Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

und der mit ihnen verbundenen Naturkräfte. Keine Re-
volution der Erde oder des Himmels, mochte sie noch
so gewaltig sein, konnte auf eine andere Weise zu Stande
kommen, keine gewaltige, aus dem Aether herabgreifende
Hand hob die Berge und versetzte die Meere, schuf Thiere
und Menschen nach persönlichem Einfall oder Behagen,
sondern es geschah durch dieselben Kräfte, die noch heute
Berge und Meere versetzen und Lebendiges hervorbringen,
und Alles dieses geschah als der Ausdruck
strengster Nothwendigkeit
. Wo Feuer und Wasser
zusammenkommen, da müssen Dämpfe entstehen und ihre
unwiderstehliche Kraft auf ihre Umgebung ausüben. Wo
ein Samenkorn in die Erde fällt, da muß es wachsen;
wo der Blitz angezogen wird, da muß er einschlagen.
Könnte über diese Wahrheit irgend ein Zweifel sein?
Kein Gebildeter, der die Natur und das, was ihn um-
gibt, auch nur auf's Oberflächlichste beobachtet hat, der die
Erwerbungen der Naturwissenschaften auch nur in ihren
allgemeinsten Umrissen kennt, kann in der Ueberzeugung
von der Nothwendigkeit und Unabänderlichkeit der Na-
turgesetze schwankend sein. Wie mit den Geschicken der
Natur, so verhält es sich auch mit den Geschicken der
Menschen; keine unsichtbare Hand zieht uns wie Draht-
puppen auf einem Marionettentheater hin und her --
wir selbst sind unsrer Geschicke Schmied, soweit wir nicht
durch zufällige oder nothwendige persönliche oder allge-

und der mit ihnen verbundenen Naturkräfte. Keine Re-
volution der Erde oder des Himmels, mochte ſie noch
ſo gewaltig ſein, konnte auf eine andere Weiſe zu Stande
kommen, keine gewaltige, aus dem Aether herabgreifende
Hand hob die Berge und verſetzte die Meere, ſchuf Thiere
und Menſchen nach perſönlichem Einfall oder Behagen,
ſondern es geſchah durch dieſelben Kräfte, die noch heute
Berge und Meere verſetzen und Lebendiges hervorbringen,
und Alles dieſes geſchah als der Ausdruck
ſtrengſter Nothwendigkeit
. Wo Feuer und Waſſer
zuſammenkommen, da müſſen Dämpfe entſtehen und ihre
unwiderſtehliche Kraft auf ihre Umgebung ausüben. Wo
ein Samenkorn in die Erde fällt, da muß es wachſen;
wo der Blitz angezogen wird, da muß er einſchlagen.
Könnte über dieſe Wahrheit irgend ein Zweifel ſein?
Kein Gebildeter, der die Natur und das, was ihn um-
gibt, auch nur auf’s Oberflächlichſte beobachtet hat, der die
Erwerbungen der Naturwiſſenſchaften auch nur in ihren
allgemeinſten Umriſſen kennt, kann in der Ueberzeugung
von der Nothwendigkeit und Unabänderlichkeit der Na-
turgeſetze ſchwankend ſein. Wie mit den Geſchicken der
Natur, ſo verhält es ſich auch mit den Geſchicken der
Menſchen; keine unſichtbare Hand zieht uns wie Draht-
puppen auf einem Marionettentheater hin und her —
wir ſelbſt ſind unſrer Geſchicke Schmied, ſoweit wir nicht
durch zufällige oder nothwendige perſönliche oder allge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0054" n="34"/>
und der mit ihnen verbundenen Naturkräfte. Keine Re-<lb/>
volution der Erde oder des Himmels, mochte &#x017F;ie noch<lb/>
&#x017F;o gewaltig &#x017F;ein, konnte auf eine andere Wei&#x017F;e zu Stande<lb/>
kommen, keine gewaltige, aus dem Aether herabgreifende<lb/>
Hand hob die Berge und ver&#x017F;etzte die Meere, &#x017F;chuf Thiere<lb/>
