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Buchner, Wilhelm: Das ärztliche Studium der Frauen. In: Die Grenzboten 3 (1892). S. 205-212, 251-258.

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Das ärztliche Studium der Frauen
fordern, die zu dem wirklichen Ergebnis kaum im Verhältnis stehen würden.
Dazu kam noch etwas. Ein Teil der Frauenvereine, die sich bildeten, um
diese Bewegung im Fluß zu erhalten, fand es zweckmäßig, nicht bloß die
Forderung aufzustellen, daß den Frauen der Zugang zum medizinischen Stu-
dium eröffnet werde, sondern da sie einmal am Fordern waren, so forderten
sie gleich das Recht zum Studium überhaupt, und dagegen sträubte sich unser
gesunder deutscher Menschenverstand, der von Juristinnen und Theologinnen
ebensowenig wissen will wie von weiblichen Offizieren. So thaten eifrige
Widersacher und übereifrige Freunde das ihrige, den gesunden Kern der
ganzen Sache nicht gedeihen zu lassen. Und wenn sie es gar mit der Be-
gründung thaten, daß bei dem in der Gegenwart stetig schwerer werdenden
Kampf ums Dasein dem Weibe die Berechtigung zu jeder Thätigkeit offen-
stehen müsse, die bisher in dem Alleinbesitze des Mannes gewesen ist, so war
das freilich nicht das richtige Mittel, weitere Kreise für diese Bestrebungen
zu erwärmen.

Bei alledem ist es sehr erklärlich, daß thatkräftige Frauen bestrebt waren,
ihr Geschlecht aus den bisherigen Zuständen herauszuführen. Jn dieser Rich-
tung arbeitete vor allem seit dem Jahre 1888 der Frauenverein Reform, der
seine Mitglieder in einer Reihe größerer Städte von Deutschland, Österreich
und der Schweiz hat; Vorort ist gegenwärtig Weimar, Leiterin eine Frau
J. Kettler, die eine Reihe von Abhandlungen über diese Fragen geschrieben
hat, eine Monatsschrift "Frauenberuf" herausgiebt und jedenfalls eine sehr
thatkräftige Frau ist.*) Der Zweck des Vereins geht dahin, eine Steigerung der
Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts durch Erschließung der auf wissen-
schaftlichen Studien beruhenden Berufe zu erzielen, "und zwar vertritt der
Verein die Ansicht, daß die Frau gleich dem Manne zum Studium aller
Wissenschaften Zutritt haben soll, nicht aber auf vereinzelte derselben, wie
Medizin oder das höhere Lehrfach, beschränkt werden darf." Zu diesem Zwecke
will der Verein vorzüglich wirken für Errichtung von Mädchengymnasien mit
demselben Lehrplan, wie ihn die auf die Universität vorbereitenden Knaben-
schulen haben, für Erlangung des Rechts für diese Mädchengymnasien, Ab-
gangszeugnisse zum Studium an den Universitäten auszustellen, für die Zu-
lassung des weiblichen Geschlechts zum Studium auf Universitäten und andern
wissenschaftlichen Hochschulen, für Erlangung der staatlichen Erlaubnis, die auf
wissenschaftlichen Studien beruhenden Berufe, deren Ausübung einer Geneh-
migung der Behörden bedarf, auch wirklich auszuüben, soweit das praktisch
durchführbar ist. und sofern die betreffenden Prüfungsnachweise geliefert sind.

Schon durch die Bemerkung "soweit das praktisch durchführbar ist" wird
ausgesprochen, daß es eine Anzahl von Gebieten männlicher Thätigkeit giebt,

*) Vgl. übrigens den Aufsatz: Der Frauenverein Reform in Heft 2, 51. Jahrg. D. R.

Das ärztliche Studium der Frauen
fordern, die zu dem wirklichen Ergebnis kaum im Verhältnis stehen würden.
Dazu kam noch etwas. Ein Teil der Frauenvereine, die sich bildeten, um
diese Bewegung im Fluß zu erhalten, fand es zweckmäßig, nicht bloß die
Forderung aufzustellen, daß den Frauen der Zugang zum medizinischen Stu-
dium eröffnet werde, sondern da sie einmal am Fordern waren, so forderten
sie gleich das Recht zum Studium überhaupt, und dagegen sträubte sich unser
gesunder deutscher Menschenverstand, der von Juristinnen und Theologinnen
ebensowenig wissen will wie von weiblichen Offizieren. So thaten eifrige
Widersacher und übereifrige Freunde das ihrige, den gesunden Kern der
ganzen Sache nicht gedeihen zu lassen. Und wenn sie es gar mit der Be-
gründung thaten, daß bei dem in der Gegenwart stetig schwerer werdenden
Kampf ums Dasein dem Weibe die Berechtigung zu jeder Thätigkeit offen-
stehen müsse, die bisher in dem Alleinbesitze des Mannes gewesen ist, so war
das freilich nicht das richtige Mittel, weitere Kreise für diese Bestrebungen
zu erwärmen.

