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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659.

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Schlosse wieder bekommen) abgezogen/ und hatte sich mit gebundenen Händen auff den
Rücken neben Kleanders Gutsche durch Lachen und Psützen herschleppen lassen müssen/
da er grosse Beständigkeit und geduld erzeiget. Ach Gott/ sagete Fr. Euphrosyne/ wie ge-
hets in der schnöden Welt her! wie muß die Tugend sich von dem Frevelmuht so schänd-
lich lassen rechtfärtigen! doch haben wir niedriegen Standes Leute hieraus zu lernen/ wie
auch wir das Unglük geduldig ertragen sollen/ wann es uns trifft/ weil wir sehen/ daß so
vornehme Herren dessen nicht mögen geübriget seyn/ und sie sich überdaß noch so fein da-
rein zu schicken wissen. Aber lieber fahret fort mit eurer Erzählung. Ja sagete Fr. Aga-
tha/ das übrige kan ich umb so viel besser sagen/ weil ich selbst dabey/ und ein vornehmes
Glied in diesem Trauerspiel gewesen bin/ wann ichs nur vor Wehmuht verrichten könte;
doch vielleicht helffet ihr mir noch wol etliche Schmerzen-Trähnen mit vergiessen. Als
Herr Ladisla also gebunden anff das Schloß geführet ward/ ging ich im vörder Platze/
meinem Gesinde etwas zubefehlen/ und hörete/ daß gegenwärtiger Gefangener meinem
Stieffsohn Ariston/ dem ich sehr gewogen wahr/ das Leben geraubet hätte/ gehueb mich
deßwegen auß herzlicher Traurigkeit sehr übel/ und geriet bald darauff in grossen Zorn/
fiel den Gefangenen an/ und wahr willens ihm die Augen außzukratzen; da ich ihn aber so
prächtig gekleidet/ und von so guter Gestalt sahe/ gedachte ich alsbald/ dieser würde nim-
mermehr kein Mörder seyn/ enderte auch meinen Vorsaz/ und gab mich auff das Weinen.
Herr Ladisla sahe mich freundlich an/ und sagete; ädle Frau/ tuht nicht so übel wegen des
ertödteten ädelmans/ den er ist öffentlich im Streit als ein mannlicher Ritter gestorben/
und versichert euch daneben/ daß ich kein Ubeltähter/ sondern ein ehrlicher Ritter hohes
Standes bin/ deßwegen traget mit mir ein mitleiden als mit eurem Gefangenen/ weil ich
in meiner guten Sache mich ohn das eurem auffrichtigen Herzen/ welches durch die Au-
gen hervor leuchtet/ gerne vertrauen wil. Ich taht als hörete ich seine Reden nicht/ die
mir doch mehr Trähnen/ als meines Sohns Tod/ auß den Augen trieben; dann ich em-
pfand so grosses Mitleiden über ihn in meinem Herzen/ daß ichs nicht außsprechen kan;
durffte michs aber mit keinem Worte merken lassen/ ohndaß ich ihn freundlich ansahe/
und doch zugleich mit ihm schalt/ warumb er sich mit dem jungen Herren in Streit einge-
lassen hätte. Er antwortete mir; es währe ihm der Unfal nicht weniger selbst leid/ könte
aber nicht dawieder/ weil er zu dem Kampf genöhtiget währe/ und die Zuseher wol bezeu-
gen würden; nun währe aber unmöglich in solchen Spielen die Hiebe und Stösse mit der
Goldschale abzuwägen/ insonderheit/ wann das Glük übel wolte. Ich sprach ihn in meinem
Herzen nicht allein frey und loß/ sondern auch allerdinge unschuldig; aber als mein Alter
vom Wagen stieg/ befahl er/ den Gefangenen in den stärkesten Turm zu legen/ und ihn
weder mit Essen noch Trinken zulaben. Herr Ladisla redete ihm ein/ er möchte sich eines
andern bedenken/ und einen ädlen Römischen Ritter nicht nach Sklafen Art einsperren/
sondern auff ein Gemach einlegen/ ja/ bedenken/ was vor Freyheit ein Römischer Bürger/
geschweige Beamter hätte; er wolte bey rittelichen Ehren versprechen/ nicht zu weichen/
sondern der Urtel abzuwarten. Aber dawahr den Tauben geprediget; dann die Knechte
stiessen ihn ohn ferner Wort sprechen in den Turm/ der doch eigendlich zum Gefängnis
nicht gebauet/ sondern auff den Fall der Feuersnoht zugerichtet wahr/ daß man die besten

Sachen

Anderes Buch.
