wenn sie dieses thun würden. Ja, unser Verstand hat es nicht einmal nöthig, sich an der Wirklichkeit ge- nügen zu lassen. Welche natürliche Einrichtung gäbe es, welche er sich nicht in einer oder der anderen Hinsicht noch zweckentsprechender vorstellen könnte? Wir staunen heute die Naturwesen an und denken nicht daran, welche unendliche Menge anderer Formen, Gestalten, Einrich- tungen und Zweckmäßigkeiten im Schooße der Natur geschlummert hat, schlummert und schlummern wird. Es hängt von einem Zufall ab, ob sie ihr Dasein erreichen oder nicht. Sind uns nicht großartige Thier- und Pflanzengestalten, die wir nur aus ihren vorweltlichen Resten kennen, längst verloren gegangen? Wird nicht vielleicht in späterer Zukunft diese ganze schöne zweck- mäßig eingerichtete Natur einer Weltrevolution unter- liegen, und wird es dann nicht vielleicht abermals einer halben Ewigkeit bedürfen, bis diese oder andere schlum- mernde Daseinsformen aus dem Weltenschlamme sich entwickelt haben? -- Eine Menge uns zweckmäßig er- scheinender Einrichtungen in der Natur sind nichts an- deres, als die Folge der Einwirkung äußerer natürlicher Verhältnisse und Lebensbedingungen auf entstehende oder entstandene Naturwesen, einer Einwirkung, von welcher niemals zu vergessen ist, daß sie Millionen Jahre zur Verfügung hatte, um sich geltend zu machen. Was wollen dagegen die Erfahrungen der kurzen Spanne
wenn ſie dieſes thun würden. Ja, unſer Verſtand hat es nicht einmal nöthig, ſich an der Wirklichkeit ge- nügen zu laſſen. Welche natürliche Einrichtung gäbe es, welche er ſich nicht in einer oder der anderen Hinſicht noch zweckentſprechender vorſtellen könnte? Wir ſtaunen heute die Naturweſen an und denken nicht daran, welche unendliche Menge anderer Formen, Geſtalten, Einrich- tungen und Zweckmäßigkeiten im Schooße der Natur geſchlummert hat, ſchlummert und ſchlummern wird. Es hängt von einem Zufall ab, ob ſie ihr Daſein erreichen oder nicht. Sind uns nicht großartige Thier- und Pflanzengeſtalten, die wir nur aus ihren vorweltlichen Reſten kennen, längſt verloren gegangen? Wird nicht vielleicht in ſpäterer Zukunft dieſe ganze ſchöne zweck- mäßig eingerichtete Natur einer Weltrevolution unter- liegen, und wird es dann nicht vielleicht abermals einer halben Ewigkeit bedürfen, bis dieſe oder andere ſchlum- mernde Daſeinsformen aus dem Weltenſchlamme ſich entwickelt haben? — Eine Menge uns zweckmäßig er- ſcheinender Einrichtungen in der Natur ſind nichts an- deres, als die Folge der Einwirkung äußerer natürlicher Verhältniſſe und Lebensbedingungen auf entſtehende oder entſtandene Naturweſen, einer Einwirkung, von welcher niemals zu vergeſſen iſt, daß ſie Millionen Jahre zur Verfügung hatte, um ſich geltend zu machen. Was wollen dagegen die Erfahrungen der kurzen Spanne
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wenn ſie dieſes thun würden. Ja, unſer Verſtand hat
es nicht einmal nöthig, ſich an der Wirklichkeit ge-
nügen zu laſſen. Welche natürliche Einrichtung gäbe es,
welche er ſich nicht in einer oder der anderen Hinſicht
noch zweckentſprechender vorſtellen könnte? Wir ſtaunen
heute die Naturweſen an und denken nicht daran, welche
unendliche Menge anderer Formen, Geſtalten, Einrich-
tungen und Zweckmäßigkeiten im Schooße der Natur
geſchlummert hat, ſchlummert und ſchlummern wird. Es
hängt von einem Zufall ab, ob ſie ihr Daſein erreichen
oder nicht. Sind uns nicht großartige Thier- und
Pflanzengeſtalten, die wir nur aus ihren vorweltlichen
Reſten kennen, längſt verloren gegangen? Wird nicht
vielleicht in ſpäterer Zukunft dieſe ganze ſchöne zweck-
mäßig eingerichtete Natur einer Weltrevolution unter-
liegen, und wird es dann nicht vielleicht abermals einer
halben Ewigkeit bedürfen, bis dieſe oder andere ſchlum-
mernde Daſeinsformen aus dem Weltenſchlamme ſich
entwickelt haben? — Eine Menge uns zweckmäßig er-
ſcheinender Einrichtungen in der Natur ſind nichts an-
deres, als die Folge der Einwirkung äußerer natürlicher
Verhältniſſe und Lebensbedingungen auf entſtehende oder
entſtandene Naturweſen, einer Einwirkung, von welcher
niemals zu vergeſſen iſt, daß ſie Millionen Jahre zur
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/116>, abgerufen am 24.11.2024.
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