Bei alledem ist es sehr erklärlich, daß thatkräftige Frauen bestrebt waren,
ihr Geschlecht aus den bisherigen Zuständen herauszuführen. Jn dieser Rich-
tung arbeitete vor allem seit dem Jahre 1888 der Frauenverein Reform, der
seine Mitglieder in einer Reihe größerer Städte von Deutschland, Österreich
und der Schweiz hat; Vorort ist gegenwärtig Weimar, Leiterin eine Frau
J. Kettler, die eine Reihe von Abhandlungen über diese Fragen geschrieben
hat, eine Monatsschrift „Frauenberuf“ herausgiebt und jedenfalls eine sehr
thatkräftige Frau ist.*) Der Zweck des Vereins geht dahin, eine Steigerung der
Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts durch Erschließung der auf wissen-
schaftlichen Studien beruhenden Berufe zu erzielen, „und zwar vertritt der
Verein die Ansicht, daß die Frau gleich dem Manne zum Studium aller
Wissenschaften Zutritt haben soll, nicht aber auf vereinzelte derselben, wie
Medizin oder das höhere Lehrfach, beschränkt werden darf.“ Zu diesem Zwecke
will der Verein vorzüglich wirken für Errichtung von Mädchengymnasien mit
demselben Lehrplan, wie ihn die auf die Universität vorbereitenden Knaben-
schulen haben, für Erlangung des Rechts für diese Mädchengymnasien, Ab-
gangszeugnisse zum Studium an den Universitäten auszustellen, für die Zu-
lassung des weiblichen Geschlechts zum Studium auf Universitäten und andern
wissenschaftlichen Hochschulen, für Erlangung der staatlichen Erlaubnis, die auf
wissenschaftlichen Studien beruhenden Berufe, deren Ausübung einer Geneh-
migung der Behörden bedarf, auch wirklich auszuüben, soweit das praktisch
durchführbar ist. und sofern die betreffenden Prüfungsnachweise geliefert sind.

Schon durch die Bemerkung „soweit das praktisch durchführbar ist“ wird
ausgesprochen, daß es eine Anzahl von Gebieten männlicher Thätigkeit giebt,

*) Vgl. übrigens den Aufsatz: Der Frauenverein Reform in Heft 2, 51. Jahrg. D. R.
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[207/0003] Das ärztliche Studium der Frauen fordern, die zu dem wirklichen Ergebnis kaum im Verhältnis stehen würden. Dazu kam noch etwas. Ein Teil der Frauenvereine, die sich bildeten, um diese Bewegung im Fluß zu erhalten, fand es zweckmäßig, nicht bloß die Forderung aufzustellen, daß den Frauen der Zugang zum medizinischen Stu- dium eröffnet werde, sondern da sie einmal am Fordern waren, so forderten sie gleich das Recht zum Studium überhaupt, und dagegen sträubte sich unser gesunder deutscher Menschenverstand, der von Juristinnen und Theologinnen ebensowenig wissen will wie von weiblichen Offizieren. So thaten eifrige Widersacher und übereifrige Freunde das ihrige, den gesunden Kern der ganzen Sache nicht gedeihen zu lassen. Und wenn sie es gar mit der Be- gründung thaten, daß bei dem in der Gegenwart stetig schwerer werdenden Kampf ums Dasein dem Weibe die Berechtigung zu jeder Thätigkeit offen- stehen müsse, die bisher in dem Alleinbesitze des Mannes gewesen ist, so war das freilich nicht das richtige Mittel, weitere Kreise für diese Bestrebungen zu erwärmen. Bei alledem ist es sehr erklärlich, daß thatkräftige Frauen bestrebt waren, ihr Geschlecht aus den bisherigen Zuständen herauszuführen. Jn dieser Rich- tung arbeitete vor allem seit dem Jahre 1888 der Frauenverein Reform, der seine Mitglieder in einer Reihe größerer Städte von Deutschland, Österreich und der Schweiz hat; Vorort ist gegenwärtig Weimar, Leiterin eine Frau J. Kettler, die eine Reihe von Abhandlungen über diese Fragen geschrieben hat, eine Monatsschrift „Frauenberuf“ herausgiebt und jedenfalls eine sehr thatkräftige Frau ist. *) Der Zweck des Vereins geht dahin, eine Steigerung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts durch Erschließung der auf wissen- schaftlichen Studien beruhenden Berufe zu erzielen, „und zwar vertritt der Verein die Ansicht, daß die Frau gleich dem Manne zum Studium aller Wissenschaften Zutritt haben soll, nicht aber auf vereinzelte derselben, wie Medizin oder das höhere Lehrfach, beschränkt werden darf.“ Zu diesem Zwecke will der Verein vorzüglich wirken für Errichtung von Mädchengymnasien mit demselben Lehrplan, wie ihn die auf die Universität vorbereitenden Knaben- schulen haben, für Erlangung des Rechts für diese Mädchengymnasien, Ab- gangszeugnisse zum Studium an den Universitäten auszustellen, für die Zu- lassung des weiblichen Geschlechts zum Studium auf Universitäten und andern wissenschaftlichen Hochschulen, für Erlangung der staatlichen Erlaubnis, die auf wissenschaftlichen Studien beruhenden Berufe, deren Ausübung einer Geneh- migung der Behörden bedarf, auch wirklich auszuüben, soweit das praktisch durchführbar ist. und sofern die betreffenden Prüfungsnachweise geliefert sind. Schon durch die Bemerkung „soweit das praktisch durchführbar ist“ wird ausgesprochen, daß es eine Anzahl von Gebieten männlicher Thätigkeit giebt, *) Vgl. übrigens den Aufsatz: Der Frauenverein Reform in Heft 2, 51. Jahrg. D. R.

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Zitationshilfe: Buchner, Wilhelm: Das ärztliche Studium der Frauen. In: Die Grenzboten 3 (1892). S. 205-212, 251-258, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buchner_studium_1892/3>, abgerufen am 29.03.2024.