Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

den ewigen Gang der Natur sollen eingreifen können." --
Am schlechtesten sind wohl diejenigen gefahren, welche
annahmen, die höchste oder absolute Potenz sei dergestalt
mit den natürlichen Dingen verflochten, daß Alles, was
da geschähe, durch ihren unmittelbaren Einfluß, wenn
auch nach festbestimmten Regeln geschähe, mit andern
Worten, daß die Welt eine nach Gesetzen regierte Mo-
narchie, gewissermaßen ein constitutioneller Staat sei.
Die Unabänderlichkeit der Naturgesetze ist eine solche,
daß sie nie und nirgends eine Ausnahme gestattet, daß
sie unter keinen Umständen das Wirken einer ausglei-
chenden Hand wahrnehmen läßt, und daß ihr Zusammen-
wirken ganz unabhängig von Regeln einer höheren Ver-
nunft bald aufbauend, bald zerstörend, bald anscheinend
zweckmäßig, dann aber wieder gänzlich blind und im
Widerspruch mit allen Gesetzen der Moral oder Vernunft
erfolgt. Daß bei den organischen oder unorganischen
Bildungen, welche sich auf der Erde fortwährend erneuern,
kein leitender Verstand im Spiele sein kann, wird durch
die augenfälligsten Thatsachen bewiesen. Der Bildungs-
trieb der Natur ist ein so blinder und von zufälligen
äußeren Umständen abhängiger, daß sie oft die unsinnig-
sten und zwecklosesten Geburten zu Tage bringt, daß sie
oft nicht versteht, das kleinste sich ihr entgegenstellende
Hinderniß zu umgehen oder zu überwinden, und daß
sie häufig das Gegentheil von dem erreicht, was sie

den ewigen Gang der Natur ſollen eingreifen können.‟ —
Am ſchlechteſten ſind wohl diejenigen gefahren, welche
annahmen, die höchſte oder abſolute Potenz ſei dergeſtalt
mit den natürlichen Dingen verflochten, daß Alles, was
da geſchähe, durch ihren unmittelbaren Einfluß, wenn
auch nach feſtbeſtimmten Regeln geſchähe, mit andern
Worten, daß die Welt eine nach Geſetzen regierte Mo-
narchie, gewiſſermaßen ein conſtitutioneller Staat ſei.
Die Unabänderlichkeit der Naturgeſetze iſt eine ſolche,
daß ſie nie und nirgends eine Ausnahme geſtattet, daß
ſie unter keinen Umſtänden das Wirken einer ausglei-
chenden Hand wahrnehmen läßt, und daß ihr Zuſammen-
wirken ganz unabhängig von Regeln einer höheren Ver-
nunft bald aufbauend, bald zerſtörend, bald anſcheinend
zweckmäßig, dann aber wieder gänzlich blind und im
Widerſpruch mit allen Geſetzen der Moral oder Vernunft
erfolgt. Daß bei den organiſchen oder unorganiſchen
Bildungen, welche ſich auf der Erde fortwährend erneuern,
kein leitender Verſtand im Spiele ſein kann, wird durch
die augenfälligſten Thatſachen bewieſen. Der Bildungs-
trieb der Natur iſt ein ſo blinder und von zufälligen
äußeren Umſtänden abhängiger, daß ſie oft die unſinnig-
ſten und zweckloſeſten Geburten zu Tage bringt, daß ſie
oft nicht verſteht, das kleinſte ſich ihr entgegenſtellende
Hinderniß zu umgehen oder zu überwinden, und daß
ſie häufig das Gegentheil von dem erreicht, was ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0062" n="42"/>
den ewigen Gang der Natur &#x017F;ollen eingreifen können.&#x201F; &#x2014;<lb/>
Am &#x017F;chlechte&#x017F;ten &#x017F;ind wohl diejenigen gefahren, welche<lb/>
annahmen, die höch&#x017F;te oder ab&#x017F;olute Potenz &#x017F;ei derge&#x017F;talt<lb/>
mit den natürlichen Dingen verflochten, daß Alles, was<lb/>
da ge&#x017F;chähe, durch ihren unmittelbaren Einfluß, wenn<lb/>
auch nach fe&#x017F;tbe&#x017F;timmten Regeln ge&#x017F;chähe, mit andern<lb/>
Worten, daß die Welt eine nach Ge&#x017F;etzen regierte Mo-<lb/>
narchie, gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen ein con&#x017F;titutioneller Staat &#x017F;ei.<lb/>
Die Unabänderlichkeit der Naturge&#x017F;etze i&#x017F;t eine &#x017F;olche,<lb/>
daß &#x017F;ie nie und nirgends eine Ausnahme ge&#x017F;tattet, daß<lb/>
&#x017F;ie unter keinen Um&#x017F;tänden das Wirken einer ausglei-<lb/>
chenden Hand wahrnehmen läßt, und daß ihr Zu&#x017F;ammen-<lb/>
wirken ganz unabhängig von Regeln einer höheren Ver-<lb/>
nunft bald aufbauend, bald zer&#x017F;törend, bald an&#x017F;cheinend<lb/>
zweckmäßig, dann aber wieder gänzlich blind und im<lb/>
Wider&#x017F;pruch mit allen Ge&#x017F;etzen der Moral oder Vernunft<lb/>
erfolgt. Daß bei den organi&#x017F;chen oder unorgani&#x017F;chen<lb/>
Bildungen, welche &#x017F;ich auf der Erde fortwährend erneuern,<lb/>
kein leitender Ver&#x017F;tand im Spiele &#x017F;ein kann, wird durch<lb/>
die augenfällig&#x017F;ten That&#x017F;achen bewie&#x017F;en. Der Bildungs-<lb/>
trieb der Natur i&#x017F;t ein &#x017F;o blinder und von zufälligen<lb/>
äußeren Um&#x017F;tänden abhängiger, daß &#x017F;ie oft die un&#x017F;innig-<lb/>
&#x017F;ten und zwecklo&#x017F;e&#x017F;ten Geburten zu Tage bringt, daß &#x017F;ie<lb/>
oft nicht ver&#x017F;teht, das klein&#x017F;te &#x017F;ich ihr entgegen&#x017F;tellende<lb/>
Hinderniß zu umgehen oder zu überwinden, und daß<lb/>
&#x017F;ie häufig das Gegentheil von dem erreicht, was &#x017F;ie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0062] den ewigen Gang der Natur ſollen eingreifen können.‟ — Am ſchlechteſten ſind wohl diejenigen gefahren, welche annahmen, die höchſte oder abſolute Potenz ſei dergeſtalt mit den natürlichen Dingen verflochten, daß Alles, was da geſchähe, durch ihren unmittelbaren Einfluß, wenn auch nach feſtbeſtimmten Regeln geſchähe, mit andern Worten, daß die Welt eine nach Geſetzen regierte Mo- narchie, gewiſſermaßen ein conſtitutioneller Staat ſei. Die Unabänderlichkeit der Naturgeſetze iſt eine ſolche, daß ſie nie und nirgends eine Ausnahme geſtattet, daß ſie unter keinen Umſtänden das Wirken einer ausglei- chenden Hand wahrnehmen läßt, und daß ihr Zuſammen- wirken ganz unabhängig von Regeln einer höheren Ver- nunft bald aufbauend, bald zerſtörend, bald anſcheinend zweckmäßig, dann aber wieder gänzlich blind und im Widerſpruch mit allen Geſetzen der Moral oder Vernunft erfolgt. Daß bei den organiſchen oder unorganiſchen Bildungen, welche ſich auf der Erde fortwährend erneuern, kein leitender Verſtand im Spiele ſein kann, wird durch die augenfälligſten Thatſachen bewieſen. Der Bildungs- trieb der Natur iſt ein ſo blinder und von zufälligen äußeren Umſtänden abhängiger, daß ſie oft die unſinnig- ſten und zweckloſeſten Geburten zu Tage bringt, daß ſie oft nicht verſteht, das kleinſte ſich ihr entgegenſtellende Hinderniß zu umgehen oder zu überwinden, und daß ſie häufig das Gegentheil von dem erreicht, was ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/62
Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/62>, abgerufen am 23.11.2024.