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Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660.

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Achtes Buch.
gewaltsamsten Ungerechtigkeit sich ihrer erbarmet/ welches er am herben Kreuz augen-
scheinlich dargeleget/ als er vor seine Feinde gebehten/ da er gesprochen: Vater vergib ihnen/
sie wissen nicht was sie tuhn Ja der hocherleuchtete Paulus in seinem Sende Brieffe an die
Römer zeugete/ daß der Sohn Gottes nit allein seinen damahligen Verfolgern und Mör-
dern diese Gnade erzeiget/ sondern gleicher Gestalt das ganze menschliche Geschlecht gelie-
bet/ und vor dieselben sich in den abscheulichsten Tod dahin gegeben hätte/ da sie annoch sei-
ne Feinde/ teils in heidnischer Blindheit/ teils im judischen Unglauben/ teils in gotlosem
Wandel wahren. Und daß wir Menschen ihm solches ablernen solten/ geböhte er selber mit
diesen Worten; Lernet von mir/ dann ich bin sanftmühtig und von Herzen demühtig/ so werdet ihr
Ruhe finden vor eure Seele. Daneben hätte er gnugsam wissen lassen/ daß ein unbarmherzi-
ges Gerichte wieder die Unbarmherzigen ergehen solte/ und der unversöhnliche Haß den
Menschen nicht allein in den Augen Gottes unwert machete/ sondern gar in die Hand der
unbarmherzigen Teuffel zur schreklichen Verdamniß übergäbe; deßwegen wolte er Zeit
seines Lebens sich insonderheit der versöhnlichen Gütigkeit befleissigen/ und so oft ihn ein
fleischlicher Stachel zur Rachgier antriebe/ sich selbst zwingen/ und seinen Feinden ja so viel
gutes/ als seinen Freunden erzeigen. Wann ihm dann eingeworffen ward/ die Muhtwilli-
gen würden dadurch nur frech/ und verliessen sich auff seine Gütigkeit; sagete er; solches
würde GOtt an denen schon zustraffen wissen/ er wolte dasselbe so eigentlich nicht nachgrü-
beln/ sondern sich nach CHristus Befehl richten/ jedoch also/ daß den boßhafftigen nicht
Ursach zufündigen/ viel weniger Freyheit darzu geben würde. O du allerschönste Sanft-
muht/ wie angenehm machestu den Menschen vor den Gnaden-Augen unsers Heylandes
JEsus/ des allersanftmühtigsten. Aber wie saur gehet es den Weltergebenen ein/ daß sie
ihren Feinden nicht allein vergeben/ sondern auch wol tuhn sollen. Der teure Herkules
wahr nicht so irdisch gesinnet/ und rühmete dißmahl König Notesterich an ihm/ daß er ei-
nes unglüklichen Menschen sein Elend so wol zu Herzen fassen könte; nicht/ daß er dieses
Pannoniers Verbrechen gut hieß/ sondern/ weil er in dessen Herzen eine wahre Reue seines
begangenen Ubels spürete. Sonsten wahr diese Fürstliche Geselschaft nebest den morgen-
ländischen Gästen in aller zugelassenen Lust sehr frölich/ und begehrete einsmahls Valiska
von ihrem Herr Vater/ ihr den endlichen Verlauff seiner Leibeigenschaft zuerzählen/ wel-
chen sie vor diesem/ wegen zu heftigen Mitleidens nicht anhören können; worin er ihr ger-
ne zu willen wahr/ und in beiseyn aller seiner Anverwanten und der Könige/ also fortfuhr:
Ob zwar meine jetzige Vergnügung/ die ich an den lieben meinigen habe/ mir den grösten
Teil meines überstandenen Unglüks aus dem Gedächtniß entrissen/ wil ich doch/ so viel mög-
lich/ mich wieder besinnen/ damit die Nachkommen wissen/ in was vor Elend ehmahls ein
herschender König gerahten; auch meines gleichen gewaltige daher lernen/ sich selbst zuer-
kennen/ und daß/ wann Gott straffen wil/ er so leicht einem Könige als armen Betler die
Zucht Ruhte binden kan. Und zwar muß ich nach erlangetem Christentuhm bekennen/ daß
mein damahl auffgeblasenes stolzes Herz solcher Züchtigung wol benöhtiget wahr; dann
ich furchte mich vor niemand/ verließ mich auff meine Macht/ und auff meine Nachbar-
Freunde/ und meinete nicht/ daß mir ichtwas dergleichen hätte zustossen können; daher
muste mein Gott mich zur Erkäntniß meiner selbst bringen/ wie er dann (ihm sey Dank in

Ewig-
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Achtes Buch.
