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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Siebendes Buch.
wir diesem Befehl Gottes zur brüderlichen Versöhnligkeit nicht nachstreben/ sondern uns
suchen aus eigener Bewägung zurächen/ so wil uns Gott unsere Sündenschuld auch nit
vergeben/ damit wir ihn täglich beleidigen/ sondern er wil uns unsere Sünde vorbehalten
zur ewigen hellischen Verdamniß. Und solches hat uns unser Gott nicht allein in seinem
Heiligen Wort gedräuet/ sondern auch hieselbst in diesem Gebeht befohlen/ daß wir uns
selbst Gottes Straffe über den Halß bitten sollen/ wann wir unsern Beleidigern nicht ver-
geben wollen; dann wir müssen ja außdrüklich sprechen: Gleich wie wir unsern Beleidi-
gern ihre Beleidigung vergeben/ also wolle und solle unser Gott uns unsere Sünde auch
vergeben. Und eben dieses treibet uns Christen an/ daß wir langmühtig sind/ und unsern
Feinden gerne vergeben. Das Fräulein fiel ihm hieselbst in die Rede/ und sagte: Ich habe
Gott Lob alles wol verstanden/ was mein Schaz mir an stat einer Erklärung mitgeteilet
hat/ und ich solchen Verstand von mir selbst nicht würde gesunden haben. Aber es fält mir
bey dieser fünften Bitte eine Frage ein/ ob wir dann den Wendischen Räubern/ Krito/ Got-
schalk/ und ihren Gehülffen auch die Beleidigung vergeben/ und sie deswegen ungestrafft lassen
müssen; ich meine ja es erfodere die Gerechtigkeit selbst/ daß solche Räuber und Gewalt-
tähter gestraffet werden. Der Fürstantwortete: Mein Fräulein tuht wol/ daß sie diesen
Einwurff auffgelöset zu werden begehret. Grobe Ubeltahten und Sünde/ welche vorsezli-
cher muhtwilliger weise begangen werden/ als da sind/ Mord/ Raub/ Diebstahl/ Ehebruch
und dergleichen/ hat Gott in seinem Wort ernstlich gebohten/ daß sie von der Obrigkeit ge-
straffet werden/ so gar/ daß wo dieselbe inbestraffung solcher Boßheit nachlässig ist/ wil Gott
diese Nachlässigkeit hart und schwer an der Obrigkeit straffen; aber solche Straffe mus
nit ergehen aus Rachgier oder sonderlicher Feindschafft wieder denselben der solche Boß-
heit verübet hat/ sondern es mus geschehen aus Liebe zur Gerechtigkeit/ und aus gehorsam
gegen Gott; und mus doch inzwischen/ wann die Obrigkeit selbst durch solche Ubeltähter
beleidiget wird/ mus sie zwar die Ubeltaht an den Tähtern straffen/ aber doch so viel an ih-
nen ist/ es dem Beleidiger vergeben/ der dannoch dasselbe zur Straffe ausstehen mus was
ihm Gott aufferlegt hat. Ein Mensch aber/ der nicht Obrigkeit ist/ und von seinem Nähe-
sten beleidiget wird/ mus nicht sein eigen Richter oder Rächer seyn/ sondern der Obrigkeit
es klagen/ derselben es als Gottes Dienerin in die Hand geben/ und in allem ohn Rachgier
verfahren. Jedoch ist niemand verbohten eine Nohtwehre zu tuhn/ wann er von einem
andern mördlich überfallen wird. Ich bin hiemit zu frieden/ sagte das Fräulein/ und ist mir
mein zweifel dadurch benommen/ wolle demnach mein Schaz in Erklärung der übrigen
zwo Bitten fortfahren. Die sechste Bitte/ antwortete Arbianes lautet also/ Und führe uns
nicht in versuchung. Die versuchung ist zweyerley; Eine heilsame/ und eine schädliche Ver-
suchung. Die heilsame rühret her von Gott/ und ist diese/ wann er uns zeitliches Unglük zu
schicket/ durch welche er uns von den weltlichen Lüsten abzihen/ und zu seinem Gehorsam
leiten; oder dadurch er unsere Geduld und Beständigkeit im Glauben prüfen und beweh-
ren wil. Welche Versuchungen/ weil sie uns gut und zur Seligkeit beföderlich sind/ müssen
wir von Gott willig annehmen/ und nicht wieder seine Schickungen murren/ sondern nur
bitten/ daß Gott gnädig seyn/ und dieselben uns nicht zu schwer machen wolle. Die andere
Versuchung ist die schädliche/ da ein Mensch versuchet oder angetrieben wird zu einer oder

ander

Siebendes Buch.
