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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

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und es ist keine Aussicht vorhanden, daß man es jemals
im Stande sein werde. Ebensowenig existirt jene Grenze
zwischen Mensch und Thier, von welcher man so viel
reden hören muß, vielleicht weil die Redenden fürchten,
ihr eigner Verstand möge bei einer solchen Vergleichung
an Ansehen verlieren. Die Geologen berechnen das Alter
des Menschengeschlechts auf 80 -- 100 Tausend Jahre,
gleich dem Alter der s g. Alluvialschicht, auf der zuerst
menschliches Leben möglich wurde; dagegen existirt die
Geschichte menschlichen Daseins, also sein culturfähiger
Zustand, erst seit wenigen tausend Jahren. Welche Zeit
mußte demnach vergehen, bis der Mensch sich auf einen
solchen Punkt geistiger Höhe schwang, auf dem es ihm
Bedürfniß wurde, seine Erlebnisse seinen Nachkommen
traditionell mitzutheilen! und welches Recht haben wir,
den heutigen Culturmenschen, der auf der obersten Sprosse
einer hunderttausendjährigen Leiter steht, als ein Produkt
übernatürlicher Einwirkung zu citiren? Wenn wir an
seinen Ursprung zurückdenken, werden wir anders urtheilen.
Ohne Zweifel näherte sich der Mensch in jenen früheren
Perioden mehr den Thieren, als dem Bilde seines heutigen
Zustandes, und die ältesten ausgegrabenen Menschen-
schädel zeigen rohe, unentwickelte und thierähnliche For-
men. -- Wollte man dennoch, entgegen allem naturphi-
losophischem Verstand, annehmen, es habe die unmittelbare
Hand des Schöpfers selbst diese Vorgänge überall und

und es iſt keine Ausſicht vorhanden, daß man es jemals
im Stande ſein werde. Ebenſowenig exiſtirt jene Grenze
zwiſchen Menſch und Thier, von welcher man ſo viel
reden hören muß, vielleicht weil die Redenden fürchten,
ihr eigner Verſtand möge bei einer ſolchen Vergleichung
an Anſehen verlieren. Die Geologen berechnen das Alter
des Menſchengeſchlechts auf 80 — 100 Tauſend Jahre,
gleich dem Alter der ſ g. Alluvialſchicht, auf der zuerſt
menſchliches Leben möglich wurde; dagegen exiſtirt die
Geſchichte menſchlichen Daſeins, alſo ſein culturfähiger
Zuſtand, erſt ſeit wenigen tauſend Jahren. Welche Zeit
mußte demnach vergehen, bis der Menſch ſich auf einen
ſolchen Punkt geiſtiger Höhe ſchwang, auf dem es ihm
Bedürfniß wurde, ſeine Erlebniſſe ſeinen Nachkommen
traditionell mitzutheilen! und welches Recht haben wir,
den heutigen Culturmenſchen, der auf der oberſten Sproſſe
einer hunderttauſendjährigen Leiter ſteht, als ein Produkt
übernatürlicher Einwirkung zu citiren? Wenn wir an
ſeinen Urſprung zurückdenken, werden wir anders urtheilen.
Ohne Zweifel näherte ſich der Menſch in jenen früheren
Perioden mehr den Thieren, als dem Bilde ſeines heutigen
Zuſtandes, und die älteſten ausgegrabenen Menſchen-
ſchädel zeigen rohe, unentwickelte und thierähnliche For-
men. — Wollte man dennoch, entgegen allem naturphi-
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[91/0111] und es iſt keine Ausſicht vorhanden, daß man es jemals im Stande ſein werde. Ebenſowenig exiſtirt jene Grenze zwiſchen Menſch und Thier, von welcher man ſo viel reden hören muß, vielleicht weil die Redenden fürchten, ihr eigner Verſtand möge bei einer ſolchen Vergleichung an Anſehen verlieren. Die Geologen berechnen das Alter des Menſchengeſchlechts auf 80 — 100 Tauſend Jahre, gleich dem Alter der ſ g. Alluvialſchicht, auf der zuerſt menſchliches Leben möglich wurde; dagegen exiſtirt die Geſchichte menſchlichen Daſeins, alſo ſein culturfähiger Zuſtand, erſt ſeit wenigen tauſend Jahren. Welche Zeit mußte demnach vergehen, bis der Menſch ſich auf einen ſolchen Punkt geiſtiger Höhe ſchwang, auf dem es ihm Bedürfniß wurde, ſeine Erlebniſſe ſeinen Nachkommen traditionell mitzutheilen! und welches Recht haben wir, den heutigen Culturmenſchen, der auf der oberſten Sproſſe einer hunderttauſendjährigen Leiter ſteht, als ein Produkt übernatürlicher Einwirkung zu citiren? Wenn wir an ſeinen Urſprung zurückdenken, werden wir anders urtheilen. Ohne Zweifel näherte ſich der Menſch in jenen früheren Perioden mehr den Thieren, als dem Bilde ſeines heutigen Zuſtandes, und die älteſten ausgegrabenen Menſchen- ſchädel zeigen rohe, unentwickelte und thierähnliche For- men. — Wollte man dennoch, entgegen allem naturphi- loſophiſchem Verſtand, annehmen, es habe die unmittelbare Hand des Schöpfers ſelbſt dieſe Vorgänge überall und

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Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/111>, abgerufen am 21.11.2024.