zahlung von Buſsen abgewendet werden konnte,
mit welchen man die Huld des Herrn erkaufte 53.
49 Conventus apud Confluentes v. J. 860, Cap. II 156, c. 7. 157, c. 5. Ka-
roli II Capit. Carisiac. v. J. 856, c. 3, Pertz, LL I 445. Schon in einer Urkunde
Ludwigs I. v. J. 816, Mühlbacher Nr. 602, heiſst es von Karl: Haioni comiti ..
de Avaria reverso et ad misericordiam eius venienti .. (res quascunque, die durch
die Landesflucht verwirkten Güter) reddere iussit.
50 Reeves, History of the English Law, ed. Finlason I 280 ff.
51 Siehe unten S. 79.
52 Capit. Franconof. v. J. 794, c. 9, I 75.
53 Waitz, VG VI 464. Vgl. Ficker, Forschungen I 79 ff.
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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/84>, abgerufen am 23.11.2024.
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