Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 69. Die Amtshoheit. schriftlicher Bestallung schwerlich erstreckt. Jedenfalls ist sie imneunten Jahrhundert nicht mehr Brauch. Die Sammlung der kaiser- lichen Kanzleiformeln aus der Zeit Ludwigs I. hat kein Formular eines derartigen Ernennungspatentes. Die Dauer des Königsamtes hing ursprünglich vom Belieben des Einkünfte werden dem Beamten zur besonderen Pflicht gemacht. Das Formular ist so allgemein gehalten, dass es ebensowohl für den Grafen als für den dux und patricius verwendbar ist. Ein Beispiel schriftlicher Bestallung bietet Greg. Tur. Hist. Franc. VIII 18, S. 337, 21. 12 Cassiodor, Var. VII 2 und die zahlreichen Formeln bei Cassiodor, nach welchen die Ernennung nur auf eine indictio, ein Steuerjahr erfolgte. Siehe Bethmann-Hollweg, Civilprozess III 36. Über jährlichen Amtswechsel im by- zantinischen Ämterwesen Kap-herr, D. Z. f. Gesch. Wiss. 1891, S. 35. 39. 13 Die Dauer der Amtszeit muss dahingestellt bleiben. 14 Greg. Tur. Hist. Franc. V 36: M. diu in ipsa urbe usus est comitatum. Quo officio completo ecclesiae sociatur; clericusque factus ordinatur episcopus. 15 Greg. Tur. Hist. Franc. IV 42. 16 Greg. Tur. Hist. Franc. V 47. Chilperich sendet den Ansovald nach Tours, wo Leudastes Graf ist. Qui veniens ad festivitatem S. Martini data nobis populo optionem, Eunomius in comitatum erigitur. Denique Leudastes cernens se remotum ad Chilpericum diregit. Erst durch die Ernennung des Eunomius wird dem Leudastes klar, dass er enthoben sei. 17 Dagegen hat es offenbar andere Bedeutung, wenn es bei Greg. Tur. Hist.
Franc. VIII 30 heisst: Terenciolus comes quondam urbis Lemovicinae .. occubuit. § 69. Die Amtshoheit. schriftlicher Bestallung schwerlich erstreckt. Jedenfalls ist sie imneunten Jahrhundert nicht mehr Brauch. Die Sammlung der kaiser- lichen Kanzleiformeln aus der Zeit Ludwigs I. hat kein Formular eines derartigen Ernennungspatentes. Die Dauer des Königsamtes hing ursprünglich vom Belieben des Einkünfte werden dem Beamten zur besonderen Pflicht gemacht. Das Formular ist so allgemein gehalten, daſs es ebensowohl für den Grafen als für den dux und patricius verwendbar ist. Ein Beispiel schriftlicher Bestallung bietet Greg. Tur. Hist. Franc. VIII 18, S. 337, 21. 12 Cassiodor, Var. VII 2 und die zahlreichen Formeln bei Cassiodor, nach welchen die Ernennung nur auf eine indictio, ein Steuerjahr erfolgte. Siehe Bethmann-Hollweg, Civilprozeſs III 36. Über jährlichen Amtswechsel im by- zantinischen Ämterwesen Kap-herr, D. Z. f. Gesch. Wiss. 1891, S. 35. 39. 13 Die Dauer der Amtszeit muſs dahingestellt bleiben. 14 Greg. Tur. Hist. Franc. V 36: M. diu in ipsa urbe usus est comitatum. Quo officio completo ecclesiae sociatur; clericusque factus ordinatur episcopus. 15 Greg. Tur. Hist. Franc. IV 42. 16 Greg. Tur. Hist. Franc. V 47. Chilperich sendet den Ansovald nach Tours, wo Leudastes Graf ist. Qui veniens ad festivitatem S. Martini data nobis populo optionem, Eunomius in comitatum erigitur. Denique Leudastes cernens se remotum ad Chilpericum diregit. Erst durch die Ernennung des Eunomius wird dem Leudastes klar, daſs er enthoben sei. 17 Dagegen hat es offenbar andere Bedeutung, wenn es bei Greg. Tur. Hist.
