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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

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Erstes Buch.
mit Verwunderung angehöret/ daß die Königin zu unterschiedlichen mahlen darüber er-
starrete/ und alle lebendige Farbe verlohr/ fingen auch an zu überlegen/ wer doch immermehr
des ersten überfalles Stiffter seyn möchte/ da etlicher Muhtmassung recht zutraff/ wiewol
sie es nicht durfften melden/ und erst lange hernach an Tageslicht kam. Bey der Mahlzeit
sagete die Königin zu dem Fräulein: Herzallerliebstes Kind/ sol ich dich nach abgelegetem
Schrecken mit einer gewünscheten Zeitung erfreuen? O ja/ Gn. Fr. Mutter/ antwortete
sie/ habt ihr etwa von meinem Herr Bruder etwas gutes/ so teilet mirs mit. Siehe da/
sagte sie/ lise dieses/ so weistu so viel als ich und wir alle mit einander. Aber die gute Mutter
wuste nicht/ wie hoch sie ihre Tochter hiedurch erfreuete/ welche auch jhre Hertzensvergnü-
gung nicht verbergen kunte/ da sie nach Verlesung saget: Ach mein Gott/ der du mir heut
so gantz gnädig geholffen hast/ gib doch/ daß ich diese meine Fr. Schwägerin und Schwe-
ster ja ehist sehen und umfahen möge/ weil ich schon wol weiß/ daß mein Herr Bruder kein
unwirdiges Fräulein heyrahten wird; fassete auch alsbald die Gedanken/ wie sie erhalten
möchte/ die Reise auff das Hochzeit fest erstes Tages vorzunehmen/ und wahr ihr sehr leid/
daß sie ihr heutiges Unglük so umständig erzählet/ und dadurch ihrer Mutter Sorge und
Bekümmerniß rege gemacht hatte. Nach der Mahlzeit ging sie mit Libussen ein halb-
stündichen auff ihr Zimmer/ da sie mit betrübeten Worten zu jhr sagete: Ich habe heut ü-
beraus grosse Angst in meiner Seele empfunden/ aber wann mein Herkules mich mit ei-
nem Briefelein begrüsset und erfreuet hätte/ wolte ichs alles vor gedoppelt ersetzet rechnen;
meynestu aber nicht/ geliebetes Kind/ daß ich nicht ursach gnug habe/ mich über ihn zube-
schweren/ weil er bey meines Bruders eigenem Bohten mir nicht schreiben wollen? O wie
könte ich doch ein solches über mein Herz bringen/ daß ich so gute Gelegenheit verab-
seumete? Libussa lachete deß/ und gab zur Antwort: Gn. Fräulein/ ich hätte nicht gemey-
net/ daß der Liebe eine solche Vergessenheit solte beywohnen; bedenket Eure Gn. nicht/ dz
ihr Antwort-Schreiben gestern früh erst fortgeschicket/ und dem lieben Fürsten noch nicht
geliefert ist? oder meynet sie/ er habe solches so lange vorher riechen können? muß er nicht
zuvor wissen/ ob seine Schreiben auch angenommen werden oder nicht? Was würde sie
doch von jhm halten oder urteilen/ wann er sie mit seinen täglichen Briefen überstürmete/
ehe und bevor er einige Antwort bekommen? Wolle demnach Eure Gn. dieser Bezichti-
gung ihn schwesterlich erlassen/ biß er jhrer Antwort kan habhafft seyn/ und verabseumet er
alsdann einige Gelegenheit/ ists doch noch früh genug ihn anzuklagen. Mein Herkules
muß dir ohn zweifel Jahrs bestallung geben/ sagte sie/ daß du allemal wider mich sein wort
redest/ oder hastu etwa so gute Kundschafft mit ihm gepflogen/ so sage mirs/ daß ich dich
wegen seiner gewirdigten Liebe gebührlich ehren möge. So muste die Geige gestimmet
werden/ antwortete jene/ wo sie sonst scharff klingen sol/ und hat der Eifer mein Gn. Fräu-
lein schon eingenommen/ so ist mirs halb leid/ dz ich mich nicht zutähtiger bey ihm gemacht
habe/ vielleicht hätte ich auch noch eine bessere/ als gemeine Gunst von ihm erhalten/ dann
ich getraue durch meine Gestalt und Freundligkeit noch wol einen Fürsten zu meiner Ne-
benliebe zubewägen/ ob er mir gleich nicht werden kan. Dem Fräulein wahren ihre lustige
Schwänke und ehrliebendes Herz bekant/ sonst würde sie ihr diesen Streich schwerlich zu
gute gehalten haben; doch sagte sie zu ihr; Kind Kind/ fidelstu nicht zu groh auff kleinen

Sei-
E e iij

Erſtes Buch.
