der Gattin Weidig's. So schlecht sich, schrieb Becker 1839 an Gutzkow, Büchner mit Weidig vertragen, so entzückt sei er von dessen Frau gewesen, einem überaus herrlichen Ge- schöpf. "Er verlor sein natürliches Umgestüm, wenn sie dazu kam, und ward zahm, wie ein Hirsch, wenn er Musik hört." Trotzdem bedurfte es stets der vollen Willenskraft Beider, um vereint zu bleiben, denn ein Zusammenwirken war nur dann möglich, wenn der Eine dem Anderen ein Opfer seiner Ueberzeugungen brachte. Es ist bereits erwähnt, daß an- fangs Weidig, später Büchner der prävalirende Theil war, und wir haben nun die Art ihres Vorgehens näher zu be- leuchten.
Bei der trostlosen Lage der Partei, welche sich wahr- lich nicht um Vieles besserte, als im März 1834 die Meisten der in Friedberg Eingekerkerten wegen Mangels an Beweisen freigelassen wurden, konnte man über die nächste Aufgabe nicht im Zweifel sein. An ein erneutes Losschlagen war nicht zu denken, es galt für Jahre hinaus nur, die Ge- sinnungsgenossen fester zusammenzuschließen und ihre Zahl zu vermehren. Das Erstere mußte durch irgend eine äußere Organisation, das Letztere durch persönlichen Einfluß und Verbreitung von Flugschriften angestrebt werden. So weit waren auch Büchner und Weidig einig, nicht aber über die Ausführung: die Form jener engeren Organisation, den Inhalt der zu verbreitenden Flugschriften. Beide wollten das Beste, aber Jeder aus seinem Wesen heraus und so wollten Beide Verschiedenes.
Daß der bisherige Zusammenhang der Partei ein lockerer und ungenügender gewesen, war unbestreitbar. Alles war dem "Eifer der Einzelnen", d. h. dem Zufall überlassen,
der Gattin Weidig's. So ſchlecht ſich, ſchrieb Becker 1839 an Gutzkow, Büchner mit Weidig vertragen, ſo entzückt ſei er von deſſen Frau geweſen, einem überaus herrlichen Ge- ſchöpf. "Er verlor ſein natürliches Umgeſtüm, wenn ſie dazu kam, und ward zahm, wie ein Hirſch, wenn er Muſik hört." Trotzdem bedurfte es ſtets der vollen Willenskraft Beider, um vereint zu bleiben, denn ein Zuſammenwirken war nur dann möglich, wenn der Eine dem Anderen ein Opfer ſeiner Ueberzeugungen brachte. Es iſt bereits erwähnt, daß an- fangs Weidig, ſpäter Büchner der prävalirende Theil war, und wir haben nun die Art ihres Vorgehens näher zu be- leuchten.
Bei der troſtloſen Lage der Partei, welche ſich wahr- lich nicht um Vieles beſſerte, als im März 1834 die Meiſten der in Friedberg Eingekerkerten wegen Mangels an Beweiſen freigelaſſen wurden, konnte man über die nächſte Aufgabe nicht im Zweifel ſein. An ein erneutes Losſchlagen war nicht zu denken, es galt für Jahre hinaus nur, die Ge- ſinnungsgenoſſen feſter zuſammenzuſchließen und ihre Zahl zu vermehren. Das Erſtere mußte durch irgend eine äußere Organiſation, das Letztere durch perſönlichen Einfluß und Verbreitung von Flugſchriften angeſtrebt werden. So weit waren auch Büchner und Weidig einig, nicht aber über die Ausführung: die Form jener engeren Organiſation, den Inhalt der zu verbreitenden Flugſchriften. Beide wollten das Beſte, aber Jeder aus ſeinem Weſen heraus und ſo wollten Beide Verſchiedenes.
Daß der bisherige Zuſammenhang der Partei ein lockerer und ungenügender geweſen, war unbeſtreitbar. Alles war dem "Eifer der Einzelnen", d. h. dem Zufall überlaſſen,
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[CII/0118]
der Gattin Weidig's. So ſchlecht ſich, ſchrieb Becker 1839
an Gutzkow, Büchner mit Weidig vertragen, ſo entzückt ſei
er von deſſen Frau geweſen, einem überaus herrlichen Ge-
ſchöpf. "Er verlor ſein natürliches Umgeſtüm, wenn ſie dazu
kam, und ward zahm, wie ein Hirſch, wenn er Muſik hört."
Trotzdem bedurfte es ſtets der vollen Willenskraft Beider,
um vereint zu bleiben, denn ein Zuſammenwirken war nur
dann möglich, wenn der Eine dem Anderen ein Opfer ſeiner
Ueberzeugungen brachte. Es iſt bereits erwähnt, daß an-
fangs Weidig, ſpäter Büchner der prävalirende Theil war,
und wir haben nun die Art ihres Vorgehens näher zu be-
leuchten.
Bei der troſtloſen Lage der Partei, welche ſich wahr-
lich nicht um Vieles beſſerte, als im März 1834 die Meiſten
der in Friedberg Eingekerkerten wegen Mangels an Beweiſen
freigelaſſen wurden, konnte man über die nächſte Aufgabe
nicht im Zweifel ſein. An ein erneutes Losſchlagen war
nicht zu denken, es galt für Jahre hinaus nur, die Ge-
ſinnungsgenoſſen feſter zuſammenzuſchließen und ihre Zahl
zu vermehren. Das Erſtere mußte durch irgend eine äußere
Organiſation, das Letztere durch perſönlichen Einfluß und
Verbreitung von Flugſchriften angeſtrebt werden. So weit
waren auch Büchner und Weidig einig, nicht aber über die
Ausführung: die Form jener engeren Organiſation, den
Inhalt der zu verbreitenden Flugſchriften. Beide wollten
das Beſte, aber Jeder aus ſeinem Weſen heraus und ſo
wollten Beide Verſchiedenes.
Daß der bisherige Zuſammenhang der Partei ein lockerer
und ungenügender geweſen, war unbeſtreitbar. Alles war
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/118>, abgerufen am 24.11.2024.
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