Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

von Gütern und Leistungen; aber allen fehlt das Cha-
rakteristische des tauschwirtschaftlichen Verkehrs: der spezielle
Rapport jeder einzelnen Leistung mit ihrer Gegenleistung
und die freie Selbstbestimmung der mit einander verkehren-
den Sonderwirtschaften.

So weit sich nun aber auch durch Eingliederung un-
freier oder höriger Arbeit die geschlossene Hauswirtschaft
entwickeln mag, eine völlige, für alle Zeiten ausreichende
Anpassung an das menschliche Bedarfsleben wird sie nicht
erreichen, nicht einmal in ihren höchsten Ausgestaltungen,
geschweige denn in ihren schwächeren Bildungen. Hier
werden Lücken der Bedarfsdeckung bleiben, dort werden
Ueberschüsse auftreten, die in der Wirtschaft, in welcher
sie entstanden sind, nicht konsumiert, qualifizierte Arbeits-
kräfte, die in ihr nicht völlig ausgenutzt werden können.

Daraus entspringen wieder neue Verkehrsvorgänge
eigener Art. Der Wirt, dem die Ernte mißraten ist, leiht
von dem Nachbar Korn und Stroh bis zur nächsten Ernte,
wo er den gleichen Betrag wiedergibt. Wer durch Brand
oder Viehsterben heimgesucht ist, wird von den anderen
unterstützt mit der stillen Voraussetzung, daß er ihnen im
gleichen Falle die gleiche Liebe erweisen werde. Wer einen
Sklaven von besonderer Geschicklichkeit hat, leiht ihn dem
Nachbar zur Aushülfe, wobei er von diesem beköstigt wird,
in ähnlicher Weise wie man von dem andern ein Pferd,
eine Kelter oder Leiter entlehnt. Es ist ein wechselseitiges

3 *

von Gütern und Leiſtungen; aber allen fehlt das Cha-
rakteriſtiſche des tauſchwirtſchaftlichen Verkehrs: der ſpezielle
Rapport jeder einzelnen Leiſtung mit ihrer Gegenleiſtung
und die freie Selbſtbeſtimmung der mit einander verkehren-
den Sonderwirtſchaften.

So weit ſich nun aber auch durch Eingliederung un-
freier oder höriger Arbeit die geſchloſſene Hauswirtſchaft
entwickeln mag, eine völlige, für alle Zeiten ausreichende
Anpaſſung an das menſchliche Bedarfsleben wird ſie nicht
erreichen, nicht einmal in ihren höchſten Ausgeſtaltungen,
geſchweige denn in ihren ſchwächeren Bildungen. Hier
werden Lücken der Bedarfsdeckung bleiben, dort werden
Ueberſchüſſe auftreten, die in der Wirtſchaft, in welcher
ſie entſtanden ſind, nicht konſumiert, qualifizierte Arbeits-
kräfte, die in ihr nicht völlig ausgenutzt werden können.

Daraus entſpringen wieder neue Verkehrsvorgänge
eigener Art. Der Wirt, dem die Ernte mißraten iſt, leiht
von dem Nachbar Korn und Stroh bis zur nächſten Ernte,
wo er den gleichen Betrag wiedergibt. Wer durch Brand
oder Viehſterben heimgeſucht iſt, wird von den anderen
unterſtützt mit der ſtillen Vorausſetzung, daß er ihnen im
gleichen Falle die gleiche Liebe erweiſen werde. Wer einen
Sklaven von beſonderer Geſchicklichkeit hat, leiht ihn dem
Nachbar zur Aushülfe, wobei er von dieſem beköſtigt wird,
in ähnlicher Weiſe wie man von dem andern ein Pferd,
eine Kelter oder Leiter entlehnt. Es iſt ein wechſelſeitiges

