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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

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Erstes Buch
meinen Sinn einnehmen solten; aber ich bin die zeit meines Lebens in so grosser Angst nicht
gewesen/ als diese halbe Stunde/ und ist mein bestes/ daß ich kein Schwert bey mir gehabt/
ich hätte sonst vielleicht/ Schimpf zu meiden/ mir das Leben abgekürzet/ da ich ruffen höre-
te/ der eine währe schon gefangen/ und nach Verdienst zugerichtet/ und hielte sich der ander
auch dieses Orts auff. Ob nun wol ich mir durchauß nichts böses bewust bin/ dessen ich
meinem eigenen Gewissen Zeugniß abfodere/ ist doch die Verrähterey und Hinterlist so
groß/ daß man der Welt nicht trauen darff; und machte ich mir die Gedanken/ ob nicht et-
wa Fulvius Freunde solchen Lerm erwecketen/ und durch unbillige Rache mein Verderben
sucheten; welches unter falschem scheine/ daß ich ein fremder bin/ sie leicht hätten zu werk
richten mögen. Als der Stathalter dieses hörete/ ließ er sein betrübtes Angesicht sehen/ und
sagte: Es möchte eine blosse Unvorsichtigkeit niemahls so grossen schrecken erwecket haben/
als anjezt leider geschehen währe/ welchen aber durch ein angenehmers zuersetzen er ihm
wolte lassen angelegen seyn. Führete ihn auch mit sich über den Plaz nach einem köstlichen
Gemache/ da ihm Herkules Leibknabe begegnete/ und von demselben seiner übrigen
Sorge gänzlich entlediget ward.

Inzwischen hatte die Mutter ihre Tochter als eine Fürstl. Braut außgeputzet/ da
sie wie ein gemahletes Bildichen glänzete. Ihr langes gelbes Haar hing ihr auff dem
Rücken nieder; oben auff dem Häupte hatte sie einen grünen Kranz mit schönen Blu-
men und köstlichen Kleinoten durchsetzet; jhr Oberkleid wahr ein schneweisses Silber-
stük/ mit eingewirketen Blumen; der Unterrok ein Tyrischer Purpur mit einer Perlen-
schweiff/ und forne herab mit vierdoppelten Reihen Demanten verbremet; aber dz schein-
bahreste an ihr wahren die verliebeten Aügelein/ welche die übermachte herzens Freude
dannoch so völlig nit entwerffen kunten/ wie sehr auch die lebhaffte Farbe des nach wunsch
gebildeten zarten Angesichts sich bemühete/ ihnen die hülffliche Hand zu bieten. In beyden
Ohren hatte sie zwo Perlen hangen als eine grosse Haselnus/ die auff 6000 Kronen ge-
schätzet wurden. Ihr Halßketchen wahr von eingefasseten Demanten fünffdoppelt umb
den Halß/ und hing zu unterst dran recht zwischen ihren Brüsten ein Kleinot in Gestalt
des kleinen Liebegottes/ grosses werds. Auff dem Daumen trug sie einen grossen güldenen
Ring mit einem Demant/ der seiner grösse und reinigkeit wegen hoch geschätzet wahr/ mit
welchem sie ihrem liebsten solte vermählet werden. Der Stathalter wahr kaum mit Ladis-
la auff das zierliche Gemach getreten/ da kam ein kleines Mägdelein/ und zeigete an/ man
wartete auff nichts/ als auff seinen Befehl; da er alsbald Ladisla also anredete: Mein
hochgeliebter Herr und Freund; billig müste ich von den Göttern gehasset/ und von allen
redlichen Menschen geschändet werden/ wann ich unbemühet bliebe/ etwa eine Gelegen-
heit zu ergreiffen/ wodurch die treflichen Dienste/ unter Lebensgefahr mir und den meinen
erzeiget/ in etwas erkennet würden. Nun weiß ich schon vorhin wol/ daß mein Geld und
Gut/ ob ich dessen gleich/ den Göttern sey Dank/ zur zeitlichen Notturfft übrig habe/ der
Gültigkeit eurer Woltahten die Wage nicht halten kan; ja von meinen Herren und Freun-
den nicht eins wil angenommen werden/ wie insonderheit sein Freund Herr Herkules sich
dessen am meisten wegert; so habe ich doch unter andern ein mir sehr beliebtes/ bißher wol
verwahrtes/ und meinem bedünken nach/ zimlichen werdes Kleinot/ welches ich vielleicht