wir dieſem Befehl Gottes zur bruͤderlichen Verſoͤhnligkeit nicht nachſtreben/ ſondern uns
ſuchen aus eigener Bewaͤgung zuraͤchen/ ſo wil uns Gott unſere Suͤndenſchuld auch nit
vergeben/ damit wir ihn taͤglich beleidigen/ ſondern er wil uns unſere Suͤnde vorbehalten
zur ewigen helliſchen Verdamniß. Und ſolches hat uns unſer Gott nicht allein in ſeinem
Heiligen Wort gedraͤuet/ ſondern auch hieſelbſt in dieſem Gebeht befohlen/ daß wir uns
ſelbſt Gottes Straffe uͤber den Halß bitten ſollen/ wann wir unſern Beleidigern nicht ver-
geben wollen; dann wir muͤſſen ja außdruͤklich ſprechen: Gleich wie wir unſern Beleidi-
gern ihre Beleidigung vergeben/ alſo wolle und ſolle unſer Gott uns unſere Suͤnde auch
vergeben. Und eben dieſes treibet uns Chriſten an/ daß wir langmuͤhtig ſind/ und unſern
Feinden gerne vergeben. Das Fraͤulein fiel ihm hieſelbſt in die Rede/ und ſagte: Ich habe
Gott Lob alles wol verſtanden/ was mein Schaz mir an ſtat einer Erklaͤrung mitgeteilet
hat/ und ich ſolchen Verſtand von mir ſelbſt nicht wuͤrde geſunden haben. Aber es faͤlt mir
bey dieſer fuͤnften Bitte eine Frage ein/ ob wir dann den Wendiſchẽ Raͤubern/ Krito/ Got-
ſchalk/ uñ ihren Gehuͤlffen auch die Beleidigung vergebẽ/ und ſie deswegẽ ungeſtrafft laſſen
muͤſſen; ich meine ja es erfodere die Gerechtigkeit ſelbſt/ daß ſolche Raͤuber und Gewalt-
taͤhter geſtraffet werden. Der Fuͤrſtantwortete: Mein Fraͤulein tuht wol/ daß ſie dieſen
Einwurff auffgeloͤſet zu werden begehret. Grobe Ubeltahten und Suͤnde/ welche vorſezli-
cher muhtwilliger weiſe begangen werden/ als da ſind/ Mord/ Raub/ Diebſtahl/ Ehebruch
und dergleichen/ hat Gott in ſeinem Wort ernſtlich gebohten/ daß ſie von der Obrigkeit ge-
ſtraffet werdẽ/ ſo gar/ daß wo dieſelbe inbeſtraffung ſolcher Boßheit nachlaͤſſig iſt/ wil Gott
dieſe Nachlaͤſſigkeit hart und ſchwer an der Obrigkeit ſtraffen; aber ſolche Straffe mus
nit ergehen aus Rachgier oder ſonderlicher Feindſchafft wieder denſelben der ſolche Boß-
heit veruͤbet hat/ ſondern es mus geſchehen aus Liebe zur Gerechtigkeit/ und aus gehorſam
gegen Gott; und mus doch inzwiſchen/ wann die Obrigkeit ſelbſt durch ſolche Ubeltaͤhter
beleidiget wird/ mus ſie zwar die Ubeltaht an den Taͤhtern ſtraffen/ aber doch ſo viel an ih-
nen iſt/ es dem Beleidiger vergeben/ der dannoch daſſelbe zur Straffe ausſtehen mus was
ihm Gott aufferlegt hat. Ein Menſch aber/ der nicht Obrigkeit iſt/ und von ſeinem Naͤhe-
ſten beleidiget wird/ mus nicht ſein eigen Richter oder Raͤcher ſeyn/ ſondern der Obrigkeit
es klagen/ derſelben es als Gottes Dienerin in die Hand geben/ und in allem ohn Rachgier
verfahren. Jedoch iſt niemand verbohten eine Nohtwehre zu tuhn/ wann er von einem
andern moͤrdlich uͤberfallen wird. Ich bin hiemit zu frieden/ ſagte das Fraͤulein/ und iſt mir
mein zweifel dadurch benommen/ wolle demnach mein Schaz in Erklaͤrung der uͤbrigen
zwo Bitten fortfahren. Die ſechſte Bitte/ antwortete Arbianes lautet alſo/ Und fuͤhre uns
nicht in verſuchung. Die verſuchung iſt zweyerley; Eine heilſame/ und eine ſchaͤdliche Ver-
ſuchung. Die heilſame ruͤhret her von Gott/ und iſt dieſe/ wann er uns zeitliches Ungluͤk zu
ſchicket/ durch welche er uns von den weltlichen Luͤſten abzihen/ und zu ſeinem Gehorſam
leiten; oder dadurch er unſere Geduld und Beſtaͤndigkeit im Glauben pruͤfen und beweh-
ren wil. Welche Verſuchungen/ weil ſie uns gut und zur Seligkeit befoͤderlich ſind/ muͤſſen
wir von Gott willig annehmen/ und nicht wieder ſeine Schickungen murren/ ſondern nur
bitten/ daß Gott gnaͤdig ſeyn/ und dieſelben uns nicht zu ſchwer machen wolle. Die andere
Verſuchung iſt die ſchaͤdliche/ da ein Menſch verſuchet oder angetrieben wird zu einer odeꝛ

ander