und Men&#x017F;chen nach per&#x017F;önlichem Einfall oder Behagen,<lb/>
&#x017F;ondern es ge&#x017F;chah durch die&#x017F;elben Kräfte, die noch heute<lb/>
Berge und Meere ver&#x017F;etzen und Lebendiges hervorbringen,<lb/><hi rendition="#g">und Alles die&#x017F;es ge&#x017F;chah als der Ausdruck<lb/>
&#x017F;treng&#x017F;ter Nothwendigkeit</hi>. Wo Feuer und Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
zu&#x017F;ammenkommen, da mü&#x017F;&#x017F;en Dämpfe ent&#x017F;tehen und ihre<lb/>
unwider&#x017F;tehliche Kraft auf ihre Umgebung ausüben. Wo<lb/>
ein Samenkorn in die Erde fällt, da muß es wach&#x017F;en;<lb/>
wo der Blitz angezogen wird, da muß er ein&#x017F;chlagen.<lb/>
Könnte über die&#x017F;e Wahrheit irgend ein Zweifel &#x017F;ein?<lb/>
Kein Gebildeter, der die Natur und das, was ihn um-<lb/>
gibt, auch nur auf&#x2019;s Oberflächlich&#x017F;te beobachtet hat, der die<lb/>
Erwerbungen der Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften auch nur in ihren<lb/>
allgemein&#x017F;ten Umri&#x017F;&#x017F;en kennt, kann in der Ueberzeugung<lb/>
von der Nothwendigkeit und Unabänderlichkeit der Na-<lb/>
turge&#x017F;etze &#x017F;chwankend &#x017F;ein. Wie mit den Ge&#x017F;chicken der<lb/>
Natur, &#x017F;o verhält es &#x017F;ich auch mit den Ge&#x017F;chicken der<lb/>
Men&#x017F;chen; keine un&#x017F;ichtbare Hand zieht uns wie Draht-<lb/>
puppen auf einem Marionettentheater hin und her &#x2014;<lb/>
wir &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ind un&#x017F;rer Ge&#x017F;chicke Schmied, &#x017F;oweit wir nicht<lb/>
durch zufällige oder nothwendige per&#x017F;önliche oder allge-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0054] und der mit ihnen verbundenen Naturkräfte. Keine Re- volution der Erde oder des Himmels, mochte ſie noch ſo gewaltig ſein, konnte auf eine andere Weiſe zu Stande kommen, keine gewaltige, aus dem Aether herabgreifende Hand hob die Berge und verſetzte die Meere, ſchuf Thiere und Menſchen nach perſönlichem Einfall oder Behagen, ſondern es geſchah durch dieſelben Kräfte, die noch heute Berge und Meere verſetzen und Lebendiges hervorbringen, und Alles dieſes geſchah als der Ausdruck ſtrengſter Nothwendigkeit. Wo Feuer und Waſſer zuſammenkommen, da müſſen Dämpfe entſtehen und ihre unwiderſtehliche Kraft auf ihre Umgebung ausüben. Wo ein Samenkorn in die Erde fällt, da muß es wachſen; wo der Blitz angezogen wird, da muß er einſchlagen. Könnte über dieſe Wahrheit irgend ein Zweifel ſein? Kein Gebildeter, der die Natur und das, was ihn um- gibt, auch nur auf’s Oberflächlichſte beobachtet hat, der die Erwerbungen der Naturwiſſenſchaften auch nur in ihren allgemeinſten Umriſſen kennt, kann in der Ueberzeugung von der Nothwendigkeit und Unabänderlichkeit der Na- turgeſetze ſchwankend ſein. Wie mit den Geſchicken der Natur, ſo verhält es ſich auch mit den Geſchicken der Menſchen; keine unſichtbare Hand zieht uns wie Draht- puppen auf einem Marionettentheater hin und her — wir ſelbſt ſind unſrer Geſchicke Schmied, ſoweit wir nicht durch zufällige oder nothwendige perſönliche oder allge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/54
Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/54>, abgerufen am 23.11.2024.