Schloſſe wieder bekommen) abgezogen/ und hatte ſich mit gebundenen Haͤnden auff den
Ruͤcken neben Kleanders Gutſche durch Lachen und Pſuͤtzen herſchleppen laſſen muͤſſen/
da er groſſe Beſtaͤndigkeit und geduld erzeiget. Ach Gott/ ſagete Fr. Euphroſyne/ wie ge-
hets in der ſchnoͤden Welt her! wie muß die Tugend ſich von dem Frevelmuht ſo ſchaͤnd-
lich laſſen rechtfaͤrtigen! doch haben wir niedriegen Standes Leute hieraus zu lernen/ wie
auch wir das Ungluͤk geduldig ertragen ſollen/ wann es uns trifft/ weil wir ſehen/ daß ſo
vornehme Herren deſſen nicht moͤgen geuͤbriget ſeyn/ und ſie ſich uͤberdaß noch ſo fein da-
rein zu ſchicken wiſſen. Aber lieber fahret fort mit eurer Erzaͤhlung. Ja ſagete Fr. Aga-
tha/ das uͤbrige kan ich umb ſo viel beſſer ſagen/ weil ich ſelbſt dabey/ und ein vornehmes
Glied in dieſem Trauerſpiel geweſen bin/ wañ ichs nur vor Wehmuht verrichten koͤnte;
doch vielleicht helffet ihr mir noch wol etliche Schmerzen-Traͤhnen mit vergieſſen. Als
Herr Ladiſla alſo gebunden anff das Schloß gefuͤhret ward/ ging ich im voͤrder Platze/
meinem Geſinde etwas zubefehlen/ und hoͤrete/ daß gegenwaͤrtiger Gefangener meinem
Stieffſohn Ariſton/ dem ich ſehr gewogen wahr/ das Leben geraubet haͤtte/ gehueb mich
deßwegen auß herzlicher Traurigkeit ſehr uͤbel/ und geriet bald darauff in groſſen Zorn/
fiel den Gefangenen an/ und wahr willens ihm die Augen außzukratzen; da ich ihn aber ſo
praͤchtig gekleidet/ und von ſo guter Geſtalt ſahe/ gedachte ich alsbald/ dieſer wuͤrde nim-
mermehr kein Moͤrder ſeyn/ enderte auch meinen Vorſaz/ und gab mich auff das Weinen.
Herr Ladiſla ſahe mich freundlich an/ und ſagete; aͤdle Frau/ tuht nicht ſo uͤbel wegen des
ertoͤdteten aͤdelmans/ den er iſt oͤffentlich im Streit als ein mannlicher Ritter geſtorben/
und verſichert euch daneben/ daß ich kein Ubeltaͤhter/ ſondern ein ehrlicher Ritter hohes
Standes bin/ deßwegen traget mit mir ein mitleiden als mit eurem Gefangenen/ weil ich
in meiner guten Sache mich ohn das eurem auffrichtigen Herzen/ welches durch die Au-
gen hervor leuchtet/ gerne vertrauen wil. Ich taht als hoͤrete ich ſeine Reden nicht/ die
mir doch mehr Traͤhnen/ als meines Sohns Tod/ auß den Augen trieben; dann ich em-
pfand ſo groſſes Mitleiden uͤber ihn in meinem Herzen/ daß ichs nicht außſprechen kan;
durffte michs aber mit keinem Worte merken laſſen/ ohndaß ich ihn freundlich anſahe/
und doch zugleich mit ihm ſchalt/ warumb er ſich mit dem jungen Herren in Streit einge-
laſſen haͤtte. Er antwortete mir; es waͤhre ihm der Unfal nicht weniger ſelbſt leid/ koͤnte
aber nicht dawieder/ weil er zu dem Kampf genoͤhtiget waͤhre/ und die Zuſeher wol bezeu-
gen wuͤrden; nun waͤhre aber unmoͤglich in ſolchen Spielen die Hiebe und Stoͤſſe mit der
Goldſchale abzuwaͤgen/ inſonderheit/ wañ das Gluͤk uͤbel wolte. Ich ſprach ihn in meinem
Herzen nicht allein frey und loß/ ſondern auch allerdinge unſchuldig; aber als mein Alter
vom Wagen ſtieg/ befahl er/ den Gefangenen in den ſtaͤrkeſten Turm zu legen/ und ihn
weder mit Eſſen noch Trinken zulaben. Herr Ladiſla redete ihm ein/ er moͤchte ſich eines
andern bedenken/ und einen aͤdlen Roͤmiſchen Ritter nicht nach Sklafen Art einſperren/
ſondern auff ein Gemach einlegen/ ja/ bedenken/ was vor Freyheit ein Roͤmiſcher Buͤrger/
geſchweige Beamter haͤtte; er wolte bey rittelichen Ehren verſprechen/ nicht zu weichen/
ſondern der Urtel abzuwarten. Aber dawahr den Tauben geprediget; dann die Knechte
ſtieſſen ihn ohn ferner Wort ſprechen in den Turm/ der doch eigendlich zum Gefaͤngnis