Franc. VIII 30 heiſst: Terenciolus comes quondam urbis Lemovicinae .. occubuit. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0098" n="80"/><fw place="top" type="header">§ 69. Die Amtshoheit.</fw><lb/> schriftlicher Bestallung schwerlich erstreckt. Jedenfalls ist sie im<lb/> neunten Jahrhundert nicht mehr Brauch. Die Sammlung der kaiser-<lb/> lichen Kanzleiformeln aus der Zeit Ludwigs I. hat kein Formular<lb/> eines derartigen Ernennungspatentes.</p><lb/> <p>Die Dauer des Königsamtes hing ursprünglich vom Belieben des<lb/> Königs ab. Er konnte nach Gutdünken den Beamten des Amtes ent-<lb/> heben, ihm einen anderen Amtssprengel, einen anders gearteten Wir-<lb/> kungskreis anweisen. Übrigens erfolgte im sechsten Jahrhundert<lb/> die Ernennung wenigstens zu gewissen Ämtern innerhalb eines Teiles<lb/> von Neustrien nur auf bestimmte Frist, nämlich in der Art, daſs der<lb/> Beamte das Amt abgeben muſste, wenn nicht eine Verlängerung der<lb/> Amtszeit erfolgte. Die befristete Ernennung stammt ebenso wie die<lb/> schriftliche Bestallung aus den Ordnungen des römischen Reichs <note place="foot" n="12">Cassiodor, Var. VII 2 und die zahlreichen Formeln bei Cassiodor, nach<lb/> welchen die Ernennung nur auf eine indictio, ein Steuerjahr erfolgte. Siehe<lb/><hi rendition="#g">Bethmann-Hollweg</hi>, Civilprozeſs III 36. Über jährlichen Amtswechsel im by-<lb/> zantinischen Ämterwesen <hi rendition="#g">Kap-herr</hi>, D. Z. f. Gesch. Wiss. 1891, S. 35. 39.</note>.<lb/> Feststeht, daſs neustrische comites nur auf Zeit ernannt waren <note place="foot" n="13">Die Dauer der Amtszeit muſs dahingestellt bleiben.</note>.<lb/> Wir lesen bei Gregor von Tours, daſs ein comes abgeht officio com-<lb/> pleto <note place="foot" n="14">Greg. Tur. Hist. Franc. V 36: M. diu in ipsa urbe usus est comitatum.<lb/> Quo officio completo ecclesiae sociatur; clericusque factus ordinatur episcopus.</note>, daſs ein Graf, um die Verlängerung der Amtszeit zu erwirken<lb/> (ad renovandam actionem), dem Könige durch seinen Sohn Geschenke<lb/> übersendet, die dieser dazu miſsbraucht, um sich selbst zum Grafen<lb/> ernennen zu lassen <note place="foot" n="15">Greg. Tur. Hist. Franc. IV 42.</note>. Wir sehen, wie in Tours ein Graf auf Wunsch<lb/> des Volkes eingesetzt wird, ohne daſs sein Vorgänger vorher abgesetzt<lb/> worden war <note place="foot" n="16">Greg. Tur. Hist. Franc. V 47. Chilperich sendet den Ansovald nach<lb/> Tours, wo Leudastes Graf ist. Qui veniens ad festivitatem S. Martini data nobis<lb/> populo optionem, Eunomius in comitatum erigitur. Denique Leudastes cernens se<lb/> remotum ad Chilpericum diregit. Erst durch die Ernennung des Eunomius wird<lb/> dem Leudastes klar, daſs er enthoben sei.</note>. Auf römische Sitte führt es auch zurück, daſs der<lb/> Beamte, der nach vollendeter Amtszeit abging, Rang und Titel bei-<lb/> behielt, indem er als ex comite <note place="foot" n="17">Dagegen hat es offenbar andere Bedeutung, wenn es bei Greg. Tur. Hist.<lb/> Franc. VIII 30 heiſst: Terenciolus comes quondam urbis Lemovicinae .. occubuit.</note>, ex domestico, ex vicario, ex referen-<lb/><note xml:id="seg2pn_17_2" prev="#seg2pn_17_1" place="foot" n="11">Einkünfte werden dem Beamten zur besonderen Pflicht gemacht. Das Formular<lb/> ist so allgemein gehalten, daſs es ebensowohl für den Grafen als für den dux und<lb/> patricius verwendbar ist. Ein Beispiel schriftlicher Bestallung bietet Greg. Tur.<lb/> Hist. Franc. VIII 18, S. 337, 21.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0098]
§ 69. Die Amtshoheit.