aus

Erſtes Buch
meinen Siñ einnehmen ſolten; aber ich bin die zeit meines Lebens in ſo groſſer Angſt nicht
geweſen/ als dieſe halbe Stunde/ und iſt mein beſtes/ daß ich kein Schwert bey mir gehabt/
ich haͤtte ſonſt vielleicht/ Schimpf zu meiden/ mir das Leben abgekuͤrzet/ da ich ruffen hoͤre-
te/ der eine waͤhre ſchon gefangen/ und nach Verdienſt zugerichtet/ und hielte ſich der andeꝛ
auch dieſes Orts auff. Ob nun wol ich mir durchauß nichts boͤſes bewuſt bin/ deſſen ich
meinem eigenen Gewiſſen Zeugniß abfodere/ iſt doch die Verraͤhterey und Hinterliſt ſo
groß/ daß man der Welt nicht trauen darff; und machte ich mir die Gedanken/ ob nicht et-
wa Fulvius Freunde ſolchen Lerm erwecketen/ und durch unbillige Rache mein Verderbẽ
ſucheten; welches unter falſchem ſcheine/ daß ich ein fremder bin/ ſie leicht haͤtten zu werk
richten moͤgen. Als der Stathalter dieſes hoͤrete/ ließ er ſein betruͤbtes Angeſicht ſehen/ uñ
ſagte: Es moͤchte eine bloſſe Unvorſichtigkeit niemahls ſo groſſen ſchꝛecken erwecket haben/
als anjezt leider geſchehen waͤhre/ welchen aber durch ein angenehmers zuerſetzen er ihm
wolte laſſen angelegen ſeyn. Fuͤhrete ihn auch mit ſich uͤber den Plaz nach einem koͤſtlichen
Gemache/ da ihm Herkules Leibknabe begegnete/ und von demſelben ſeiner uͤbrigen
Sorge gaͤnzlich entlediget ward.