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[431/0469] Anderes Buch. Schloſſe wieder bekommen) abgezogen/ und hatte ſich mit gebundenen Haͤnden auff den Ruͤcken neben Kleanders Gutſche durch Lachen und Pſuͤtzen herſchleppen laſſen muͤſſen/ da er groſſe Beſtaͤndigkeit und geduld erzeiget. Ach Gott/ ſagete Fr. Euphroſyne/ wie ge- hets in der ſchnoͤden Welt her! wie muß die Tugend ſich von dem Frevelmuht ſo ſchaͤnd- lich laſſen rechtfaͤrtigen! doch haben wir niedriegen Standes Leute hieraus zu lernen/ wie auch wir das Ungluͤk geduldig ertragen ſollen/ wann es uns trifft/ weil wir ſehen/ daß ſo vornehme Herren deſſen nicht moͤgen geuͤbriget ſeyn/ und ſie ſich uͤberdaß noch ſo fein da- rein zu ſchicken wiſſen. Aber lieber fahret fort mit eurer Erzaͤhlung. Ja ſagete Fr. Aga- tha/ das uͤbrige kan ich umb ſo viel beſſer ſagen/ weil ich ſelbſt dabey/ und ein vornehmes Glied in dieſem Trauerſpiel geweſen bin/ wañ ichs nur vor Wehmuht verrichten koͤnte; doch vielleicht helffet ihr mir noch wol etliche Schmerzen-Traͤhnen mit vergieſſen. Als Herr Ladiſla alſo gebunden anff das Schloß gefuͤhret ward/ ging ich im voͤrder Platze/ meinem Geſinde etwas zubefehlen/ und hoͤrete/ daß gegenwaͤrtiger Gefangener meinem Stieffſohn Ariſton/ dem ich ſehr gewogen wahr/ das Leben geraubet haͤtte/ gehueb mich deßwegen auß herzlicher Traurigkeit ſehr uͤbel/ und geriet bald darauff in groſſen Zorn/ fiel den Gefangenen an/ und wahr willens ihm die Augen außzukratzen; da ich ihn aber ſo praͤchtig gekleidet/ und von ſo guter Geſtalt ſahe/ gedachte ich alsbald/ dieſer wuͤrde nim- mermehr kein Moͤrder ſeyn/ enderte auch meinen Vorſaz/ und gab mich auff das Weinen. Herr Ladiſla ſahe mich freundlich an/ und ſagete; aͤdle Frau/ tuht nicht ſo uͤbel wegen des ertoͤdteten aͤdelmans/ den er iſt oͤffentlich im Streit als ein mannlicher Ritter geſtorben/ und verſichert euch daneben/ daß ich kein Ubeltaͤhter/ ſondern ein ehrlicher Ritter hohes Standes bin/ deßwegen traget mit mir ein mitleiden als mit eurem Gefangenen/ weil ich in meiner guten Sache mich ohn das eurem auffrichtigen Herzen/ welches durch die Au- gen hervor leuchtet/ gerne vertrauen wil. Ich taht als hoͤrete ich ſeine Reden nicht/ die mir doch mehr Traͤhnen/ als meines Sohns Tod/ auß den Augen trieben; dann ich em- pfand ſo groſſes Mitleiden uͤber ihn in meinem Herzen/ daß ichs nicht außſprechen kan; durffte michs aber mit keinem Worte merken laſſen/ ohndaß ich ihn freundlich anſahe/ und doch zugleich mit ihm ſchalt/ warumb er ſich mit dem jungen Herren in Streit einge- laſſen haͤtte. Er antwortete mir; es waͤhre ihm der Unfal nicht weniger ſelbſt leid/ koͤnte aber nicht dawieder/ weil er zu dem Kampf genoͤhtiget waͤhre/ und die Zuſeher wol bezeu- gen wuͤrden; nun waͤhre aber unmoͤglich in ſolchen Spielen die Hiebe und Stoͤſſe mit der Goldſchale abzuwaͤgen/ inſonderheit/ wañ das Gluͤk uͤbel wolte. Ich ſprach ihn in meinem Herzen nicht allein frey und loß/ ſondern auch allerdinge unſchuldig; aber als mein Alter vom Wagen ſtieg/ befahl er/ den Gefangenen in den ſtaͤrkeſten Turm zu legen/ und ihn weder mit Eſſen noch Trinken zulaben. Herr Ladiſla redete ihm ein/ er moͤchte ſich eines andern bedenken/ und einen aͤdlen Roͤmiſchen Ritter nicht nach Sklafen Art einſperren/ ſondern auff ein Gemach einlegen/ ja/ bedenken/ was vor Freyheit ein Roͤmiſcher Buͤrger/ geſchweige Beamter haͤtte; er wolte bey rittelichen Ehren verſprechen/ nicht zu weichen/ ſondern der Urtel abzuwarten. Aber dawahr den Tauben geprediget; dann die Knechte ſtieſſen ihn ohn ferner Wort ſprechen in den Turm/ der doch eigendlich zum Gefaͤngnis nicht gebauet/ ſondern auff den Fall der Feuersnoht zugerichtet wahr/ daß man die beſten Sachen

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlichen Teutschen Groß-Fürsten Herkules Und der Böhmischen Königlichen Fräulein Valjska Wunder-Geschichte. Bd. 1. Braunschweig, 1659, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules01_1659/469>, abgerufen am 22.12.2024.