schaftliche Voraussetzungen geknüpft ist. Es ist weder die ursprüngliche noch überhaupt eine entwickelungsgeschichtlich notwendige Form der gewerblichen Gütererzeugung. Das heißt: es ist ebenso wenig notwendig, daß die Industrie eines Landes das Betriebssystem des Handwerks durch- laufen hat, ehe sie zur Hausindustrie oder Fabrik gelangt, als es notwendig ist, daß jedes Volk vorher Jäger- und Nomadenvolk gewesen ist, ehe es zum seßhaften Ackerbau übergeht. Dem Handwerk sind bei uns andere Betriebs- systeme der Stoffumwandlung vorausgegangen, ja sie be- stehen zum Teil noch jetzt, selbst in europäischen Ländern.
Diese primitiven industriellen Betriebssysteme sind in ihrer großen entwickelungsgeschichtlichen Bedeutung bis jetzt kaum beachtet worden, obwohl sie Jahrtausende hindurch das Wirtschaftsleben der Völker bestimmt und in ihrer sozialen Organisation tiefe Spuren eingeprägt haben. Nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Gewerbegeschichte, der- jenige, welcher in dem geschriebenen Rechte die Quellen seiner Erkenntnis uns hinterlassen hat, ist bis jetzt einiger- maßen aufgehellt, und dieser auch viel mehr nach seiner formalen Ordnung als nach seinem inneren Leben, seiner Betriebsweise. Selbst das Zunfthandwerk des Mittelalters, dem in neuerer Zeit so viel ausdauernde und eindringende wissenschaftliche Arbeit gewidmet worden ist, ist nach der Seite des Betriebs kaum genauer untersucht worden. Will- kürliche rationalistische Konstruktionen, bei denen mit den Voraussetzungen und Kategorien der modernen Verkehrs-
ſchaftliche Vorausſetzungen geknüpft iſt. Es iſt weder die urſprüngliche noch überhaupt eine entwickelungsgeſchichtlich notwendige Form der gewerblichen Gütererzeugung. Das heißt: es iſt ebenſo wenig notwendig, daß die Induſtrie eines Landes das Betriebsſyſtem des Handwerks durch- laufen hat, ehe ſie zur Hausinduſtrie oder Fabrik gelangt, als es notwendig iſt, daß jedes Volk vorher Jäger- und Nomadenvolk geweſen iſt, ehe es zum ſeßhaften Ackerbau übergeht. Dem Handwerk ſind bei uns andere Betriebs- ſyſteme der Stoffumwandlung vorausgegangen, ja ſie be- ſtehen zum Teil noch jetzt, ſelbſt in europäiſchen Ländern.
Dieſe primitiven induſtriellen Betriebsſyſteme ſind in ihrer großen entwickelungsgeſchichtlichen Bedeutung bis jetzt kaum beachtet worden, obwohl ſie Jahrtauſende hindurch das Wirtſchaftsleben der Völker beſtimmt und in ihrer ſozialen Organiſation tiefe Spuren eingeprägt haben. Nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Gewerbegeſchichte, der- jenige, welcher in dem geſchriebenen Rechte die Quellen ſeiner Erkenntnis uns hinterlaſſen hat, iſt bis jetzt einiger- maßen aufgehellt, und dieſer auch viel mehr nach ſeiner formalen Ordnung als nach ſeinem inneren Leben, ſeiner Betriebsweiſe. Selbſt das Zunfthandwerk des Mittelalters, dem in neuerer Zeit ſo viel ausdauernde und eindringende wiſſenſchaftliche Arbeit gewidmet worden iſt, iſt nach der Seite des Betriebs kaum genauer unterſucht worden. Will- kürliche rationaliſtiſche Konſtruktionen, bei denen mit den Vorausſetzungen und Kategorien der modernen Verkehrs-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0106"n="84"/>ſchaftliche Vorausſetzungen geknüpft iſt. Es iſt weder die<lb/>
urſprüngliche noch überhaupt eine entwickelungsgeſchichtlich<lb/>
