Büchner, Georg: Danton's Tod. Frankfurt (Main), 1835.Eine Gasse. Lucile. Es ist doch was wie Ernst daran. Ich will einmal nachdenken. Ich fange an, so was zu begrei- fen. Sterben -- Sterben --! -- Es darf ja Alles leben, Alles, die kleine Mücke da, der Vogel. Warum denn er nicht? Der Strom des Lebens müßte stocken, wenn nur der eine Tropfen verschüt- tet würde. Die Erde müßte eine Wunde bekom- men von dem Streich. -- Es regt sich Alles, die Uhren gehen, die Glocken schlagen, die Leute lau- fen, das Wasser rinnt, und so Alles weiter bis da, dahin! -- Nein, es darf nicht geschehen, nein, ich will mich auf den Boden setzen und schreien, daß erschrocken Alles stehn bleibt, Alles stockt, sich nichts mehr reget. (Sie setzt sich nieder, verhüllt sich die Augen und stößt einen Schrei aus. Nach einer Pause erhebt sie sich.) Das hilft nichts, das ist noch Alles wie sonst, die Häuser, die Gasse, der Wind geht, die Wolken ziehen. Wir müssen's wohl leiden. (Einige Weiber kommen die Gasse herunter.) Erstes Weib. Ein hübscher Mann, der Herault. Eine Gaſſe. Lucile. Es iſt doch was wie Ernſt daran. Ich will einmal nachdenken. Ich fange an, ſo was zu begrei- fen. Sterben — Sterben —! — Es darf ja Alles leben, Alles, die kleine Mücke da, der Vogel. Warum denn er nicht? Der Strom des Lebens müßte ſtocken, wenn nur der eine Tropfen verſchüt- tet würde. Die Erde müßte eine Wunde bekom- men von dem Streich. — Es regt ſich Alles, die Uhren gehen, die Glocken ſchlagen, die Leute lau- fen, das Waſſer rinnt, und ſo Alles weiter bis da, dahin! — Nein, es darf nicht geſchehen, nein, ich will mich auf den Boden ſetzen und ſchreien, daß erſchrocken Alles ſtehn bleibt, Alles ſtockt, ſich nichts mehr reget. (Sie ſetzt ſich nieder, verhüllt ſich die Augen und ſtößt einen Schrei aus. Nach einer Pauſe erhebt ſie ſich.) Das hilft nichts, das iſt noch Alles wie ſonſt, die Häuſer, die Gaſſe, der Wind geht, die Wolken ziehen. Wir müſſen’s wohl leiden. (Einige Weiber kommen die Gaſſe herunter.) Erſtes Weib. Ein hübſcher Mann, der Hérault. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0154" n="150"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Eine Gaſſe</hi>.</hi> </head><lb/> <sp who="#LUC"> <speaker><hi rendition="#g">Lucile</hi>.</speaker><lb/> <p>Es iſt doch was wie Ernſt daran. Ich will<lb/> einmal nachdenken. Ich fange an, ſo was zu begrei-<lb/> fen. Sterben — Sterben —! — Es darf ja<lb/> Alles leben, Alles, die kleine Mücke da, der Vogel.<lb/> Warum denn er nicht? Der Strom des Lebens<lb/> müßte ſtocken, wenn nur der eine Tropfen verſchüt-<lb/> tet würde. Die Erde müßte eine Wunde bekom-<lb/> men von dem Streich. — Es regt ſich Alles, die<lb/> Uhren gehen, die Glocken ſchlagen, die Leute lau-<lb/> fen, das Waſſer rinnt, und ſo Alles weiter bis da,<lb/> dahin! — Nein, es darf nicht geſchehen, nein, ich<lb/> will mich auf den Boden ſetzen und ſchreien, daß<lb/> erſchrocken Alles ſtehn bleibt, Alles ſtockt, ſich nichts<lb/> mehr reget. <stage>(Sie ſetzt ſich nieder, verhüllt ſich die<lb/> Augen und ſtößt einen Schrei aus. Nach einer Pauſe<lb/> erhebt ſie ſich.)</stage> Das hilft nichts, das iſt noch Alles<lb/> wie ſonſt, die Häuſer, die Gaſſe, der Wind geht,<lb/> die Wolken ziehen. Wir müſſen’s wohl leiden.</p><lb/> <stage>(Einige Weiber kommen die Gaſſe herunter.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#ERWEIB"> <speaker><hi rendition="#g">Erſtes Weib</hi>.</speaker><lb/> <p>Ein hübſcher Mann, der H<hi rendition="#aq">é</hi>rault.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [150/0154]
Eine Gaſſe.
Lucile.
Es iſt doch was wie Ernſt daran. Ich will
einmal nachdenken. Ich fange an, ſo was zu begrei-
fen. Sterben — Sterben —! — Es darf ja
Alles leben, Alles, die kleine Mücke da, der Vogel.
Warum denn er nicht? Der Strom des Lebens
müßte ſtocken, wenn nur der eine Tropfen verſchüt-
tet würde. Die Erde müßte eine Wunde bekom-
men von dem Streich. — Es regt ſich Alles, die
Uhren gehen, die Glocken ſchlagen, die Leute lau-
fen, das Waſſer rinnt, und ſo Alles weiter bis da,
dahin! — Nein, es darf nicht geſchehen, nein, ich
will mich auf den Boden ſetzen und ſchreien, daß
erſchrocken Alles ſtehn bleibt, Alles ſtockt, ſich nichts
mehr reget. (Sie ſetzt ſich nieder, verhüllt ſich die
Augen und ſtößt einen Schrei aus. Nach einer Pauſe
erhebt ſie ſich.) Das hilft nichts, das iſt noch Alles
wie ſonſt, die Häuſer, die Gaſſe, der Wind geht,
die Wolken ziehen. Wir müſſen’s wohl leiden.
(Einige Weiber kommen die Gaſſe herunter.)
Erſtes Weib.
Ein hübſcher Mann, der Hérault.
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