Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835. Callot (zu Barrere). Wann kommst du wieder nach Clichy? Barrere. Wenn der Arzt nicht mehr zu mir kommt. Barrere (allein). Die Ungeheuer! -- "Es ist noch nicht lange genug, daß du den Tod wünschest!" Diese Worte hätten die Zunge müssen verdorren machen, die sie gesprochen. -- Und ich? -- Als die Septembri- seurs in die Gefängnisse drangen, faßt ein Gefan- gener sein Messer, er drängt sich unter die Mörder, er stößt es in die Brust eines Priesters, er ist gerettet! -- Wer kann was dawider haben? -- Ob ich nun unter die Mörder dränge, oder mich in den Wohlfahrts-Ausschuß setze, ob ich ein Guillotinen- oder ein Taschenmesser nehme? Es ist der näm- liche Fall, nur mit etwas verwickelteren Umständen, die Grundverhältnisse sind sich gleich. -- Und dürft' er Einen morden, dürft' er auch Zwei, auch Drei, auch noch mehr? wo hört das auf? da kommen die Gerstenkörner, machen zwei einen Haufen, dann Vier, wie viel dann? Komm, mein Gewissen, komm, mein Hühnchen, komm, da ist Futter. -- Doch -- war ich auch Gefangener? Verdäch- Callot (zu Barrère). Wann kommſt du wieder nach Clichy? Barrère. Wenn der Arzt nicht mehr zu mir kommt. Barrère (allein). Die Ungeheuer! — „Es iſt noch nicht lange genug, daß du den Tod wünſcheſt!“ Dieſe Worte hätten die Zunge müſſen verdorren machen, die ſie geſprochen. — Und ich? — Als die Septembri- ſeurs in die Gefängniſſe drangen, faßt ein Gefan- gener ſein Meſſer, er drängt ſich unter die Mörder, er ſtößt es in die Bruſt eines Prieſters, er iſt gerettet! — Wer kann was dawider haben? — Ob ich nun unter die Mörder dränge, oder mich in den Wohlfahrts-Ausſchuß ſetze, ob ich ein Guillotinen- oder ein Taſchenmeſſer nehme? Es iſt der näm- liche Fall, nur mit etwas verwickelteren Umſtänden, die Grundverhältniſſe ſind ſich gleich. — Und dürft’ er Einen morden, dürft’ er auch Zwei, auch Drei, auch noch mehr? wo hört das auf? da kommen die Gerſtenkörner, machen zwei einen Haufen, dann Vier, wie viel dann? Komm, mein Gewiſſen, komm, mein Hühnchen, komm, da iſt Futter. — Doch — war ich auch Gefangener? Verdäch- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0122" n="118"/> <sp who="#CAL"> <speaker> <hi rendition="#g">Callot</hi> </speaker> <stage>(zu Barr<hi rendition="#aq">è</hi>re).</stage><lb/> <p>Wann kommſt du wieder nach Clichy?</p> </sp><lb/> <sp who="#BAR"> <speaker><hi rendition="#g">Barr<hi rendition="#aq">è</hi>re</hi>.</speaker><lb/> <p>Wenn der Arzt nicht mehr zu mir kommt.</p> </sp><lb/> <sp who="#BAR"> <speaker> <hi rendition="#g">Barr<hi rendition="#aq">è</hi>re</hi> </speaker> <stage>(allein).</stage><lb/> <p>Die Ungeheuer! — „Es iſt noch nicht lange<lb/> genug, daß du den Tod wünſcheſt!“ Dieſe Worte<lb/> hätten die Zunge müſſen verdorren machen, die ſie<lb/> geſprochen. — Und ich? — Als die Septembri-<lb/> ſeurs in die Gefängniſſe drangen, faßt ein Gefan-<lb/> gener ſein Meſſer, er drängt ſich unter die Mörder,<lb/> er ſtößt es in die Bruſt eines Prieſters, er iſt<lb/> gerettet! — Wer kann was dawider haben? — Ob<lb/> ich nun unter die Mörder dränge, oder mich in den<lb/> Wohlfahrts-Ausſchuß ſetze, ob ich ein Guillotinen-<lb/> oder ein Taſchenmeſſer nehme? Es iſt der näm-<lb/> liche Fall, nur mit etwas verwickelteren Umſtänden,<lb/> die Grundverhältniſſe ſind ſich gleich. — Und dürft’<lb/> er Einen morden, dürft’ er auch Zwei, auch Drei,<lb/> auch noch mehr? wo hört das auf? da kommen<lb/> die Gerſtenkörner, machen zwei einen Haufen, dann<lb/> Vier, wie viel dann? Komm, mein Gewiſſen,<lb/> komm, mein Hühnchen, komm, da iſt Futter. —<lb/><hi rendition="#g">Doch</hi> — war ich auch Gefangener? Verdäch-<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0122]
Callot (zu Barrère).
Wann kommſt du wieder nach Clichy?
Barrère.
Wenn der Arzt nicht mehr zu mir kommt.
Barrère (allein).
Die Ungeheuer! — „Es iſt noch nicht lange
genug, daß du den Tod wünſcheſt!“ Dieſe Worte
hätten die Zunge müſſen verdorren machen, die ſie
geſprochen. — Und ich? — Als die Septembri-
ſeurs in die Gefängniſſe drangen, faßt ein Gefan-
gener ſein Meſſer, er drängt ſich unter die Mörder,
er ſtößt es in die Bruſt eines Prieſters, er iſt
gerettet! — Wer kann was dawider haben? — Ob
ich nun unter die Mörder dränge, oder mich in den
Wohlfahrts-Ausſchuß ſetze, ob ich ein Guillotinen-
oder ein Taſchenmeſſer nehme? Es iſt der näm-
liche Fall, nur mit etwas verwickelteren Umſtänden,
die Grundverhältniſſe ſind ſich gleich. — Und dürft’
er Einen morden, dürft’ er auch Zwei, auch Drei,
auch noch mehr? wo hört das auf? da kommen
die Gerſtenkörner, machen zwei einen Haufen, dann
Vier, wie viel dann? Komm, mein Gewiſſen,
komm, mein Hühnchen, komm, da iſt Futter. —
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