Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.Siebendes Buch. einzunehmen/ wiewol die Groß Fürstin ihrer lieben Tochter wegen die ganze Nacht schlaf-loß blieb/ und ihrer Trähnen nicht schonete. Inzwischen lag dieses Fräulein mit ihrem lieben Fürsten auff dem Häu in grosser ren/
Siebendes Buch. einzunehmen/ wiewol die Groß Fuͤrſtin ihrer lieben Tochter wegen die ganze Nacht ſchlaf-loß blieb/ und ihrer Traͤhnen nicht ſchonete. Inzwiſchen lag dieſes Fraͤulein mit ihrem lieben Fuͤrſten auff dem Haͤu in groſſer ren/
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Siebendes Buch.
einzunehmen/ wiewol die Groß Fuͤrſtin ihrer lieben Tochter wegen die ganze Nacht ſchlaf-
loß blieb/ und ihrer Traͤhnen nicht ſchonete.
Inzwiſchen lag dieſes Fraͤulein mit ihrem lieben Fuͤrſten auff dem Haͤu in groſſer
Herzens Angſt/ und haͤtte ohn Zweiffel vergehen muͤſſen/ wann der verliebte und nunmehr
zimlich befriedigte Arbianes ſie nicht mit allerhand Troſt Reden geſtaͤrket haͤtte. Dann die
auß geſchikten Reuter gingen ſchier die ganze Nacht/ und kahmen vier unterſchiedliche
Hauffen an/ da einer in der Guͤte/ der ander mit pochen wiſſen wolte/ ob nicht die in Him-
melblau gekleidete Jungfer des weges hergefuͤhret waͤhre/ aber von Wolffgang alle einer-
ley Beſcheid bekahmen/ woruͤber dem lieben Fraͤulein der Schlaff bald verging/ daß ſie zu
Abianes ſagete; ach mein teurer Schatz/ huͤlffen uns doch die Goͤtter nur auß dieſer Ge-
fahr/ alsdann wolte ich an weiterem gluͤklichen Verfolg nicht groß zweiffeln. Hingegen
ſtellete er ſich geherzt und baht ſehr/ ſie moͤchte ihr doch gefallen laſſen/ ein ſtuͤndichen oder
etliche zuſchlaffen/ damit ſie durch Muͤdigkeit an der kuͤnfftigen Reiſe nicht verhindert
wuͤrde; worin ſie ihm endlich gehorchete/ legete ſich neben ihn/ wickelte die Kleider feſt um
ſich/ und ſchlieff immerhin biß an den lichten morgẽ. Ehe dañ deꝛ Tag anbꝛach/ trat Wolf-
gang zu Arbianes/ und ſagete in aller ſtille zu ihm; er fuͤrchtete ſehr/ die Jungefrau wuͤrde
in ihren ſchoͤnen Kleidern ſchwerlich durchkommen/ es lieſſen ſich im Felde hin und wie-
der zuſtreuete Voͤlker ohn Waffen ſehen/ als ob ſie fluͤchtig waͤhren/ welche dann der Beu-
te am meiſten pflegeten nachzutrachten/ daher hielte ſein alter Vetter vor rahtſam/ daß er
Pferd und Harniſch nach der Stad braͤchte/ und daſelbſt ſchlechte Buͤrger Kleider entleh-
nete/ in welchen ſie den geringen Weg zu Fuſſe gingen/ welcher in anderthalb Stunden
wol koͤnte geendiget werden; würden demnach dieſen Tag ſich alhier auffhalten muͤſſen/
biß gegen Abend/ dann wolte er ſie im langen Korn biß vor die Stad bringen/ da ſie nach-
gehends keine Gefahr mehr zufürchten haͤtten. Arbianes lies ihm den Vorſchlag wolge-
fallen/ reichete ihm 20 Kronen/ davon er alte Kleider und gute friſche Speiſen bezahlen
ſolte/ und legete ſich noch eine Stunde ſchlaffen/ biß die Sonne am klaꝛen Himmel ſchiene/
und durch den offenen Giebel ihre Strahlen auff ſie warff/ wodurch ihm der Schlaff ge-
brochen ward/ daß er ſich recht gegen ſein Fraͤulein ũberſetzete/ und die volkom̃ene Schoͤn-
heit ihres Angeſichts betrachtete/ deſſen er ſo eigentlich noch nicht wahr genomen hatte.
Das Bruſtbildichen ſtellete erneben ſie/ umb zu erforſchen/ ob es eigentlich getroffẽ waͤh-
re/ da er als ein Kunſtverſtaͤndiger einẽ zimlichen Mangel befand/ dann die lebendige Far-
be ihres zarten Angeſichts wahr ungleich ſchoͤner als des Gemaͤldes/ daß er endlich anfing:
O du allerſchoͤnſtes Engelchen/ iſt dann nur Boͤhmen und Teutſchland ſo gluͤkſelig/ die
volkommene Zier hervor zubringen/ ſo muß ich ja billich von den gluͤkſeligſten mich mit
rechnen/ daß ich in Teutſchland kommen/ und ſo hohe Gunſt und Liebe bey dieſem wunder-
ſchoͤnen Fraͤulein erhalten habe. Das Fraͤulein erwachete/ da er dieſe Rede anhuhb/ ſtelle-
te ſich doch als ſchlieffe ſie/ um zuvernehmen/ was vor eine Endſchafft er ſeinem Wunſche
geben wuͤrde; da er alſo fort fuhr: O mein Gott/ wie ſol ich doch der unvergleichlichen
Groß Fuͤrſtin Valiſka gnug danken/ daß ſie mein Herz auffgemuntert/ und die Kuͤhnheit
in mich gebracht hat/ um dieſes allerſchoͤnſte Tugend ergebene fromme Fraͤulein zuwerbẽ/
der ich mir ſonſt vorgenommen hatte/ mich in meiner verborgenen Gluht ſelber zuverzeh-
ren/
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