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[556/0562] Siebendes Buch. wir dieſem Befehl Gottes zur bruͤderlichen Verſoͤhnligkeit nicht nachſtreben/ ſondern uns ſuchen aus eigener Bewaͤgung zuraͤchen/ ſo wil uns Gott unſere Suͤndenſchuld auch nit vergeben/ damit wir ihn taͤglich beleidigen/ ſondern er wil uns unſere Suͤnde vorbehalten zur ewigen helliſchen Verdamniß. Und ſolches hat uns unſer Gott nicht allein in ſeinem Heiligen Wort gedraͤuet/ ſondern auch hieſelbſt in dieſem Gebeht befohlen/ daß wir uns ſelbſt Gottes Straffe uͤber den Halß bitten ſollen/ wann wir unſern Beleidigern nicht ver- geben wollen; dann wir muͤſſen ja außdruͤklich ſprechen: Gleich wie wir unſern Beleidi- gern ihre Beleidigung vergeben/ alſo wolle und ſolle unſer Gott uns unſere Suͤnde auch vergeben. Und eben dieſes treibet uns Chriſten an/ daß wir langmuͤhtig ſind/ und unſern Feinden gerne vergeben. Das Fraͤulein fiel ihm hieſelbſt in die Rede/ und ſagte: Ich habe Gott Lob alles wol verſtanden/ was mein Schaz mir an ſtat einer Erklaͤrung mitgeteilet hat/ und ich ſolchen Verſtand von mir ſelbſt nicht wuͤrde geſunden haben. Aber es faͤlt mir bey dieſer fuͤnften Bitte eine Frage ein/ ob wir dann den Wendiſchẽ Raͤubern/ Krito/ Got- ſchalk/ uñ ihren Gehuͤlffen auch die Beleidigung vergebẽ/ und ſie deswegẽ ungeſtrafft laſſen muͤſſen; ich meine ja es erfodere die Gerechtigkeit ſelbſt/ daß ſolche Raͤuber und Gewalt- taͤhter geſtraffet werden. Der Fuͤrſtantwortete: Mein Fraͤulein tuht wol/ daß ſie dieſen Einwurff auffgeloͤſet zu werden begehret. Grobe Ubeltahten und Suͤnde/ welche vorſezli- cher muhtwilliger weiſe begangen werden/ als da ſind/ Mord/ Raub/ Diebſtahl/ Ehebruch und dergleichen/ hat Gott in ſeinem Wort ernſtlich gebohten/ daß ſie von der Obrigkeit ge- ſtraffet werdẽ/ ſo gar/ daß wo dieſelbe inbeſtraffung ſolcher Boßheit nachlaͤſſig iſt/ wil Gott dieſe Nachlaͤſſigkeit hart und ſchwer an der Obrigkeit ſtraffen; aber ſolche Straffe mus nit ergehen aus Rachgier oder ſonderlicher Feindſchafft wieder denſelben der ſolche Boß- heit veruͤbet hat/ ſondern es mus geſchehen aus Liebe zur Gerechtigkeit/ und aus gehorſam gegen Gott; und mus doch inzwiſchen/ wann die Obrigkeit ſelbſt durch ſolche Ubeltaͤhter beleidiget wird/ mus ſie zwar die Ubeltaht an den Taͤhtern ſtraffen/ aber doch ſo viel an ih- nen iſt/ es dem Beleidiger vergeben/ der dannoch daſſelbe zur Straffe ausſtehen mus was ihm Gott aufferlegt hat. Ein Menſch aber/ der nicht Obrigkeit iſt/ und von ſeinem Naͤhe- ſten beleidiget wird/ mus nicht ſein eigen Richter oder Raͤcher ſeyn/ ſondern der Obrigkeit es klagen/ derſelben es als Gottes Dienerin in die Hand geben/ und in allem ohn Rachgier verfahren. Jedoch iſt niemand verbohten eine Nohtwehre zu tuhn/ wann er von einem andern moͤrdlich uͤberfallen wird. Ich bin hiemit zu frieden/ ſagte das Fraͤulein/ und iſt mir mein zweifel dadurch benommen/ wolle demnach mein Schaz in Erklaͤrung der uͤbrigen zwo Bitten fortfahren. Die ſechſte Bitte/ antwortete Arbianes lautet alſo/ Und fuͤhre uns nicht in verſuchung. Die verſuchung iſt zweyerley; Eine heilſame/ und eine ſchaͤdliche Ver- ſuchung. Die heilſame ruͤhret her von Gott/ und iſt dieſe/ wann er uns zeitliches Ungluͤk zu ſchicket/ durch welche er uns von den weltlichen Luͤſten abzihen/ und zu ſeinem Gehorſam leiten; oder dadurch er unſere Geduld und Beſtaͤndigkeit im Glauben pruͤfen und beweh- ren wil. Welche Verſuchungen/ weil ſie uns gut und zur Seligkeit befoͤderlich ſind/ muͤſſen wir von Gott willig annehmen/ und nicht wieder ſeine Schickungen murren/ ſondern nur bitten/ daß Gott gnaͤdig ſeyn/ und dieſelben uns nicht zu ſchwer machen wolle. Die andere Verſuchung iſt die ſchaͤdliche/ da ein Menſch verſuchet oder angetrieben wird zu einer odeꝛ ander

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/562>, abgerufen am 22.11.2024.