führt worden, selbst dann noch, als er bereits der Regierung als Spürhund diente! Der Gedanke hierzu war ihm im Winter 1833 gekommen, aus verschiedenen Motiven -- erst- lich wollte er sich an Weidig und einigen Butzbachern rächen, weil diese seine Candidatur um eine Ehrenstelle in der Ge- meinde trotz der politischen Freundschaft nicht gefördert, son- dern nach ihrem Gewissen bekämpft, und ferner, weil er durch seine Lüderlichkeit so tief herabgekommen war, daß ihm der Judaslohn als einziger Ausweg aus der Noth erschien. Zu diesem Zwecke begab er sich Anfang März 1833 zu dem Hofgerichtsrath von Stein in Gießen und theilte diesem, nachdem er ihm das Ehrenwort bezüglich strengster Geheim- haltung abgenommen, mit: er wisse um eine Verschwörung im Großherzogthum, welche zunächst eine blutige Revolution insceniren werde; wolle ihm der Großherzog völlige Straf- losigkeit seiner Person, und eine erkleckliche Geldspende zu- sichern, so sei er zu näheren Enthüllungen bereit. Doch be- dang er sich noch aus, daß der Großherzog selbst die be- treffende Urkunde schreibe, unterschreibe und das Staatssiegel beidrücke, ferner, daß Stein vorläufig auch dem Fürsten seinen Namen nicht nenne, so daß dieser jene Urkunde nur "für den Mann, der Enthüllungen machen werde" ausstellen möge. Ehe ich die Antwort Stein's auf diesen Antrag und den weiteren Verlauf der Sache berichte, mag der Leser daran erinnert sein, daß ich nicht etwa ein, von einem Erzrepubli- kaner zur Schande jenes Kleinstaats ersonnenes Märchen er- zähle, sondern die von Noellner unter Autorisation der großherzoglichen Regierung herausgegebenen Acten getreu und ohne Zuthat excerpire. Herr Stein also dankte Herrn Kuhl für das Vertrauen und berichtete dessen Anerbieten an den
führt worden, ſelbſt dann noch, als er bereits der Regierung als Spürhund diente! Der Gedanke hierzu war ihm im Winter 1833 gekommen, aus verſchiedenen Motiven — erſt- lich wollte er ſich an Weidig und einigen Butzbachern rächen, weil dieſe ſeine Candidatur um eine Ehrenſtelle in der Ge- meinde trotz der politiſchen Freundſchaft nicht gefördert, ſon- dern nach ihrem Gewiſſen bekämpft, und ferner, weil er durch ſeine Lüderlichkeit ſo tief herabgekommen war, daß ihm der Judaslohn als einziger Ausweg aus der Noth erſchien. Zu dieſem Zwecke begab er ſich Anfang März 1833 zu dem Hofgerichtsrath von Stein in Gießen und theilte dieſem, nachdem er ihm das Ehrenwort bezüglich ſtrengſter Geheim- haltung abgenommen, mit: er wiſſe um eine Verſchwörung im Großherzogthum, welche zunächſt eine blutige Revolution inſceniren werde; wolle ihm der Großherzog völlige Straf- loſigkeit ſeiner Perſon, und eine erkleckliche Geldſpende zu- ſichern, ſo ſei er zu näheren Enthüllungen bereit. Doch be- dang er ſich noch aus, daß der Großherzog ſelbſt die be- treffende Urkunde ſchreibe, unterſchreibe und das Staatsſiegel beidrücke, ferner, daß Stein vorläufig auch dem Fürſten ſeinen Namen nicht nenne, ſo daß dieſer jene Urkunde nur "für den Mann, der Enthüllungen machen werde" ausſtellen möge. Ehe ich die Antwort Stein's auf dieſen Antrag und den weiteren Verlauf der Sache berichte, mag der Leſer daran erinnert ſein, daß ich nicht etwa ein, von einem Erzrepubli- kaner zur Schande jenes Kleinſtaats erſonnenes Märchen er- zähle, ſondern die von Noellner unter Autoriſation der großherzoglichen Regierung herausgegebenen Acten getreu und ohne Zuthat excerpire. Herr Stein alſo dankte Herrn Kuhl für das Vertrauen und berichtete deſſen Anerbieten an den
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[CXXXV/0151]
führt worden, ſelbſt dann noch, als er bereits der Regierung
als Spürhund diente! Der Gedanke hierzu war ihm im
Winter 1833 gekommen, aus verſchiedenen Motiven — erſt-
lich wollte er ſich an Weidig und einigen Butzbachern rächen,
weil dieſe ſeine Candidatur um eine Ehrenſtelle in der Ge-
meinde trotz der politiſchen Freundſchaft nicht gefördert, ſon-
dern nach ihrem Gewiſſen bekämpft, und ferner, weil er durch
ſeine Lüderlichkeit ſo tief herabgekommen war, daß ihm der
Judaslohn als einziger Ausweg aus der Noth erſchien. Zu
dieſem Zwecke begab er ſich Anfang März 1833 zu dem
Hofgerichtsrath von Stein in Gießen und theilte dieſem,
nachdem er ihm das Ehrenwort bezüglich ſtrengſter Geheim-
haltung abgenommen, mit: er wiſſe um eine Verſchwörung
im Großherzogthum, welche zunächſt eine blutige Revolution
inſceniren werde; wolle ihm der Großherzog völlige Straf-
loſigkeit ſeiner Perſon, und eine erkleckliche Geldſpende zu-
ſichern, ſo ſei er zu näheren Enthüllungen bereit. Doch be-
dang er ſich noch aus, daß der Großherzog ſelbſt die be-
treffende Urkunde ſchreibe, unterſchreibe und das Staatsſiegel
beidrücke, ferner, daß Stein vorläufig auch dem Fürſten ſeinen
Namen nicht nenne, ſo daß dieſer jene Urkunde nur "für
den Mann, der Enthüllungen machen werde" ausſtellen möge.
Ehe ich die Antwort Stein's auf dieſen Antrag und den
weiteren Verlauf der Sache berichte, mag der Leſer daran
erinnert ſein, daß ich nicht etwa ein, von einem Erzrepubli-
kaner zur Schande jenes Kleinſtaats erſonnenes Märchen er-
zähle, ſondern die von Noellner unter Autoriſation der
großherzoglichen Regierung herausgegebenen Acten getreu und
ohne Zuthat excerpire. Herr Stein alſo dankte Herrn Kuhl
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. CXXXV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/151>, abgerufen am 23.11.2024.
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