mit Verwunderung angehoͤret/ daß die Koͤnigin zu unterſchiedlichen mahlen daruͤber er-
ſtarrete/ und alle lebendige Farbe verlohr/ fingen auch an zu uͤberlegen/ wer doch im̃ermehr
des erſten uͤberfalles Stiffter ſeyn moͤchte/ da etlicher Muhtmaſſung recht zutraff/ wiewol
ſie es nicht durfften melden/ und erſt lange hernach an Tageslicht kam. Bey der Mahlzeit
ſagete die Koͤnigin zu dem Fraͤulein: Herzallerliebſtes Kind/ ſol ich dich nach abgelegetem
Schrecken mit einer gewuͤnſcheten Zeitung erfreuen? O ja/ Gn. Fr. Mutter/ antwortete
ſie/ habt ihr etwa von meinem Herr Bruder etwas gutes/ ſo teilet mirs mit. Siehe da/
ſagte ſie/ liſe dieſes/ ſo weiſtu ſo viel als ich und wir alle mit einander. Aber die gute Mutter
wuſte nicht/ wie hoch ſie ihre Tochter hiedurch erfreuete/ welche auch jhre Hertzensvergnuͤ-
gung nicht verbergen kunte/ da ſie nach Verleſung ſaget: Ach mein Gott/ der du mir heut
ſo gantz gnaͤdig geholffen haſt/ gib doch/ daß ich dieſe meine Fr. Schwaͤgerin und Schwe-
ſter ja ehiſt ſehen und umfahen moͤge/ weil ich ſchon wol weiß/ daß mein Herr Bruder kein
unwirdiges Fraͤulein heyrahten wird; faſſete auch alsbald die Gedanken/ wie ſie erhalten
moͤchte/ die Reiſe auff das Hochzeit feſt erſtes Tages vorzunehmen/ und wahr ihr ſehr leid/
daß ſie ihr heutiges Ungluͤk ſo umſtaͤndig erzaͤhlet/ und dadurch ihrer Mutter Sorge und
Bekuͤmmerniß rege gemacht hatte. Nach der Mahlzeit ging ſie mit Libuſſen ein halb-
ſtuͤndichen auff ihr Zimmer/ da ſie mit betruͤbeten Worten zu jhr ſagete: Ich habe heut uͤ-
beraus groſſe Angſt in meiner Seele empfunden/ aber wann mein Herkules mich mit ei-
nem Briefelein begruͤſſet und erfreuet haͤtte/ wolte ichs alles vor gedoppelt erſetzet rechnen;
meyneſtu aber nicht/ geliebetes Kind/ daß ich nicht urſach gnug habe/ mich uͤber ihn zube-
ſchweren/ weil er bey meines Bruders eigenem Bohten mir nicht ſchreiben wollen? O wie
koͤnte ich doch ein ſolches uͤber mein Herz bringen/ daß ich ſo gute Gelegenheit verab-
ſeumete? Libuſſa lachete deß/ und gab zur Antwort: Gn. Fraͤulein/ ich haͤtte nicht gemey-
net/ daß der Liebe eine ſolche Vergeſſenheit ſolte beywohnen; bedenket Eure Gn. nicht/ dz
ihr Antwort-Schreiben geſtern fruͤh erſt fortgeſchicket/ und dem lieben Fuͤrſten noch nicht
geliefert iſt? oder meynet ſie/ er habe ſolches ſo lange vorher riechen koͤnnen? muß er nicht
zuvor wiſſen/ ob ſeine Schreiben auch angenommen werden oder nicht? Was wuͤrde ſie
doch von jhm halten oder urteilen/ wann er ſie mit ſeinen taͤglichen Briefen uͤberſtuͤrmete/
ehe und bevor er einige Antwort bekommen? Wolle demnach Eure Gn. dieſer Bezichti-
gung ihn ſchweſterlich erlaſſen/ biß er jhrer Antwort kan habhafft ſeyn/ und verabſeumet eꝛ
alsdann einige Gelegenheit/ iſts doch noch fruͤh genug ihn anzuklagen. Mein Herkules
muß dir ohn zweifel Jahrs beſtallung geben/ ſagte ſie/ daß du allemal wider mich ſein wort
redeſt/ oder haſtu etwa ſo gute Kundſchafft mit ihm gepflogen/ ſo ſage mirs/ daß ich dich
wegen ſeiner gewirdigten Liebe gebuͤhrlich ehren moͤge. So muſte die Geige geſtimmet
werden/ antwortete jene/ wo ſie ſonſt ſcharff klingen ſol/ und hat der Eifer mein Gn. Fraͤu-
lein ſchon eingenommen/ ſo iſt mirs halb leid/ dz ich mich nicht zutaͤhtiger bey ihm gemacht
habe/ vielleicht haͤtte ich auch noch eine beſſere/ als gemeine Gunſt von ihm erhalten/ dann
ich getraue durch meine Geſtalt und Freundligkeit noch wol einen Fuͤrſten zu meiner Ne-
benliebe zubewaͤgen/ ob er mir gleich nicht werden kan. Dem Fraͤulein wahren ihre luſtige
Schwaͤnke und ehrliebendes Herz bekant/ ſonſt wuͤrde ſie ihr dieſen Streich ſchwerlich zu