notwendige Form der gewerblichen Gütererzeugung. Das<lb/>
heißt: es iſt ebenſo wenig notwendig, daß die Induſtrie<lb/>
eines Landes das Betriebsſyſtem des Handwerks durch-<lb/>
laufen hat, ehe ſie zur Hausinduſtrie oder Fabrik gelangt,<lb/>
als es notwendig iſt, daß jedes Volk vorher Jäger- und<lb/>
Nomadenvolk geweſen iſt, ehe es zum ſeßhaften Ackerbau<lb/>
übergeht. Dem Handwerk ſind bei uns andere Betriebs-<lb/>ſyſteme der Stoffumwandlung vorausgegangen, ja ſie be-<lb/>ſtehen zum Teil noch jetzt, ſelbſt in europäiſchen Ländern.</p><lb/><p>Dieſe primitiven induſtriellen Betriebsſyſteme ſind in<lb/>
ihrer großen entwickelungsgeſchichtlichen Bedeutung bis jetzt<lb/>
kaum beachtet worden, obwohl ſie Jahrtauſende hindurch<lb/>
das Wirtſchaftsleben der Völker beſtimmt und in ihrer<lb/>ſozialen Organiſation tiefe Spuren eingeprägt haben. Nur<lb/>
ein verhältnismäßig kleiner Teil der Gewerbegeſchichte, der-<lb/>
jenige, welcher in dem geſchriebenen Rechte die Quellen<lb/>ſeiner Erkenntnis uns hinterlaſſen hat, iſt bis jetzt einiger-<lb/>
maßen aufgehellt, und dieſer auch viel mehr nach ſeiner<lb/>
formalen Ordnung als nach ſeinem inneren Leben, ſeiner<lb/>
Betriebsweiſe. Selbſt das Zunfthandwerk des Mittelalters,<lb/>
dem in neuerer Zeit ſo viel ausdauernde und eindringende<lb/>
wiſſenſchaftliche Arbeit gewidmet worden iſt, iſt nach der<lb/>
Seite des Betriebs kaum genauer unterſucht worden. Will-<lb/>
kürliche rationaliſtiſche Konſtruktionen, bei denen mit den<lb/>
Vorausſetzungen und Kategorien der modernen Verkehrs-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[84/0106]
ſchaftliche Vorausſetzungen geknüpft iſt. Es iſt weder die
urſprüngliche noch überhaupt eine entwickelungsgeſchichtlich
notwendige Form der gewerblichen Gütererzeugung. Das
heißt: es iſt ebenſo wenig notwendig, daß die Induſtrie
eines Landes das Betriebsſyſtem des Handwerks durch-
laufen hat, ehe ſie zur Hausinduſtrie oder Fabrik gelangt,
als es notwendig iſt, daß jedes Volk vorher Jäger- und
Nomadenvolk geweſen iſt, ehe es zum ſeßhaften Ackerbau
übergeht. Dem Handwerk ſind bei uns andere Betriebs-
ſyſteme der Stoffumwandlung vorausgegangen, ja ſie be-
ſtehen zum Teil noch jetzt, ſelbſt in europäiſchen Ländern.
Dieſe primitiven induſtriellen Betriebsſyſteme ſind in
ihrer großen entwickelungsgeſchichtlichen Bedeutung bis jetzt
kaum beachtet worden, obwohl ſie Jahrtauſende hindurch
das Wirtſchaftsleben der Völker beſtimmt und in ihrer
ſozialen Organiſation tiefe Spuren eingeprägt haben. Nur
ein verhältnismäßig kleiner Teil der Gewerbegeſchichte, der-
jenige, welcher in dem geſchriebenen Rechte die Quellen
ſeiner Erkenntnis uns hinterlaſſen hat, iſt bis jetzt einiger-
maßen aufgehellt, und dieſer auch viel mehr nach ſeiner
formalen Ordnung als nach ſeinem inneren Leben, ſeiner
Betriebsweiſe. Selbſt das Zunfthandwerk des Mittelalters,
dem in neuerer Zeit ſo viel ausdauernde und eindringende
wiſſenſchaftliche Arbeit gewidmet worden iſt, iſt nach der
Seite des Betriebs kaum genauer unterſucht worden. Will-
kürliche rationaliſtiſche Konſtruktionen, bei denen mit den
Vorausſetzungen und Kategorien der modernen Verkehrs-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/106>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.