Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

falle. Eine so komplexe Erscheinung wie das Zeitungswesen
läßt sich von sehr verschiedenen Gesichtspunkten aus frucht-
bar behandeln: vom politisch-historischen, dem litterarhisto-
rischen, dem bibliographischen, dem juristischen, selbst dem
philologischen. Am nächsten liegt der Gegenstand zweifellos
dem Nationalökonomen. Denn die Zeitung ist in erster
Linie eine Verkehrseinrichtung, und sie bildet eines der
wichtigsten Stützorgane der heutigen Volkswirtschaft. Aber
Sie werden in den Lehrbüchern der Nationalökonomie oder
selbst des Verkehrswesens im engern Sinne vergebens nach
einem Abschnitte über die Tagespresse suchen. Wenn ich
unter diesen Umständen es wage, über die Anfänge des
Zeitungswesens in einem knapp zusammenfassenden Vortrage
zu handeln, so bin ich mir selbst am meisten bewußt, daß
ich Ihnen nur Unvollkommenes bieten kann und daß ich
vielleicht auch insofern noch Ihre Erwartungen zu täuschen
genötigt sein werde, als die nationalökonomische Betrach-
tungsweise nicht im Stande ist, die Materie nach allen
Seiten zu erschöpfen.

Die Frage nach den Anfängen des Zeitungswesens wird
sich verschieden beantworten, je nach dem, was man unter
einer Zeitung versteht. Wenn man aber zehn verschiedenen
Personen die Frage vorlegt, was eine Zeitung sei, so wird
man vielleicht zehn verschiedene Antworten erhalten. Da-
gegen wird niemand sich lange bedenken, wenn er nach den
Mitteln gefragt wird, durch welche das große Gewebe der
geistigen und materiellen Wechselwirkungen hervorgebracht

falle. Eine ſo komplexe Erſcheinung wie das Zeitungsweſen
läßt ſich von ſehr verſchiedenen Geſichtspunkten aus frucht-
bar behandeln: vom politiſch-hiſtoriſchen, dem litterarhiſto-
riſchen, dem bibliographiſchen, dem juriſtiſchen, ſelbſt dem
philologiſchen. Am nächſten liegt der Gegenſtand zweifellos
dem Nationalökonomen. Denn die Zeitung iſt in erſter
Linie eine Verkehrseinrichtung, und ſie bildet eines der
wichtigſten Stützorgane der heutigen Volkswirtſchaft. Aber
Sie werden in den Lehrbüchern der Nationalökonomie oder
ſelbſt des Verkehrsweſens im engern Sinne vergebens nach
einem Abſchnitte über die Tagespreſſe ſuchen. Wenn ich
unter dieſen Umſtänden es wage, über die Anfänge des
Zeitungsweſens in einem knapp zuſammenfaſſenden Vortrage
zu handeln, ſo bin ich mir ſelbſt am meiſten bewußt, daß
ich Ihnen nur Unvollkommenes bieten kann und daß ich
vielleicht auch inſofern noch Ihre Erwartungen zu täuſchen
genötigt ſein werde, als die nationalökonomiſche Betrach-
tungsweiſe nicht im Stande iſt, die Materie nach allen
Seiten zu erſchöpfen.

