Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

positiv beantworten zu können; aber dazu wird es
eben nie ausreichen. Dagegen reicht es mehr als voll-
kommen aus, um sie negativ zu beantworten und die
Hypothese zu verbannen. Wer die Hypothese auf natur-
wissenschaftlichem Gebiete bekämpft, muß sie auch auf
philosophischem bekämpfen. Die Hypothese kann be-
haupten, daß Sein und Denken einmal getrennt waren;
die Empirie kennt nur ihre Unzertrennlichkeit. --

Bedauern wird es gewiß Jeder, der die Verhältnisse
kennt, mit uns, daß gerade ein Mann, dem die exakte
Naturforschung nicht wenig Dank schuldet, sich, ange-
stachelt von einer krankhaften Empfindlichkeit, versucht
fühlen konnte, vor Kurzem öffentlich und unaufgefordert
der mechanischen und materiellen Naturanschauung den
Fehdehandschuh entgegenzuwerfen. Freilich geschah es
in einer Weise, welche dem Muthe der Verzweiflung
eigen zu sein pflegt; denn durch positives Wissen hin-
länglich befähigt, die machtlose Stellung des Jdealismus
einzusehen, begann er selbst mit dem Geständniß, daß
aller Widerstand gegen den immer näher und drohender
heranrückenden Feind vorerst vergeblich sein werde. Aber
nicht mit Thatsachen suchte er seinen unsichtbaren und
und ihm doch so furchtbaren Gegner zu bekämpfen -- es
konnte ihm ja nicht unbekannt sein, daß dem Jdealismus
keine Thatsachen zu Gebote stehen -- sondern durch eine
Wendung, welche man im gewöhnlichen Leben einen

poſitiv beantworten zu können; aber dazu wird es
eben nie ausreichen. Dagegen reicht es mehr als voll-
kommen aus, um ſie negativ zu beantworten und die
Hypotheſe zu verbannen. Wer die Hypotheſe auf natur-
wiſſenſchaftlichem Gebiete bekämpft, muß ſie auch auf
philoſophiſchem bekämpfen. Die Hypotheſe kann be-
haupten, daß Sein und Denken einmal getrennt waren;
die Empirie kennt nur ihre Unzertrennlichkeit. —

