zierung in allzu engem Sinne aufzufassen. Daß der Sohn des Schusters vermöge ererbter Anpassung besser im Stande sein solle, Schuhe zu produzieren, als etwa Bilderrahmen, daß der Sohn des Pfarrers, auch wenn sein Vater ihm am Tage seiner Geburt entrissen worden wäre, unter allen Berufsarten wieder für den geistlichen Beruf die größte natürliche Anlage aufweisen werde, kann jene Theorie un- möglich besagen wollen, selbst wenn in dem letzterwähnten Falle die Ahnen des Pfarrers von Generation zu Gene- ration seit zwei Jahrhunderten das geistliche Amt einander übertragen hätten. Denn wenn wir den biologischen Verer- bungsbegriff festhalten, so würde von Geschlecht zu Geschlecht die berufliche Anpassung sich steigern, es würden immer voll- kommenere berufliche Leistungen zu Tage treten müssen. Es wird aber im Ernste schwerlich jemand behaupten wollen, daß die zahlreichen Pfarrersfamilien des evangelischen Deutschland, welche in der eben erwähnten Lage sich befinden, heute relativ bessere Kanzelredner und wirksamere Seelsorger lieferten als im XVII. Jahrhundert.
Auf dem Gebiete des zünftigen Handwerks unserer Städte haben sich infolge der engherzigen Abschließung der einzelnen Gewerbe vom XVI. bis zum XVIII. Jahrhundert die Meisterstellen thatsächlich mit verschwindenden Ausnahmen vom Vater auf den Sohn vererbt. Die Technik hat sich dabei nicht nur nicht vervollkommnet, sondern sie ist kläglich zurückgegangen und verkümmert, wie Schmoller in einer
zierung in allzu engem Sinne aufzufaſſen. Daß der Sohn des Schuſters vermöge ererbter Anpaſſung beſſer im Stande ſein ſolle, Schuhe zu produzieren, als etwa Bilderrahmen, daß der Sohn des Pfarrers, auch wenn ſein Vater ihm am Tage ſeiner Geburt entriſſen worden wäre, unter allen Berufsarten wieder für den geiſtlichen Beruf die größte natürliche Anlage aufweiſen werde, kann jene Theorie un- möglich beſagen wollen, ſelbſt wenn in dem letzterwähnten Falle die Ahnen des Pfarrers von Generation zu Gene- ration ſeit zwei Jahrhunderten das geiſtliche Amt einander übertragen hätten. Denn wenn wir den biologiſchen Verer- bungsbegriff feſthalten, ſo würde von Geſchlecht zu Geſchlecht die berufliche Anpaſſung ſich ſteigern, es würden immer voll- kommenere berufliche Leiſtungen zu Tage treten müſſen. Es wird aber im Ernſte ſchwerlich jemand behaupten wollen, daß die zahlreichen Pfarrersfamilien des evangeliſchen Deutſchland, welche in der eben erwähnten Lage ſich befinden, heute relativ beſſere Kanzelredner und wirkſamere Seelſorger lieferten als im XVII. Jahrhundert.
Auf dem Gebiete des zünftigen Handwerks unſerer Städte haben ſich infolge der engherzigen Abſchließung der einzelnen Gewerbe vom XVI. bis zum XVIII. Jahrhundert die Meiſterſtellen thatſächlich mit verſchwindenden Ausnahmen vom Vater auf den Sohn vererbt. Die Technik hat ſich dabei nicht nur nicht vervollkommnet, ſondern ſie iſt kläglich zurückgegangen und verkümmert, wie Schmoller in einer
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zierung in allzu engem Sinne aufzufaſſen. Daß der Sohn
des Schuſters vermöge ererbter Anpaſſung beſſer im Stande
ſein ſolle, Schuhe zu produzieren, als etwa Bilderrahmen,
daß der Sohn des Pfarrers, auch wenn ſein Vater ihm
am Tage ſeiner Geburt entriſſen worden wäre, unter allen
Berufsarten wieder für den geiſtlichen Beruf die größte
natürliche Anlage aufweiſen werde, kann jene Theorie un-
möglich beſagen wollen, ſelbſt wenn in dem letzterwähnten
Falle die Ahnen des Pfarrers von Generation zu Gene-
ration ſeit zwei Jahrhunderten das geiſtliche Amt einander
übertragen hätten. Denn wenn wir den biologiſchen Verer-
bungsbegriff feſthalten, ſo würde von Geſchlecht zu Geſchlecht
die berufliche Anpaſſung ſich ſteigern, es würden immer voll-
kommenere berufliche Leiſtungen zu Tage treten müſſen.
Es wird aber im Ernſte ſchwerlich jemand behaupten wollen,
daß die zahlreichen Pfarrersfamilien des evangeliſchen
Deutſchland, welche in der eben erwähnten Lage ſich befinden,
heute relativ beſſere Kanzelredner und wirkſamere Seelſorger
lieferten als im XVII. Jahrhundert.
Auf dem Gebiete des zünftigen Handwerks unſerer
Städte haben ſich infolge der engherzigen Abſchließung der
einzelnen Gewerbe vom XVI. bis zum XVIII. Jahrhundert
die Meiſterſtellen thatſächlich mit verſchwindenden Ausnahmen
vom Vater auf den Sohn vererbt. Die Technik hat ſich
dabei nicht nur nicht vervollkommnet, ſondern ſie iſt kläglich
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/181>, abgerufen am 24.11.2024.
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