kannte das Mittelalter nicht, oder doch nur in Gestalt einer beschränkten Zahl von Taglöhnern und Weinbergsarbeitern. Was die Zahl der fremden Handwerksgesellen, Bauern- knechte und weiblichen Dienstboten betrifft, so vermögen wir sie aus einheimischen Quellen nicht zu bestimmen. Ich habe sie für 1440 auf 15--1600 Personen (nach Nürn- berger Muster) angenommen, und vielleicht ist das noch zu hoch. Wenn man im Durchschnitt auf 3 Meister 2 fremde Gesellen und Lehrlinge rechnet und auf 2 Haushaltungen einen weiblichen Dienstboten, so wird man nach allem, was wir über diese Dinge wissen, der Wahrheit ziemlich nahe kommen.
Nachdem wir nunmehr die Zusammensetzung der ge- samten Bevölkerung nach dem Berufe und damit die Grund- lage der wirtschaftlichen Bethätigung derselben kennen ge- lernt haben, werfen wir einen Blick auf das Resultat der- selben, die Vermögensverteilung.
Allerdings vermögen wir diese nicht direkt zu ermitteln; aber wir sind durch die in Frankfurt bestehende Vermögens- steuer, (Bede), für welche die Listen uns fast sämtlich er- halten sind, wenigstens in den Stand gesetzt, uns ein un- gefähres Bild derselben zu machen. Wählen wir nun eine dem Jahre 1440 nahe liegende, vollständig erhaltene Steuer- liste, diejenige von 1420, für unsere Betrachtung aus, so haben wir uns zuvörderst zu merken, daß die Steuer sich aus einem fixen Satz (Heerdschilling) von 12 Schilling (Mk. 4,20), den jede Haushaltung zahlen mußte und aus
kannte das Mittelalter nicht, oder doch nur in Geſtalt einer beſchränkten Zahl von Taglöhnern und Weinbergsarbeitern. Was die Zahl der fremden Handwerksgeſellen, Bauern- knechte und weiblichen Dienſtboten betrifft, ſo vermögen wir ſie aus einheimiſchen Quellen nicht zu beſtimmen. Ich habe ſie für 1440 auf 15—1600 Perſonen (nach Nürn- berger Muſter) angenommen, und vielleicht iſt das noch zu hoch. Wenn man im Durchſchnitt auf 3 Meiſter 2 fremde Geſellen und Lehrlinge rechnet und auf 2 Haushaltungen einen weiblichen Dienſtboten, ſo wird man nach allem, was wir über dieſe Dinge wiſſen, der Wahrheit ziemlich nahe kommen.
Nachdem wir nunmehr die Zuſammenſetzung der ge- ſamten Bevölkerung nach dem Berufe und damit die Grund- lage der wirtſchaftlichen Bethätigung derſelben kennen ge- lernt haben, werfen wir einen Blick auf das Reſultat der- ſelben, die Vermögensverteilung.
Allerdings vermögen wir dieſe nicht direkt zu ermitteln; aber wir ſind durch die in Frankfurt beſtehende Vermögens- ſteuer, (Bede), für welche die Liſten uns faſt ſämtlich er- halten ſind, wenigſtens in den Stand geſetzt, uns ein un- gefähres Bild derſelben zu machen. Wählen wir nun eine dem Jahre 1440 nahe liegende, vollſtändig erhaltene Steuer- liſte, diejenige von 1420, für unſere Betrachtung aus, ſo haben wir uns zuvörderſt zu merken, daß die Steuer ſich aus einem fixen Satz (Heerdſchilling) von 12 Schilling (Mk. 4,20), den jede Haushaltung zahlen mußte und aus
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kannte das Mittelalter nicht, oder doch nur in Geſtalt einer
beſchränkten Zahl von Taglöhnern und Weinbergsarbeitern.
Was die Zahl der fremden Handwerksgeſellen, Bauern-
knechte und weiblichen Dienſtboten betrifft, ſo vermögen
wir ſie aus einheimiſchen Quellen nicht zu beſtimmen. Ich
habe ſie für 1440 auf 15—1600 Perſonen (nach Nürn-
berger Muſter) angenommen, und vielleicht iſt das noch zu
hoch. Wenn man im Durchſchnitt auf 3 Meiſter 2 fremde
Geſellen und Lehrlinge rechnet und auf 2 Haushaltungen
einen weiblichen Dienſtboten, ſo wird man nach allem, was
wir über dieſe Dinge wiſſen, der Wahrheit ziemlich nahe
kommen.
Nachdem wir nunmehr die Zuſammenſetzung der ge-
ſamten Bevölkerung nach dem Berufe und damit die Grund-
lage der wirtſchaftlichen Bethätigung derſelben kennen ge-
lernt haben, werfen wir einen Blick auf das Reſultat der-
ſelben, die Vermögensverteilung.
Allerdings vermögen wir dieſe nicht direkt zu ermitteln;
aber wir ſind durch die in Frankfurt beſtehende Vermögens-
ſteuer, (Bede), für welche die Liſten uns faſt ſämtlich er-
halten ſind, wenigſtens in den Stand geſetzt, uns ein un-
gefähres Bild derſelben zu machen. Wählen wir nun eine
dem Jahre 1440 nahe liegende, vollſtändig erhaltene Steuer-
liſte, diejenige von 1420, für unſere Betrachtung aus, ſo
haben wir uns zuvörderſt zu merken, daß die Steuer ſich
aus einem fixen Satz (Heerdſchilling) von 12 Schilling
(Mk. 4,20), den jede Haushaltung zahlen mußte und aus
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Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/261>, abgerufen am 22.11.2024.
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