Bedauern wird es gewiß Jeder, der die Verhältniſſe
kennt, mit uns, daß gerade ein Mann, dem die exakte
Naturforſchung nicht wenig Dank ſchuldet, ſich, ange-
ſtachelt von einer krankhaften Empfindlichkeit, verſucht
fühlen konnte, vor Kurzem öffentlich und unaufgefordert
der mechaniſchen und materiellen Naturanſchauung den
Fehdehandſchuh entgegenzuwerfen. Freilich geſchah es
in einer Weiſe, welche dem Muthe der Verzweiflung
eigen zu ſein pflegt; denn durch poſitives Wiſſen hin-
länglich befähigt, die machtloſe Stellung des Jdealismus
einzuſehen, begann er ſelbſt mit dem Geſtändniß, daß
aller Widerſtand gegen den immer näher und drohender
heranrückenden Feind vorerſt vergeblich ſein werde. Aber
nicht mit Thatſachen ſuchte er ſeinen unſichtbaren und
und ihm doch ſo furchtbaren Gegner zu bekämpfen — es
konnte ihm ja nicht unbekannt ſein, daß dem Jdealismus
keine Thatſachen zu Gebote ſtehen — ſondern durch eine
Wendung, welche man im gewöhnlichen Leben einen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0283" n="263"/><hi rendition="#g">po&#x017F;itiv</hi> beantworten zu können; aber dazu wird es<lb/>
eben <hi rendition="#g">nie</hi> ausreichen. Dagegen reicht es mehr als voll-<lb/>
kommen aus, um &#x017F;ie <hi rendition="#g">negativ</hi> zu beantworten und die<lb/>
Hypothe&#x017F;e zu verbannen. Wer die Hypothe&#x017F;e auf natur-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichem Gebiete bekämpft, muß &#x017F;ie auch auf<lb/>
philo&#x017F;ophi&#x017F;chem bekämpfen. Die Hypothe&#x017F;e kann be-<lb/>
haupten, daß Sein und Denken einmal getrennt waren;<lb/>
die Empirie kennt nur ihre Unzertrennlichkeit. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Bedauern wird es gewiß Jeder, der die Verhältni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
kennt, mit uns, daß gerade ein Mann, dem die exakte<lb/>
Naturfor&#x017F;chung nicht wenig Dank &#x017F;chuldet, &#x017F;ich, ange-<lb/>
&#x017F;tachelt von einer krankhaften Empfindlichkeit, ver&#x017F;ucht<lb/>
fühlen konnte, vor Kurzem öffentlich und unaufgefordert<lb/>
der mechani&#x017F;chen und materiellen Naturan&#x017F;chauung den<lb/>
Fehdehand&#x017F;chuh entgegenzuwerfen. Freilich ge&#x017F;chah es<lb/>
in einer Wei&#x017F;e, welche dem Muthe der Verzweiflung<lb/>
eigen zu &#x017F;ein pflegt; denn durch po&#x017F;itives Wi&#x017F;&#x017F;en hin-<lb/>
länglich befähigt, die machtlo&#x017F;e Stellung des Jdealismus<lb/>
einzu&#x017F;ehen, begann er &#x017F;elb&#x017F;t mit dem Ge&#x017F;tändniß, daß<lb/>
aller Wider&#x017F;tand gegen den immer näher und drohender<lb/>
heranrückenden Feind vorer&#x017F;t vergeblich &#x017F;ein werde. Aber<lb/>
nicht mit That&#x017F;achen &#x017F;uchte er &#x017F;einen un&#x017F;ichtbaren und<lb/>
und ihm doch &#x017F;o furchtbaren Gegner zu bekämpfen &#x2014; es<lb/>
konnte ihm ja nicht unbekannt &#x017F;ein, daß dem Jdealismus<lb/>
keine That&#x017F;achen zu Gebote &#x017F;tehen &#x2014; &#x017F;ondern durch eine<lb/>
Wendung, welche man im gewöhnlichen Leben einen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0283] poſitiv beantworten zu können; aber dazu wird es eben nie ausreichen. Dagegen reicht es mehr als voll- kommen aus, um ſie negativ zu beantworten und die Hypotheſe zu verbannen. Wer die Hypotheſe auf natur- wiſſenſchaftlichem Gebiete bekämpft, muß ſie auch auf philoſophiſchem bekämpfen. Die Hypotheſe kann be- haupten, daß Sein und Denken einmal getrennt waren; die Empirie kennt nur ihre Unzertrennlichkeit. — Bedauern wird es gewiß Jeder, der die Verhältniſſe kennt, mit uns, daß gerade ein Mann, dem die exakte Naturforſchung nicht wenig Dank ſchuldet, ſich, ange- ſtachelt von einer krankhaften Empfindlichkeit, verſucht fühlen konnte, vor Kurzem öffentlich und unaufgefordert der mechaniſchen und materiellen Naturanſchauung den Fehdehandſchuh entgegenzuwerfen. Freilich geſchah es in einer Weiſe, welche dem Muthe der Verzweiflung eigen zu ſein pflegt; denn durch poſitives Wiſſen hin- länglich befähigt, die machtloſe Stellung des Jdealismus einzuſehen, begann er ſelbſt mit dem Geſtändniß, daß aller Widerſtand gegen den immer näher und drohender heranrückenden Feind vorerſt vergeblich ſein werde. Aber nicht mit Thatſachen ſuchte er ſeinen unſichtbaren und und ihm doch ſo furchtbaren Gegner zu bekämpfen — es konnte ihm ja nicht unbekannt ſein, daß dem Jdealismus keine Thatſachen zu Gebote ſtehen — ſondern durch eine Wendung, welche man im gewöhnlichen Leben einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/283
Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/283>, abgerufen am 21.11.2024.