Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

stehenden am wenigsten, wie Amphibien und Fische.
Dieses Gesetz der stufenweisen Entwicklung des Gehirns
durch die Thierreihe in aufsteigender Linie ist ein zu
sichtbares und durchgreifendes, als daß es abgeleugnet
oder durch einzelne scheinbar widersprechende Thatsachen
erschüttert oder in seinem Werthe geschmälert werden
könnte. Solche einzelne scheinbare Ausnahmen beruhen
nicht selten auf falscher Beobachtung, anderemal auf
verkehrter Deutung oder Anwendung des Beobachteten.
Namentlich denkt man häufig nicht daran, daß es bei
der geistigen Werthbestimmung eines Gehirns nicht bloß
auf Größe und Gewicht, sondern auf die ganze materielle
Organisation desselben, also auch auf Form, Struktur,
auf die Beschaffenheit der Windungen und auf chemische
Zusammensetzung ankommen kann und muß. Es ist als-
dann möglich, daß eine scheinbare Anomalie in einer
Richtung durch eine compensirende Entwicklung in ande-
rer Richtung ausgeglichen wird. Bestimmte Forschungen
in dieser Richtung sind leider noch wenige gemacht. Doch
hat derselbe Bibra einige vergleichende Untersuchungen
über chemische Composition der Gehirne verschiedener
Thiere angestellt. Als Resultat aus diesen Untersuchungen
geht hervor, daß die Gehirne höher stehender Thiere
durchschnittlich mehr Fett und damit auch mehr Phos-
phor
(welcher bekanntlich an die Gehirnfette gebunden
ist) enthalten, als die Gehirne niederer Thiere. Beim

ſtehenden am wenigſten, wie Amphibien und Fiſche.
Dieſes Geſetz der ſtufenweiſen Entwicklung des Gehirns
durch die Thierreihe in aufſteigender Linie iſt ein zu
ſichtbares und durchgreifendes, als daß es abgeleugnet
oder durch einzelne ſcheinbar widerſprechende Thatſachen
erſchüttert oder in ſeinem Werthe geſchmälert werden
könnte. Solche einzelne ſcheinbare Ausnahmen beruhen
nicht ſelten auf falſcher Beobachtung, anderemal auf
verkehrter Deutung oder Anwendung des Beobachteten.
Namentlich denkt man häufig nicht daran, daß es bei
der geiſtigen Werthbeſtimmung eines Gehirns nicht bloß
auf Größe und Gewicht, ſondern auf die ganze materielle
Organiſation deſſelben, alſo auch auf Form, Struktur,
auf die Beſchaffenheit der Windungen und auf chemiſche
Zuſammenſetzung ankommen kann und muß. Es iſt als-
dann möglich, daß eine ſcheinbare Anomalie in einer
Richtung durch eine compenſirende Entwicklung in ande-
rer Richtung ausgeglichen wird. Beſtimmte Forſchungen
in dieſer Richtung ſind leider noch wenige gemacht. Doch
hat derſelbe Bibra einige vergleichende Unterſuchungen
über chemiſche Compoſition der Gehirne verſchiedener
Thiere angeſtellt. Als Reſultat aus dieſen Unterſuchungen
geht hervor, daß die Gehirne höher ſtehender Thiere
durchſchnittlich mehr Fett und damit auch mehr Phos-
phor
(welcher bekanntlich an die Gehirnfette gebunden
iſt) enthalten, als die Gehirne niederer Thiere. Beim