Inzwiſchen hatte die Mutter ihre Tochter als eine Fuͤrſtl. Braut außgeputzet/ da
ſie wie ein gemahletes Bildichen glaͤnzete. Ihr langes gelbes Haar hing ihr auff dem
Ruͤcken nieder; oben auff dem Haͤupte hatte ſie einen gruͤnen Kranz mit ſchoͤnen Blu-
men und koͤſtlichen Kleinoten durchſetzet; jhr Oberkleid wahr ein ſchneweiſſes Silber-
ſtuͤk/ mit eingewirketen Blumen; der Unterrok ein Tyriſcher Purpur mit einer Perlen-
ſchweiff/ und forne herab mit vierdoppelten Reihen Demanten verbremet; aber dz ſchein-
bahreſte an ihr wahren die verliebeten Auͤgelein/ welche die uͤbermachte herzens Freude
dañoch ſo voͤllig nit entwerffen kunten/ wie ſehr auch die lebhaffte Farbe des nach wunſch
gebildeten zarten Angeſichts ſich bemuͤhete/ ihnen die huͤlffliche Hand zu bieten. In beyden
Ohren hatte ſie zwo Perlen hangen als eine groſſe Haſelnus/ die auff 6000 Kronen ge-
ſchaͤtzet wurden. Ihr Halßketchen wahr von eingefaſſeten Demanten fuͤnffdoppelt umb
den Halß/ und hing zu unterſt dran recht zwiſchen ihren Bruͤſten ein Kleinot in Geſtalt
des kleinen Liebegottes/ groſſes werds. Auff dem Daumen trug ſie einen groſſen guͤldenen
Ring mit einem Demant/ der ſeiner groͤſſe und reinigkeit wegen hoch geſchaͤtzet wahr/ mit
welchem ſie ihrem liebſten ſolte vermaͤhlet werden. Der Stathalter wahr kaum mit Ladiſ-
la auff das zierliche Gemach getreten/ da kam ein kleines Maͤgdelein/ und zeigete an/ man
wartete auff nichts/ als auff ſeinen Befehl; da er alsbald Ladiſla alſo anredete: Mein
hochgeliebter Herr und Freund; billig muͤſte ich von den Goͤttern gehaſſet/ und von allen
redlichen Menſchen geſchaͤndet werden/ wann ich unbemuͤhet bliebe/ etwa eine Gelegen-
heit zu ergreiffen/ wodurch die treflichen Dienſte/ unter Lebensgefahr mir und den meinen
erzeiget/ in etwas erkennet wuͤrden. Nun weiß ich ſchon vorhin wol/ daß mein Geld und
Gut/ ob ich deſſen gleich/ den Goͤttern ſey Dank/ zur zeitlichen Notturfft uͤbrig habe/ der
Guͤltigkeit eurer Woltahten die Wage nicht halten kan; ja von meinen Herren uñ Freun-
den nicht eins wil angenommen werden/ wie inſonderheit ſein Freund Herr Herkules ſich
deſſen am meiſten wegert; ſo habe ich doch unter andern ein mir ſehr beliebtes/ bißher wol
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[102/0140] Erſtes Buch meinen Siñ einnehmen ſolten; aber ich bin die zeit meines Lebens in ſo groſſer Angſt nicht geweſen/ als dieſe halbe Stunde/ und iſt mein beſtes/ daß ich kein Schwert bey mir gehabt/ ich haͤtte ſonſt vielleicht/ Schimpf zu meiden/ mir das Leben abgekuͤrzet/ da ich ruffen hoͤre- te/ der eine waͤhre ſchon gefangen/ und nach Verdienſt zugerichtet/ und hielte ſich der andeꝛ auch dieſes Orts auff. Ob nun wol ich mir durchauß nichts boͤſes bewuſt bin/ deſſen ich meinem eigenen Gewiſſen Zeugniß abfodere/ iſt doch die Verraͤhterey und Hinterliſt ſo groß/ daß man der Welt nicht trauen darff; und machte ich mir die Gedanken/ ob nicht et- wa Fulvius Freunde ſolchen Lerm erwecketen/ und durch unbillige Rache mein Verderbẽ ſucheten; welches unter falſchem ſcheine/ daß ich ein fremder bin/ ſie leicht haͤtten zu werk richten moͤgen. Als der Stathalter dieſes hoͤrete/ ließ er ſein betruͤbtes Angeſicht ſehen/ uñ ſagte: Es moͤchte eine bloſſe Unvorſichtigkeit niemahls ſo groſſen ſchꝛecken erwecket haben/ als anjezt leider geſchehen waͤhre/ welchen aber durch ein angenehmers zuerſetzen er ihm wolte laſſen angelegen ſeyn. Fuͤhrete ihn auch mit ſich uͤber den Plaz nach einem koͤſtlichen Gemache/ da ihm Herkules Leibknabe begegnete/ und von demſelben ſeiner uͤbrigen Sorge gaͤnzlich entlediget ward. Inzwiſchen hatte die Mutter ihre Tochter als eine Fuͤrſtl. Braut außgeputzet/ da ſie wie ein gemahletes Bildichen glaͤnzete. Ihr langes gelbes Haar hing ihr auff dem Ruͤcken nieder; oben auff dem Haͤupte hatte ſie einen gruͤnen Kranz mit ſchoͤnen Blu- men und koͤſtlichen Kleinoten durchſetzet; jhr Oberkleid wahr ein ſchneweiſſes Silber- ſtuͤk/ mit eingewirketen Blumen; der Unterrok ein Tyriſcher Purpur mit einer Perlen- ſchweiff/ und forne herab mit vierdoppelten Reihen Demanten verbremet; aber dz ſchein- bahreſte an ihr wahren die verliebeten Auͤgelein/ welche die uͤbermachte herzens Freude dañoch ſo voͤllig nit entwerffen kunten/ wie ſehr auch die lebhaffte Farbe des nach wunſch gebildeten zarten Angeſichts ſich bemuͤhete/ ihnen die huͤlffliche Hand zu bieten. In beyden Ohren hatte ſie zwo Perlen hangen als eine groſſe Haſelnus/ die auff 6000 Kronen ge- ſchaͤtzet wurden. Ihr Halßketchen wahr von eingefaſſeten Demanten fuͤnffdoppelt umb den Halß/ und hing zu unterſt dran recht zwiſchen ihren Bruͤſten ein Kleinot in Geſtalt des kleinen Liebegottes/ groſſes werds. Auff dem Daumen trug ſie einen groſſen guͤldenen Ring mit einem Demant/ der ſeiner groͤſſe und reinigkeit wegen hoch geſchaͤtzet wahr/ mit welchem ſie ihrem liebſten ſolte vermaͤhlet werden. Der Stathalter wahr kaum mit Ladiſ- la auff das zierliche Gemach getreten/ da kam ein kleines Maͤgdelein/ und zeigete an/ man wartete auff nichts/ als auff ſeinen Befehl; da er alsbald Ladiſla alſo anredete: Mein hochgeliebter Herr und Freund; billig muͤſte ich von den Goͤttern gehaſſet/ und von allen redlichen Menſchen geſchaͤndet werden/ wann ich unbemuͤhet bliebe/ etwa eine Gelegen- heit zu ergreiffen/ wodurch die treflichen Dienſte/ unter Lebensgefahr mir und den meinen erzeiget/ in etwas erkennet wuͤrden. Nun weiß ich ſchon vorhin wol/ daß mein Geld und Gut/ ob ich deſſen gleich/ den Goͤttern ſey Dank/ zur zeitlichen Notturfft uͤbrig habe/ der Guͤltigkeit eurer Woltahten die Wage nicht halten kan; ja von meinen Herren uñ Freun- den nicht eins wil angenommen werden/ wie inſonderheit ſein Freund Herr Herkules ſich deſſen am meiſten wegert; ſo habe ich doch unter andern ein mir ſehr beliebtes/ bißher wol verwahrtes/ und meinem beduͤnken nach/ zimlichen werdes Kleinot/ welches ich vielleicht aus

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/140>, abgerufen am 22.12.2024.