Schutz- und Zufluchtsorte der Landbevölkerung, Mittelpunkte des wirtschaftlichen Verkehrs, Konzentrationsstätten des Ge- werbebetriebs, Oasen der Geldzirkulation innerhalb einer von der Naturalwirtschaft beherrschten Zeit.
Es ist genugsam bekannt, zu welcher bedeutenden politischen Machtstellung die deutschen Städte auf dieser sozialen Grundlage sich erhoben, wie sie im spätern Mittel- alter über die Mehrzahl der vielen kleinen Territorialherr- schaften, in die sich das römische Reich deutscher Nation aufgelöst hatte, hervorragten, wie sie gegenüber den Landes- fürsten und dem Kaiser mit der Zeit zu einer selbständigen Bedeutung gelangten, wie sie mit kräftiger Hand den Adel niederwarfen und den Landfrieden sicherten und wie sie schließlich die Anerkennung ihrer reichsständischen Stellung erzwangen.
Was war es, das ihnen diese politische Bedeutung verlieh? War es ihre große Volkszahl? War es die demokratische Verfassung, welcher die Zünfte in langem Kampfe mit den alten grundbesitzenden Geschlechtern zum Durchbruch verholfen hatten? War es ihr Geldreichtum, ihre Söldnerheere?
Ich glaube, keines von allen diesen Momenten, oder doch keines allein. Ihre Hauptstärke ruhte vielmehr in der glücklichen sozialen Gliederung und Organisation ihrer Bevölkerung, welche ihnen erlaubte, im Falle der Gefahr eine einheitliche, zusammengeschlossene Volkskraft in die
Schutz- und Zufluchtsorte der Landbevölkerung, Mittelpunkte des wirtſchaftlichen Verkehrs, Konzentrationsſtätten des Ge- werbebetriebs, Oaſen der Geldzirkulation innerhalb einer von der Naturalwirtſchaft beherrſchten Zeit.
Es iſt genugſam bekannt, zu welcher bedeutenden politiſchen Machtſtellung die deutſchen Städte auf dieſer ſozialen Grundlage ſich erhoben, wie ſie im ſpätern Mittel- alter über die Mehrzahl der vielen kleinen Territorialherr- ſchaften, in die ſich das römiſche Reich deutſcher Nation aufgelöſt hatte, hervorragten, wie ſie gegenüber den Landes- fürſten und dem Kaiſer mit der Zeit zu einer ſelbſtändigen Bedeutung gelangten, wie ſie mit kräftiger Hand den Adel niederwarfen und den Landfrieden ſicherten und wie ſie ſchließlich die Anerkennung ihrer reichsſtändiſchen Stellung erzwangen.
Was war es, das ihnen dieſe politiſche Bedeutung verlieh? War es ihre große Volkszahl? War es die demokratiſche Verfaſſung, welcher die Zünfte in langem Kampfe mit den alten grundbeſitzenden Geſchlechtern zum Durchbruch verholfen hatten? War es ihr Geldreichtum, ihre Söldnerheere?
Ich glaube, keines von allen dieſen Momenten, oder doch keines allein. Ihre Hauptſtärke ruhte vielmehr in der glücklichen ſozialen Gliederung und Organiſation ihrer Bevölkerung, welche ihnen erlaubte, im Falle der Gefahr eine einheitliche, zuſammengeſchloſſene Volkskraft in die
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Schutz- und Zufluchtsorte der Landbevölkerung, Mittelpunkte
des wirtſchaftlichen Verkehrs, Konzentrationsſtätten des Ge-
werbebetriebs, Oaſen der Geldzirkulation innerhalb einer
von der Naturalwirtſchaft beherrſchten Zeit.
Es iſt genugſam bekannt, zu welcher bedeutenden
politiſchen Machtſtellung die deutſchen Städte auf dieſer
ſozialen Grundlage ſich erhoben, wie ſie im ſpätern Mittel-
alter über die Mehrzahl der vielen kleinen Territorialherr-
ſchaften, in die ſich das römiſche Reich deutſcher Nation
aufgelöſt hatte, hervorragten, wie ſie gegenüber den Landes-
fürſten und dem Kaiſer mit der Zeit zu einer ſelbſtändigen
Bedeutung gelangten, wie ſie mit kräftiger Hand den Adel
niederwarfen und den Landfrieden ſicherten und wie ſie
ſchließlich die Anerkennung ihrer reichsſtändiſchen Stellung
erzwangen.
Was war es, das ihnen dieſe politiſche Bedeutung
verlieh? War es ihre große Volkszahl? War es die
demokratiſche Verfaſſung, welcher die Zünfte in langem
Kampfe mit den alten grundbeſitzenden Geſchlechtern zum
Durchbruch verholfen hatten? War es ihr Geldreichtum,
ihre Söldnerheere?
Ich glaube, keines von allen dieſen Momenten, oder
doch keines allein. Ihre Hauptſtärke ruhte vielmehr in
der glücklichen ſozialen Gliederung und Organiſation ihrer
Bevölkerung, welche ihnen erlaubte, im Falle der Gefahr
eine einheitliche, zuſammengeſchloſſene Volkskraft in die
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/236>, abgerufen am 24.11.2024.
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