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0141" n="121"/>
&#x017F;tehenden am wenig&#x017F;ten, wie Amphibien und Fi&#x017F;che.<lb/>
Die&#x017F;es Ge&#x017F;etz der &#x017F;tufenwei&#x017F;en Entwicklung des Gehirns<lb/>
durch die Thierreihe in auf&#x017F;teigender Linie i&#x017F;t ein zu<lb/>
&#x017F;ichtbares und durchgreifendes, als daß es abgeleugnet<lb/>
oder durch einzelne &#x017F;cheinbar wider&#x017F;prechende That&#x017F;achen<lb/>
er&#x017F;chüttert oder in &#x017F;einem Werthe ge&#x017F;chmälert werden<lb/>
könnte. Solche einzelne &#x017F;cheinbare Ausnahmen beruhen<lb/>
nicht &#x017F;elten auf fal&#x017F;cher Beobachtung, anderemal auf<lb/>
verkehrter Deutung oder Anwendung des Beobachteten.<lb/>
Namentlich denkt man häufig nicht daran, daß es bei<lb/>
der gei&#x017F;tigen Werthbe&#x017F;timmung eines Gehirns nicht <hi rendition="#g">bloß</hi><lb/>
auf Größe und Gewicht, &#x017F;ondern auf die ganze materielle<lb/>
Organi&#x017F;ation de&#x017F;&#x017F;elben, al&#x017F;o auch auf Form, Struktur,<lb/>
auf die Be&#x017F;chaffenheit der Windungen und auf chemi&#x017F;che<lb/>
Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung ankommen kann und muß. Es i&#x017F;t als-<lb/>
dann möglich, daß eine &#x017F;cheinbare Anomalie in <hi rendition="#g">einer</hi><lb/>
Richtung durch eine compen&#x017F;irende Entwicklung in ande-<lb/>
rer Richtung ausgeglichen wird. Be&#x017F;timmte For&#x017F;chungen<lb/>
in die&#x017F;er Richtung &#x017F;ind leider noch wenige gemacht. Doch<lb/>
hat der&#x017F;elbe <hi rendition="#g">Bibra</hi> einige vergleichende Unter&#x017F;uchungen<lb/>
über chemi&#x017F;che Compo&#x017F;ition der Gehirne ver&#x017F;chiedener<lb/>
Thiere ange&#x017F;tellt. Als Re&#x017F;ultat aus die&#x017F;en Unter&#x017F;uchungen<lb/>
geht hervor, daß die Gehirne höher &#x017F;tehender Thiere<lb/>
durch&#x017F;chnittlich mehr <hi rendition="#g">Fett</hi> und damit auch mehr <hi rendition="#g">Phos-<lb/>
phor</hi> (welcher bekanntlich an die Gehirnfette gebunden<lb/>
i&#x017F;t) enthalten, als die Gehirne niederer Thiere. Beim<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0141] ſtehenden am wenigſten, wie Amphibien und Fiſche. Dieſes Geſetz der ſtufenweiſen Entwicklung des Gehirns durch die Thierreihe in aufſteigender Linie iſt ein zu ſichtbares und durchgreifendes, als daß es abgeleugnet oder durch einzelne ſcheinbar widerſprechende Thatſachen erſchüttert oder in ſeinem Werthe geſchmälert werden könnte. Solche einzelne ſcheinbare Ausnahmen beruhen nicht ſelten auf falſcher Beobachtung, anderemal auf verkehrter Deutung oder Anwendung des Beobachteten. Namentlich denkt man häufig nicht daran, daß es bei der geiſtigen Werthbeſtimmung eines Gehirns nicht bloß auf Größe und Gewicht, ſondern auf die ganze materielle Organiſation deſſelben, alſo auch auf Form, Struktur, auf die Beſchaffenheit der Windungen und auf chemiſche Zuſammenſetzung ankommen kann und muß. Es iſt als- dann möglich, daß eine ſcheinbare Anomalie in einer Richtung durch eine compenſirende Entwicklung in ande- rer Richtung ausgeglichen wird. Beſtimmte Forſchungen in dieſer Richtung ſind leider noch wenige gemacht. Doch hat derſelbe Bibra einige vergleichende Unterſuchungen über chemiſche Compoſition der Gehirne verſchiedener Thiere angeſtellt. Als Reſultat aus dieſen Unterſuchungen geht hervor, daß die Gehirne höher ſtehender Thiere durchſchnittlich mehr Fett und damit auch mehr Phos- phor (welcher bekanntlich an die Gehirnfette gebunden iſt) enthalten, als die Gehirne niederer Thiere. Beim

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/141
Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/141>, abgerufen am 21.11.2024.