3 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0049" n="35"/>
von Gütern und Lei&#x017F;tungen; aber allen fehlt das Cha-<lb/>
rakteri&#x017F;ti&#x017F;che des tau&#x017F;chwirt&#x017F;chaftlichen Verkehrs: der &#x017F;pezielle<lb/>
Rapport jeder einzelnen Lei&#x017F;tung mit ihrer Gegenlei&#x017F;tung<lb/>
und die freie Selb&#x017F;tbe&#x017F;timmung der mit einander verkehren-<lb/>
den Sonderwirt&#x017F;chaften.</p><lb/>
          <p>So weit &#x017F;ich nun aber auch durch Eingliederung un-<lb/>
freier oder höriger Arbeit die ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Hauswirt&#x017F;chaft<lb/>
entwickeln mag, eine völlige, für alle Zeiten ausreichende<lb/>
Anpa&#x017F;&#x017F;ung an das men&#x017F;chliche Bedarfsleben wird &#x017F;ie nicht<lb/>
erreichen, nicht einmal in ihren höch&#x017F;ten Ausge&#x017F;taltungen,<lb/>
ge&#x017F;chweige denn in ihren &#x017F;chwächeren Bildungen. Hier<lb/>
werden Lücken der Bedarfsdeckung bleiben, dort werden<lb/>
Ueber&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;e auftreten, die in der Wirt&#x017F;chaft, in welcher<lb/>
&#x017F;ie ent&#x017F;tanden &#x017F;ind, nicht kon&#x017F;umiert, qualifizierte Arbeits-<lb/>
kräfte, die in ihr nicht völlig ausgenutzt werden können.</p><lb/>
          <p>Daraus ent&#x017F;pringen wieder neue Verkehrsvorgänge<lb/>
eigener Art. Der Wirt, dem die Ernte mißraten i&#x017F;t, leiht<lb/>
von dem Nachbar Korn und Stroh bis zur näch&#x017F;ten Ernte,<lb/>
wo er den gleichen Betrag wiedergibt. Wer durch Brand<lb/>
oder Vieh&#x017F;terben heimge&#x017F;ucht i&#x017F;t, wird von den anderen<lb/>
unter&#x017F;tützt mit der &#x017F;tillen Voraus&#x017F;etzung, daß er ihnen im<lb/>
gleichen Falle die gleiche Liebe erwei&#x017F;en werde. Wer einen<lb/>
Sklaven von be&#x017F;onderer Ge&#x017F;chicklichkeit hat, leiht ihn dem<lb/>
Nachbar zur Aushülfe, wobei er von die&#x017F;em bekö&#x017F;tigt wird,<lb/>
in ähnlicher Wei&#x017F;e wie man von dem andern ein Pferd,<lb/>
eine Kelter oder Leiter entlehnt. Es i&#x017F;t ein wech&#x017F;el&#x017F;eitiges<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3 *</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0049] von Gütern und Leiſtungen; aber allen fehlt das Cha- rakteriſtiſche des tauſchwirtſchaftlichen Verkehrs: der ſpezielle Rapport jeder einzelnen Leiſtung mit ihrer Gegenleiſtung und die freie Selbſtbeſtimmung der mit einander verkehren- den Sonderwirtſchaften. So weit ſich nun aber auch durch Eingliederung un- freier oder höriger Arbeit die geſchloſſene Hauswirtſchaft entwickeln mag, eine völlige, für alle Zeiten ausreichende Anpaſſung an das menſchliche Bedarfsleben wird ſie nicht erreichen, nicht einmal in ihren höchſten Ausgeſtaltungen, geſchweige denn in ihren ſchwächeren Bildungen. Hier werden Lücken der Bedarfsdeckung bleiben, dort werden Ueberſchüſſe auftreten, die in der Wirtſchaft, in welcher ſie entſtanden ſind, nicht konſumiert, qualifizierte Arbeits- kräfte, die in ihr nicht völlig ausgenutzt werden können. Daraus entſpringen wieder neue Verkehrsvorgänge eigener Art. Der Wirt, dem die Ernte mißraten iſt, leiht von dem Nachbar Korn und Stroh bis zur nächſten Ernte, wo er den gleichen Betrag wiedergibt. Wer durch Brand oder Viehſterben heimgeſucht iſt, wird von den anderen unterſtützt mit der ſtillen Vorausſetzung, daß er ihnen im gleichen Falle die gleiche Liebe erweiſen werde. Wer einen Sklaven von beſonderer Geſchicklichkeit hat, leiht ihn dem Nachbar zur Aushülfe, wobei er von dieſem beköſtigt wird, in ähnlicher Weiſe wie man von dem andern ein Pferd, eine Kelter oder Leiter entlehnt. Es iſt ein wechſelſeitiges 3 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/49
Zitationshilfe: Bücher, Karl: Die Entstehung der Volkswirtschaft. Sechs Vorträge. Tübingen, 1893, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buecher_volkswirtschaft_1893/49>, abgerufen am 21.11.2024.