gewaltſamſten Ungerechtigkeit ſich ihrer erbarmet/ welches er am herben Kreuz augen-
ſcheinlich dargeleget/ als er vor ſeine Feinde gebehten/ da er geſprochen: Vater vergib ihnẽ/
ſie wiſſen nicht was ſie tuhn Ja der hocherleuchtete Paulus in ſeinem Sende Brieffe an die
Roͤmer zeugete/ daß der Sohn Gottes nit allein ſeinen damahligen Verfolgern und Moͤr-
dern dieſe Gnade erzeiget/ ſondern gleicher Geſtalt das ganze menſchliche Geſchlecht gelie-
bet/ und vor dieſelben ſich in den abſcheulichſten Tod dahin gegeben haͤtte/ da ſie annoch ſei-
ne Feinde/ teils in heidniſcher Blindheit/ teils im judiſchen Unglauben/ teils in gotloſem
Wandel wahren. Und daß wir Menſchen ihm ſolches ablernen ſolten/ geboͤhte er ſelber mit
dieſen Worten; Lernet von mir/ dann ich bin ſanftmuͤhtig und von Herzen demuͤhtig/ ſo werdet ihr
Ruhe finden vor eure Seele. Daneben haͤtte er gnugſam wiſſen laſſen/ daß ein unbarmherzi-
ges Gerichte wieder die Unbarmherzigen ergehen ſolte/ und der unverſoͤhnliche Haß den
Menſchen nicht allein in den Augen Gottes unwert machete/ ſondern gar in die Hand der
unbarmherzigen Teuffel zur ſchreklichen Verdamniß uͤbergaͤbe; deßwegen wolte er Zeit
ſeines Lebens ſich inſonderheit der verſoͤhnlichen Guͤtigkeit befleiſſigen/ und ſo oft ihn ein
fleiſchlicher Stachel zur Rachgier antriebe/ ſich ſelbſt zwingen/ und ſeinen Feinden ja ſo viel
gutes/ als ſeinen Freunden erzeigen. Wann ihm dann eingeworffen ward/ die Muhtwilli-
gen wuͤrden dadurch nur frech/ und verlieſſen ſich auff ſeine Guͤtigkeit; ſagete er; ſolches
wuͤrde GOtt an denen ſchon zuſtraffen wiſſen/ er wolte daſſelbe ſo eigentlich nicht nachgruͤ-
beln/ ſondern ſich nach CHriſtus Befehl richten/ jedoch alſo/ daß den boßhafftigen nicht
Urſach zufuͤndigen/ viel weniger Freyheit darzu geben wuͤrde. O du allerſchoͤnſte Sanft-
muht/ wie angenehm macheſtu den Menſchen vor den Gnaden-Augen unſers Heylandes
JEſus/ des allerſanftmuͤhtigſten. Aber wie ſaur gehet es den Weltergebenen ein/ daß ſie
ihren Feinden nicht allein vergeben/ ſondern auch wol tuhn ſollen. Der teure Herkules
wahr nicht ſo irdiſch geſinnet/ und ruͤhmete dißmahl Koͤnig Noteſterich an ihm/ daß er ei-
nes ungluͤklichen Menſchen ſein Elend ſo wol zu Herzen faſſen koͤnte; nicht/ daß er dieſes
Pannoniers Verbrechen gut hieß/ ſondern/ weil er in deſſen Herzen eine wahre Reue ſeines
begangenen Ubels ſpuͤrete. Sonſten wahr dieſe Fuͤrſtliche Geſelſchaft nebeſt den morgen-
laͤndiſchen Gaͤſten in aller zugelaſſenen Luſt ſehr froͤlich/ und begehrete einsmahls Valiſka
von ihrem Herr Vater/ ihr den endlichen Verlauff ſeiner Leibeigenſchaft zuerzaͤhlen/ wel-