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[221/0259] Erſtes Buch. mit Verwunderung angehoͤret/ daß die Koͤnigin zu unterſchiedlichen mahlen daruͤber er- ſtarrete/ und alle lebendige Farbe verlohr/ fingen auch an zu uͤberlegen/ wer doch im̃ermehr des erſten uͤberfalles Stiffter ſeyn moͤchte/ da etlicher Muhtmaſſung recht zutraff/ wiewol ſie es nicht durfften melden/ und erſt lange hernach an Tageslicht kam. Bey der Mahlzeit ſagete die Koͤnigin zu dem Fraͤulein: Herzallerliebſtes Kind/ ſol ich dich nach abgelegetem Schrecken mit einer gewuͤnſcheten Zeitung erfreuen? O ja/ Gn. Fr. Mutter/ antwortete ſie/ habt ihr etwa von meinem Herr Bruder etwas gutes/ ſo teilet mirs mit. Siehe da/ ſagte ſie/ liſe dieſes/ ſo weiſtu ſo viel als ich und wir alle mit einander. Aber die gute Mutter wuſte nicht/ wie hoch ſie ihre Tochter hiedurch erfreuete/ welche auch jhre Hertzensvergnuͤ- gung nicht verbergen kunte/ da ſie nach Verleſung ſaget: Ach mein Gott/ der du mir heut ſo gantz gnaͤdig geholffen haſt/ gib doch/ daß ich dieſe meine Fr. Schwaͤgerin und Schwe- ſter ja ehiſt ſehen und umfahen moͤge/ weil ich ſchon wol weiß/ daß mein Herr Bruder kein unwirdiges Fraͤulein heyrahten wird; faſſete auch alsbald die Gedanken/ wie ſie erhalten moͤchte/ die Reiſe auff das Hochzeit feſt erſtes Tages vorzunehmen/ und wahr ihr ſehr leid/ daß ſie ihr heutiges Ungluͤk ſo umſtaͤndig erzaͤhlet/ und dadurch ihrer Mutter Sorge und Bekuͤmmerniß rege gemacht hatte. Nach der Mahlzeit ging ſie mit Libuſſen ein halb- ſtuͤndichen auff ihr Zimmer/ da ſie mit betruͤbeten Worten zu jhr ſagete: Ich habe heut uͤ- beraus groſſe Angſt in meiner Seele empfunden/ aber wann mein Herkules mich mit ei- nem Briefelein begruͤſſet und erfreuet haͤtte/ wolte ichs alles vor gedoppelt erſetzet rechnen; meyneſtu aber nicht/ geliebetes Kind/ daß ich nicht urſach gnug habe/ mich uͤber ihn zube- ſchweren/ weil er bey meines Bruders eigenem Bohten mir nicht ſchreiben wollen? O wie koͤnte ich doch ein ſolches uͤber mein Herz bringen/ daß ich ſo gute Gelegenheit verab- ſeumete? Libuſſa lachete deß/ und gab zur Antwort: Gn. Fraͤulein/ ich haͤtte nicht gemey- net/ daß der Liebe eine ſolche Vergeſſenheit ſolte beywohnen; bedenket Eure Gn. nicht/ dz ihr Antwort-Schreiben geſtern fruͤh erſt fortgeſchicket/ und dem lieben Fuͤrſten noch nicht geliefert iſt? oder meynet ſie/ er habe ſolches ſo lange vorher riechen koͤnnen? muß er nicht zuvor wiſſen/ ob ſeine Schreiben auch angenommen werden oder nicht? Was wuͤrde ſie doch von jhm halten oder urteilen/ wann er ſie mit ſeinen taͤglichen Briefen uͤberſtuͤrmete/ ehe und bevor er einige Antwort bekommen? Wolle demnach Eure Gn. dieſer Bezichti- gung ihn ſchweſterlich erlaſſen/ biß er jhrer Antwort kan habhafft ſeyn/ und verabſeumet eꝛ alsdann einige Gelegenheit/ iſts doch noch fruͤh genug ihn anzuklagen. Mein Herkules muß dir ohn zweifel Jahrs beſtallung geben/ ſagte ſie/ daß du allemal wider mich ſein wort redeſt/ oder haſtu etwa ſo gute Kundſchafft mit ihm gepflogen/ ſo ſage mirs/ daß ich dich wegen ſeiner gewirdigten Liebe gebuͤhrlich ehren moͤge. So muſte die Geige geſtimmet werden/ antwortete jene/ wo ſie ſonſt ſcharff klingen ſol/ und hat der Eifer mein Gn. Fraͤu- lein ſchon eingenommen/ ſo iſt mirs halb leid/ dz ich mich nicht zutaͤhtiger bey ihm gemacht habe/ vielleicht haͤtte ich auch noch eine beſſere/ als gemeine Gunſt von ihm erhalten/ dann ich getraue durch meine Geſtalt und Freundligkeit noch wol einen Fuͤrſten zu meiner Ne- benliebe zubewaͤgen/ ob er mir gleich nicht werden kan. Dem Fraͤulein wahren ihre luſtige Schwaͤnke und ehrliebendes Herz bekant/ ſonſt wuͤrde ſie ihr dieſen Streich ſchwerlich zu gute gehalten haben; doch ſagte ſie zu ihr; Kind Kind/ fidelſtu nicht zu groh auff kleinen Sei- E e iij

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/259>, abgerufen am 22.12.2024.