große Männer, bewunderungswürdige Charaktere in Menge auf, welche die Geschichte mit ihrem Ruhme füllen; in kleinen, stagnirenden Zeitperioden scheint jeder Geist erstorben, jede Großthat unmöglich. -- Wilden, culturlosen Völkern gehen in der Regel alle moralischen Eigenschaften gänzlich ab. Kinder, welche allein in der Wildniß aufgewachsen sind, kennen, wie das Thier, nur einen Trieb, den sie auf jede mögliche Weise zu befrie- digen suchen -- den Nahrungstrieb.
So ist der Mensch ein Produkt, eine Summe natür- licher körperlicher Anlagen und äußerer Einwirkungen sowohl in seinem ganzen geistigen Wesen, als auch in jedem einzelnen Moment seines Handelns. Wenn ein gutgearteter, friedliebender Mann (und dieser Fall ist leider zu oft vorgekommen) eine Frau, die ihm das Leben zur Hölle macht und die er in Folge mangelhafter Ehescheidungsgesetze nicht los werden kann, im Ueber- maß seiner Empfindung erschlägt, indem er selbst das Leben in solcher Gesellschaft verabscheut -- wie viel Schuld haben alsdann an einer solchen That der freie Wille, wie viel dagegen die Umstände! Die größte Mehrzahl aller Verbrechen gegen Staat oder Gesellschaft entspringt nachweisbar aus Affekt oder aus Unkenntniß, als Aus- fluß mangelhafter Bildung oder dürftiger Ueberlegungs- kraft u. s. w. Der Gebildete findet Mittel und Wege, um irgend einem ihm unerträglichen Verhältniß zu be-
große Männer, bewunderungswürdige Charaktere in Menge auf, welche die Geſchichte mit ihrem Ruhme füllen; in kleinen, ſtagnirenden Zeitperioden ſcheint jeder Geiſt erſtorben, jede Großthat unmöglich. — Wilden, culturloſen Völkern gehen in der Regel alle moraliſchen Eigenſchaften gänzlich ab. Kinder, welche allein in der Wildniß aufgewachſen ſind, kennen, wie das Thier, nur einen Trieb, den ſie auf jede mögliche Weiſe zu befrie- digen ſuchen — den Nahrungstrieb.
So iſt der Menſch ein Produkt, eine Summe natür- licher körperlicher Anlagen und äußerer Einwirkungen ſowohl in ſeinem ganzen geiſtigen Weſen, als auch in jedem einzelnen Moment ſeines Handelns. Wenn ein gutgearteter, friedliebender Mann (und dieſer Fall iſt leider zu oft vorgekommen) eine Frau, die ihm das Leben zur Hölle macht und die er in Folge mangelhafter Eheſcheidungsgeſetze nicht los werden kann, im Ueber- maß ſeiner Empfindung erſchlägt, indem er ſelbſt das Leben in ſolcher Geſellſchaft verabſcheut — wie viel Schuld haben alsdann an einer ſolchen That der freie Wille, wie viel dagegen die Umſtände! Die größte Mehrzahl aller Verbrechen gegen Staat oder Geſellſchaft entſpringt nachweisbar aus Affekt oder aus Unkenntniß, als Aus- fluß mangelhafter Bildung oder dürftiger Ueberlegungs- kraft u. ſ. w. Der Gebildete findet Mittel und Wege, um irgend einem ihm unerträglichen Verhältniß zu be-
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große Männer, bewunderungswürdige Charaktere in
Menge auf, welche die Geſchichte mit ihrem Ruhme
füllen; in kleinen, ſtagnirenden Zeitperioden ſcheint jeder
Geiſt erſtorben, jede Großthat unmöglich. — Wilden,
culturloſen Völkern gehen in der Regel alle moraliſchen
Eigenſchaften gänzlich ab. Kinder, welche allein in der
Wildniß aufgewachſen ſind, kennen, wie das Thier, nur
einen Trieb, den ſie auf jede mögliche Weiſe zu befrie-
digen ſuchen — den Nahrungstrieb.
So iſt der Menſch ein Produkt, eine Summe natür-
licher körperlicher Anlagen und äußerer Einwirkungen
ſowohl in ſeinem ganzen geiſtigen Weſen, als auch in
jedem einzelnen Moment ſeines Handelns. Wenn ein
gutgearteter, friedliebender Mann (und dieſer Fall iſt
leider zu oft vorgekommen) eine Frau, die ihm das
Leben zur Hölle macht und die er in Folge mangelhafter
Eheſcheidungsgeſetze nicht los werden kann, im Ueber-
maß ſeiner Empfindung erſchlägt, indem er ſelbſt das
Leben in ſolcher Geſellſchaft verabſcheut — wie viel Schuld
haben alsdann an einer ſolchen That der freie Wille,
wie viel dagegen die Umſtände! Die größte Mehrzahl
aller Verbrechen gegen Staat oder Geſellſchaft entſpringt
nachweisbar aus Affekt oder aus Unkenntniß, als Aus-
fluß mangelhafter Bildung oder dürftiger Ueberlegungs-
kraft u. ſ. w. Der Gebildete findet Mittel und Wege,
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Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/275>, abgerufen am 24.11.2024.
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