chen ſie vor dieſem/ wegen zu heftigen Mitleidens nicht anhoͤren koͤnnen; worin er ihr ger-
ne zu willen wahr/ und in beiſeyn aller ſeiner Anverwanten und der Koͤnige/ alſo fortfuhr:
Ob zwar meine jetzige Vergnügung/ die ich an den lieben meinigen habe/ mir den groͤſten
Teil meines uͤbeꝛſtandenẽ Ungluͤks aus dem Gedaͤchtniß entꝛiſſen/ wil ich doch/ ſo viel moͤg-
lich/ mich wieder beſinnen/ damit die Nachkommen wiſſen/ in was vor Elend ehmahls ein
herſchender Koͤnig gerahten; auch meines gleichen gewaltige daher lernen/ ſich ſelbſt zuer-
kennen/ und daß/ wann Gott ſtraffen wil/ er ſo leicht einem Koͤnige als armen Betler die
Zucht Ruhte binden kan. Und zwar muß ich nach erlangetem Chriſtentuhm bekennen/ daß
mein damahl auffgeblaſenes ſtolzes Herz ſolcher Zuͤchtigung wol benoͤhtiget wahr; dann
ich furchte mich vor niemand/ verließ mich auff meine Macht/ und auff meine Nachbar-
Freunde/ und meinete nicht/ daß mir ichtwas dergleichen haͤtte zuſtoſſen koͤnnen; daher
muſte mein Gott mich zur Erkaͤntniß meiner ſelbſt bringen/ wie er dann (ihm ſey Dank in

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[929/0935] Achtes Buch. gewaltſamſten Ungerechtigkeit ſich ihrer erbarmet/ welches er am herben Kreuz augen- ſcheinlich dargeleget/ als er vor ſeine Feinde gebehten/ da er geſprochen: Vater vergib ihnẽ/ ſie wiſſen nicht was ſie tuhn Ja der hocherleuchtete Paulus in ſeinem Sende Brieffe an die Roͤmer zeugete/ daß der Sohn Gottes nit allein ſeinen damahligen Verfolgern und Moͤr- dern dieſe Gnade erzeiget/ ſondern gleicher Geſtalt das ganze menſchliche Geſchlecht gelie- bet/ und vor dieſelben ſich in den abſcheulichſten Tod dahin gegeben haͤtte/ da ſie annoch ſei- ne Feinde/ teils in heidniſcher Blindheit/ teils im judiſchen Unglauben/ teils in gotloſem Wandel wahren. Und daß wir Menſchen ihm ſolches ablernen ſolten/ geboͤhte er ſelber mit dieſen Worten; Lernet von mir/ dann ich bin ſanftmuͤhtig und von Herzen demuͤhtig/ ſo werdet ihr Ruhe finden vor eure Seele. Daneben haͤtte er gnugſam wiſſen laſſen/ daß ein unbarmherzi- ges Gerichte wieder die Unbarmherzigen ergehen ſolte/ und der unverſoͤhnliche Haß den Menſchen nicht allein in den Augen Gottes unwert machete/ ſondern gar in die Hand der unbarmherzigen Teuffel zur ſchreklichen Verdamniß uͤbergaͤbe; deßwegen wolte er Zeit ſeines Lebens ſich inſonderheit der verſoͤhnlichen Guͤtigkeit befleiſſigen/ und ſo oft ihn ein fleiſchlicher Stachel zur Rachgier antriebe/ ſich ſelbſt zwingen/ und ſeinen Feinden ja ſo viel gutes/ als ſeinen Freunden erzeigen. Wann ihm dann eingeworffen ward/ die