Die Frage nach den Anfängen des Zeitungsweſens wird
ſich verſchieden beantworten, je nach dem, was man unter
einer Zeitung verſteht. Wenn man aber zehn verſchiedenen
Perſonen die Frage vorlegt, was eine Zeitung ſei, ſo wird
man vielleicht zehn verſchiedene Antworten erhalten. Da-
gegen wird niemand ſich lange bedenken, wenn er nach den
Mitteln gefragt wird, durch welche das große Gewebe der
geiſtigen und materiellen Wechſelwirkungen hervorgebracht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0194" n="172"/>
falle. Eine &#x017F;o komplexe Er&#x017F;cheinung wie das Zeitungswe&#x017F;en<lb/>
läßt &#x017F;ich von &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedenen Ge&#x017F;ichtspunkten aus frucht-<lb/>
bar behandeln: vom politi&#x017F;ch-hi&#x017F;tori&#x017F;chen, dem litterarhi&#x017F;to-<lb/>
ri&#x017F;chen, dem bibliographi&#x017F;chen, dem juri&#x017F;ti&#x017F;chen, &#x017F;elb&#x017F;t dem<lb/>
philologi&#x017F;chen. Am näch&#x017F;ten liegt der Gegen&#x017F;tand zweifellos<lb/>
dem Nationalökonomen. Denn die Zeitung i&#x017F;t in er&#x017F;ter<lb/>
Linie eine Verkehrseinrichtung, und &#x017F;ie bildet eines der<lb/>
wichtig&#x017F;ten Stützorgane der heutigen Volkswirt&#x017F;chaft. Aber<lb/>
Sie werden in den Lehrbüchern der Nationalökonomie oder<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t des Verkehrswe&#x017F;ens im engern Sinne vergebens nach<lb/>
einem Ab&#x017F;chnitte über die Tagespre&#x017F;&#x017F;e &#x017F;uchen. Wenn ich<lb/>
unter die&#x017F;en Um&#x017F;tänden es wage, über die Anfänge des<lb/>
Zeitungswe&#x017F;ens in einem knapp zu&#x017F;ammenfa&#x017F;&#x017F;enden Vortrage<lb/>
zu handeln, &#x017F;o bin ich mir &#x017F;elb&#x017F;t am mei&#x017F;ten bewußt, daß<lb/>
ich Ihnen nur Unvollkommenes bieten kann und daß ich<lb/>
vielleicht auch in&#x017F;ofern noch Ihre Erwartungen zu täu&#x017F;chen<lb/>
genötigt &#x017F;ein werde, als die nationalökonomi&#x017F;che Betrach-<lb/>
tungswei&#x017F;e nicht im Stande i&#x017F;t, die Materie nach allen<lb/>
Seiten zu er&#x017F;chöpfen.</p><lb/>
          <p>Die Frage nach den Anfängen des Zeitungswe&#x017F;ens wird<lb/>
&#x017F;ich ver&#x017F;chieden beantworten, je nach dem, was man unter<lb/>
einer Zeitung ver&#x017F;teht. Wenn man aber zehn ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Per&#x017F;onen die Frage vorlegt, was eine Zeitung &#x017F;ei, &#x017F;o wird<lb/>
man vielleicht zehn ver&#x017F;chiedene Antworten erhalten. Da-<lb/>
gegen wird niemand &#x017F;ich lange bedenken, wenn er nach den<lb/>
Mitteln gefragt wird, durch welche das große Gewebe der<lb/>
gei&#x017F;tigen und materiellen Wech&#x017F;elwirkungen hervorgebracht<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[172/0194] falle. Eine ſo komplexe Erſcheinung wie das Zeitungsweſen läßt ſich von ſehr verſchiedenen Geſichtspunkten aus frucht- bar behandeln: vom politiſch-hiſtoriſchen, dem litterarhiſto- riſchen, dem bibliographiſchen, dem juriſtiſchen, ſelbſt dem philologiſchen. Am nächſten liegt der Gegenſtand zweifellos dem Nationalökonomen. Denn die Zeitung iſt in erſter Linie eine Verkehrseinrichtung, und ſie bildet eines der wichtigſten Stützorgane der heutigen Volkswirtſchaft. Aber Sie werden in den Lehrbüchern der Nationalökonomie oder ſelbſt des Verkehrsweſens im engern Sinne vergebens nach einem Abſchnitte über die Tagespreſſe ſuchen. Wenn ich unter dieſen Umſtänden es wage, über die Anfänge des Zeitungsweſens in einem knapp zuſammenfaſſenden Vortrage zu handeln, ſo bin ich mir ſelbſt am meiſten bewußt, daß ich Ihnen nur Unvollkommenes bieten kann und daß ich vielleicht auch inſofern noch Ihre Erwartungen zu täuſchen genötigt ſein werde, als die nationalökonomiſche Betrach- tungsweiſe nicht im Stande iſt, die Materie nach allen Seiten zu erſchöpfen. Die Frage nach den Anfängen des Zeitungsweſens wird ſich verſchieden beantworten, je nach dem, was man unter einer Zeitung verſteht. Wenn man aber zehn verſchiedenen Perſonen die Frage vorlegt, was eine Zeitung ſei, ſo wird man vielleicht zehn verſchiedene Antworten erhalten. Da- gegen wird niemand ſich lange bedenken, wenn er nach den Mitteln gefragt wird, durch welche das große Gewebe der geiſtigen und materiellen Wechſelwirkungen hervorgebracht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/194
Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/194>, abgerufen am 24.11.2024.