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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

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Hören wir zuletzt die ebenso schönen als treffenden
Worte, welche ein italiänischer Philosoph, Pompo-
natius,
der zu Anfang des 16. Jahrhunderts lebte,
über diesen Gegenstand äußert: "Will man die Fort-
dauer des Jndividuums annehmen, so muß man vor
Allem den Beweis führen, wie die Seele existiren könne,
ohne den Körper als Subjekt oder Objekt ihrer Thätig-
keit zu bedürfen. Ohne Anschauungen vermögen wir
nichts zu denken; diese aber hängen von der Körperlich-
keit und ihren Organen ab. Das Denken an sich ist
ewig und immateriell, das menschliche jedoch ist mit
den Sinnen verbunden, erkennt das Allgemeine nur
im Besonderen, ist niemals anschauungslos und nie-
mals zeitlos, da seine Vorstellungen nach einander kom-
men und gehen. Darum ist unsere Seele in der That
sterblich, da weder das Bewußtsein bleibt, noch die Er-
innerung." -- "Die Tugend ist doch viel reiner, welche
um ihrer selbst willen geübt wird, als um Lohn. Doch
sind diejenigen Politiker nicht gerade zu tadeln, welche
um des allgemeinen Besten willen die Unsterblichkeit der
Seele lehren lassen, damit die Schwachen und Schlech-
ten wenigstens aus Furcht und Hoffnung auf dem rech-
ten Wege gehen, den edle, freie Gemüther aus Lust
und Liebe einschlagen. Denn das ist geradezu
erlogen, daß nur verworfene Gelehrte die
Unsterblichkeit geleugnet und alle achtbaren

Hören wir zuletzt die ebenſo ſchönen als treffenden
Worte, welche ein italiäniſcher Philoſoph, Pompo-
natius,
der zu Anfang des 16. Jahrhunderts lebte,
über dieſen Gegenſtand äußert: „Will man die Fort-
dauer des Jndividuums annehmen, ſo muß man vor
Allem den Beweis führen, wie die Seele exiſtiren könne,
ohne den Körper als Subjekt oder Objekt ihrer Thätig-
keit zu bedürfen. Ohne Anſchauungen vermögen wir
nichts zu denken; dieſe aber hängen von der Körperlich-
keit und ihren Organen ab. Das Denken an ſich iſt
ewig und immateriell, das menſchliche jedoch iſt mit
den Sinnen verbunden, erkennt das Allgemeine nur
im Beſonderen, iſt niemals anſchauungslos und nie-
mals zeitlos, da ſeine Vorſtellungen nach einander kom-
men und gehen. Darum iſt unſere Seele in der That
ſterblich, da weder das Bewußtſein bleibt, noch die Er-
innerung.‟ — „Die Tugend iſt doch viel reiner, welche
um ihrer ſelbſt willen geübt wird, als um Lohn. Doch
ſind diejenigen Politiker nicht gerade zu tadeln, welche
um des allgemeinen Beſten willen die Unſterblichkeit der
Seele lehren laſſen, damit die Schwachen und Schlech-
ten wenigſtens aus Furcht und Hoffnung auf dem rech-
ten Wege gehen, den edle, freie Gemüther aus Luſt
und Liebe einſchlagen. Denn das iſt geradezu
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[213/0233] Hören wir zuletzt die ebenſo ſchönen als treffenden Worte, welche ein italiäniſcher Philoſoph, Pompo- natius, der zu Anfang des 16. Jahrhunderts lebte, über dieſen Gegenſtand äußert: „Will man die Fort- dauer des Jndividuums annehmen, ſo muß man vor Allem den Beweis führen, wie die Seele exiſtiren könne, ohne den Körper als Subjekt oder Objekt ihrer Thätig- keit zu bedürfen. Ohne Anſchauungen vermögen wir nichts zu denken; dieſe aber hängen von der Körperlich- keit und ihren Organen ab. Das Denken an ſich iſt ewig und immateriell, das menſchliche jedoch iſt mit den Sinnen verbunden, erkennt das Allgemeine nur im Beſonderen, iſt niemals anſchauungslos und nie- mals zeitlos, da ſeine Vorſtellungen nach einander kom- men und gehen. Darum iſt unſere Seele in der That ſterblich, da weder das Bewußtſein bleibt, noch die Er- innerung.‟ — „Die Tugend iſt doch viel reiner, welche um ihrer ſelbſt willen geübt wird, als um Lohn. Doch ſind diejenigen Politiker nicht gerade zu tadeln, welche um des allgemeinen Beſten willen die Unſterblichkeit der Seele lehren laſſen, damit die Schwachen und Schlech- ten wenigſtens aus Furcht und Hoffnung auf dem rech- ten Wege gehen, den edle, freie Gemüther aus Luſt und Liebe einſchlagen. Denn das iſt geradezu erlogen, daß nur verworfene Gelehrte die Unſterblichkeit geleugnet und alle achtbaren

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Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/233>, abgerufen am 21.11.2024.