Muhtwilli- gen wuͤrden dadurch nur frech/ und verlieſſen ſich auff ſeine Guͤtigkeit; ſagete er; ſolches wuͤrde GOtt an denen ſchon zuſtraffen wiſſen/ er wolte daſſelbe ſo eigentlich nicht nachgruͤ- beln/ ſondern ſich nach CHriſtus Befehl richten/ jedoch alſo/ daß den boßhafftigen nicht Urſach zufuͤndigen/ viel weniger Freyheit darzu geben wuͤrde. O du allerſchoͤnſte Sanft- muht/ wie angenehm macheſtu den Menſchen vor den Gnaden-Augen unſers Heylandes JEſus/ des allerſanftmuͤhtigſten. Aber wie ſaur gehet es den Weltergebenen ein/ daß ſie ihren Feinden nicht allein vergeben/ ſondern auch wol tuhn ſollen. Der teure Herkules wahr nicht ſo irdiſch geſinnet/ und ruͤhmete dißmahl Koͤnig Noteſterich an ihm/ daß er ei- nes ungluͤklichen Menſchen ſein Elend ſo wol zu Herzen faſſen koͤnte; nicht/ daß er dieſes Pannoniers Verbrechen gut hieß/ ſondern/ weil er in deſſen Herzen eine wahre Reue ſeines begangenen Ubels ſpuͤrete. Sonſten wahr dieſe Fuͤrſtliche Geſelſchaft nebeſt den morgen- laͤndiſchen Gaͤſten in aller zugelaſſenen Luſt ſehr froͤlich/ und begehrete einsmahls Valiſka von ihrem Herr Vater/ ihr den endlichen Verlauff ſeiner Leibeigenſchaft zuerzaͤhlen/ wel- chen ſie vor dieſem/ wegen zu heftigen Mitleidens nicht anhoͤren koͤnnen; worin er ihr ger- ne zu willen wahr/ und in beiſeyn aller ſeiner Anverwanten und der Koͤnige/ alſo fortfuhr: Ob zwar meine jetzige Vergnügung/ die ich an den lieben meinigen habe/ mir den groͤſten Teil meines uͤbeꝛſtandenẽ Ungluͤks aus dem Gedaͤchtniß entꝛiſſen/ wil ich doch/ ſo viel moͤg- lich/ mich wieder beſinnen/ damit die Nachkommen wiſſen/ in was vor Elend ehmahls ein herſchender Koͤnig gerahten; auch meines gleichen gewaltige daher lernen/ ſich ſelbſt zuer- kennen/ und daß/ wann Gott ſtraffen wil/ er ſo leicht einem Koͤnige als armen Betler die Zucht Ruhte binden kan. Und zwar muß ich nach erlangetem Chriſtentuhm bekennen/ daß mein damahl auffgeblaſenes ſtolzes Herz ſolcher Zuͤchtigung wol benoͤhtiget wahr; dann ich furchte mich vor niemand/ verließ mich auff meine Macht/ und auff meine Nachbar- Freunde/ und meinete nicht/ daß mir ichtwas dergleichen haͤtte zuſtoſſen koͤnnen; daher muſte mein Gott mich zur Erkaͤntniß meiner ſelbſt bringen/ wie er dann (ihm ſey Dank in Ewig- b b b b b b

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Zitationshilfe: Bucholtz, Andreas Heinrich: Des Christlich: Teutschen Königes Herkules und der Teutschen Königin Valiska Wunder-Geschicht. Bd. 2. Braunschweig, 1660, S. 929. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchholtz_herkules02_1660/935>, abgerufen am 22.11.2024.