schriftlicher Bestallung schwerlich erstreckt. Jedenfalls ist sie im
neunten Jahrhundert nicht mehr Brauch. Die Sammlung der kaiser-
lichen Kanzleiformeln aus der Zeit Ludwigs I. hat kein Formular
eines derartigen Ernennungspatentes.
Die Dauer des Königsamtes hing ursprünglich vom Belieben des
Königs ab. Er konnte nach Gutdünken den Beamten des Amtes ent-
heben, ihm einen anderen Amtssprengel, einen anders gearteten Wir-
kungskreis anweisen. Übrigens erfolgte im sechsten Jahrhundert
die Ernennung wenigstens zu gewissen Ämtern innerhalb eines Teiles
von Neustrien nur auf bestimmte Frist, nämlich in der Art, daſs der
Beamte das Amt abgeben muſste, wenn nicht eine Verlängerung der
Amtszeit erfolgte. Die befristete Ernennung stammt ebenso wie die
schriftliche Bestallung aus den Ordnungen des römischen Reichs 12.
Feststeht, daſs neustrische comites nur auf Zeit ernannt waren 13.
Wir lesen bei Gregor von Tours, daſs ein comes abgeht officio com-
pleto 14, daſs ein Graf, um die Verlängerung der Amtszeit zu erwirken
(ad renovandam actionem), dem Könige durch seinen Sohn Geschenke
übersendet, die dieser dazu miſsbraucht, um sich selbst zum Grafen
ernennen zu lassen 15. Wir sehen, wie in Tours ein Graf auf Wunsch
des Volkes eingesetzt wird, ohne daſs sein Vorgänger vorher abgesetzt
worden war 16. Auf römische Sitte führt es auch zurück, daſs der
Beamte, der nach vollendeter Amtszeit abging, Rang und Titel bei-
behielt, indem er als ex comite 17, ex domestico, ex vicario, ex referen-
11
12 Cassiodor, Var. VII 2 und die zahlreichen Formeln bei Cassiodor, nach
welchen die Ernennung nur auf eine indictio, ein Steuerjahr erfolgte. Siehe
Bethmann-Hollweg, Civilprozeſs III 36. Über jährlichen Amtswechsel im by-
zantinischen Ämterwesen Kap-herr, D. Z. f. Gesch. Wiss. 1891, S. 35. 39.
13 Die Dauer der Amtszeit muſs dahingestellt bleiben.
14 Greg. Tur. Hist. Franc. V 36: M. diu in ipsa urbe usus est comitatum.
Quo officio completo ecclesiae sociatur; clericusque factus ordinatur episcopus.
15 Greg. Tur. Hist. Franc. IV 42.
16 Greg. Tur. Hist. Franc. V 47. Chilperich sendet den Ansovald nach
Tours, wo Leudastes Graf ist. Qui veniens ad festivitatem S. Martini data nobis
populo optionem, Eunomius in comitatum erigitur. Denique Leudastes cernens se
remotum ad Chilpericum diregit. Erst durch die Ernennung des Eunomius wird
dem Leudastes klar, daſs er enthoben sei.
17 Dagegen hat es offenbar andere Bedeutung, wenn es bei Greg. Tur. Hist.
Franc. VIII 30 heiſst: Terenciolus comes quondam urbis Lemovicinae .. occubuit.
11 Einkünfte werden dem Beamten zur besonderen Pflicht gemacht. Das Formular
ist so allgemein gehalten, daſs es ebensowohl für den Grafen als für den dux und
patricius verwendbar ist. Ein Beispiel schriftlicher Bestallung bietet Greg. Tur.
Hist. Franc. VIII 18, S. 337, 21.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |