Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

kennt und weil ein zertrümmerter Stein nicht in Stücke
von regelmäßiger Gestalt und Zahl auseinanderfliegt.
Warum schrieb die Schöpferkraft nicht ihren Namen mit
Zügen von Sternen an den Himmel? Warum gab sie
den Weltkörpersystemen nicht eine Anordnung, aus wel-
cher ihre Absicht und Ansicht unzweifelhaft erkannt wer-
den müßte? -- Jn der Stellung und den Verhältnissen
der Erde zu Sonne, Mond und Sternen wollen beschränkte
Geister die zweckmäßige Fürsorge des Himmels erblicken.
Aber sie bedenken nicht, daß sie Folge und Ursache ver-
wechseln und daß wir eben nicht oder anders organisirt
wären, wenn die Schiefe der Ekliptik eine andere oder
nicht vorhanden wäre. Jene oben gestellten Fragen ließen
sich beliebig vermehren, aber ihre Vermehrung würde
nichts an dem Resultate ändern, daß die empirische
Naturforschung, wo sie auch sucht, nirgends die Spur
supranaturalistischer Einwirkungen in Raum oder Zeit
zu finden vermag.



kennt und weil ein zertrümmerter Stein nicht in Stücke
von regelmäßiger Geſtalt und Zahl auseinanderfliegt.
Warum ſchrieb die Schöpferkraft nicht ihren Namen mit
Zügen von Sternen an den Himmel? Warum gab ſie
den Weltkörperſyſtemen nicht eine Anordnung, aus wel-
cher ihre Abſicht und Anſicht unzweifelhaft erkannt wer-
den müßte? — Jn der Stellung und den Verhältniſſen
der Erde zu Sonne, Mond und Sternen wollen beſchränkte
Geiſter die zweckmäßige Fürſorge des Himmels erblicken.
Aber ſie bedenken nicht, daß ſie Folge und Urſache ver-
wechſeln und daß wir eben nicht oder anders organiſirt
wären, wenn die Schiefe der Ekliptik eine andere oder
nicht vorhanden wäre. Jene oben geſtellten Fragen ließen
ſich beliebig vermehren, aber ihre Vermehrung würde
nichts an dem Reſultate ändern, daß die empiriſche
Naturforſchung, wo ſie auch ſucht, nirgends die Spur
ſupranaturaliſtiſcher Einwirkungen in Raum oder Zeit
zu finden vermag.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0078" n="58"/>
kennt und weil ein zertrümmerter Stein nicht in Stücke<lb/>
von regelmäßiger Ge&#x017F;talt und Zahl auseinanderfliegt.<lb/>
Warum &#x017F;chrieb die Schöpferkraft nicht ihren Namen mit<lb/>
Zügen von Sternen an den Himmel? Warum gab &#x017F;ie<lb/>
den Weltkörper&#x017F;y&#x017F;temen nicht eine Anordnung, aus wel-<lb/>
cher ihre Ab&#x017F;icht und An&#x017F;icht unzweifelhaft erkannt wer-<lb/>
den müßte? &#x2014; Jn der Stellung und den Verhältni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
der Erde zu Sonne, Mond und Sternen wollen be&#x017F;chränkte<lb/>
Gei&#x017F;ter die zweckmäßige Für&#x017F;orge des Himmels erblicken.<lb/>
Aber &#x017F;ie bedenken nicht, daß &#x017F;ie Folge und Ur&#x017F;ache ver-<lb/>
wech&#x017F;eln und daß wir eben nicht oder anders organi&#x017F;irt<lb/>
wären, wenn die Schiefe der Ekliptik eine andere oder<lb/>
nicht vorhanden wäre. Jene oben ge&#x017F;tellten Fragen ließen<lb/>
&#x017F;ich beliebig vermehren, aber ihre Vermehrung würde<lb/>
nichts an dem Re&#x017F;ultate ändern, daß die empiri&#x017F;che<lb/>
Naturfor&#x017F;chung, wo &#x017F;ie auch &#x017F;ucht, nirgends die Spur<lb/>
&#x017F;upranaturali&#x017F;ti&#x017F;cher Einwirkungen in Raum oder Zeit<lb/>
zu finden vermag.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0078] kennt und weil ein zertrümmerter Stein nicht in Stücke von regelmäßiger Geſtalt und Zahl auseinanderfliegt. Warum ſchrieb die Schöpferkraft nicht ihren Namen mit Zügen von Sternen an den Himmel? Warum gab ſie den Weltkörperſyſtemen nicht eine Anordnung, aus wel- cher ihre Abſicht und Anſicht unzweifelhaft erkannt wer- den müßte? — Jn der Stellung und den Verhältniſſen der Erde zu Sonne, Mond und Sternen wollen beſchränkte Geiſter die zweckmäßige Fürſorge des Himmels erblicken. Aber ſie bedenken nicht, daß ſie Folge und Urſache ver- wechſeln und daß wir eben nicht oder anders organiſirt wären, wenn die Schiefe der Ekliptik eine andere oder nicht vorhanden wäre. Jene oben geſtellten Fragen ließen ſich beliebig vermehren, aber ihre Vermehrung würde nichts an dem Reſultate ändern, daß die empiriſche Naturforſchung, wo ſie auch ſucht, nirgends die Spur ſupranaturaliſtiſcher Einwirkungen in Raum oder Zeit zu finden vermag.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/78
Zitationshilfe: Büchner, Ludwig: Kraft und Stoff. Frankfurt (Main), 1855, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_kraft_1855/78>, abgerufen am 23.11.2024.