Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
als eine gute Handlung vollbringt. Ihr würdet mich leicht verstehen, wenn ihr an Leute denkt, welche sonst in Dach- stuben lebten und jetzt in Carossen fahren, und mit ehemaligen Marquisinnen und Baronessen Unzucht treiben. Wir dürfen wohl fragen, ist das Volk geplündert, oder sind die Gold- hände der Könige gedrückt worden, wenn wir Gesetzgeber des Volkes mit allen Lastern und allem Luxus der ehemaligen Höflinge Parade machen, wenn wir diese Marquis und Grafen der Revolution reiche Weiber heirathen, üppige Gast- mähler geben, spielen, Diener halten und kostbare Kleider tragen sehen? -- Wir dürfen wohl staunen, wenn wir sie Einfälle haben, schöngeistern und so Etwas von gutem Tone bekommen hören. Man hat vor Kurzem auf eine unver- schämte Weise den Tacitus parodirt, ich könnte mit dem Sallust antworten und den Catilina travestiren; doch ich denke, ich habe keine Striche mehr nöthig, die Porträts sind fertig. -- Keinen Vertrag, keinen Waffenstillstand mit den Menschen, welche nur auf Ausplünderung des Volkes bedacht waren, welche diese Ausplünderung ungestraft zu vollbringen hofften, für welche die Republik eine Spekulation und die Revolution ein Handwerk war! In Schrecken gesetzt durch den reißenden Strom der Beispiele, suchen sie ganz leise die Gerechtigkeit abzukühlen. Man sollte glauben, jeder sage zu sich selbst: "wir sind nicht tugendhaft genug, um so schrecklich zu sein. Philosophische Gesetzgeber! erbarmt euch unserer Schwäche; ich wage euch nicht zu sagen, daß ich lasterhaft bin; ich sage euch also lieber: seid nicht grausam." Beruhige dich, tugendhaftes Volk, beruhigt euch, ihr Patrioten, sagt euern Brüdern zu Lyon: das Schwert des Gesetzes roste nicht in den Händen, denen ihr es anvertraut habt. Wir
als eine gute Handlung vollbringt. Ihr würdet mich leicht verſtehen, wenn ihr an Leute denkt, welche ſonſt in Dach- ſtuben lebten und jetzt in Caroſſen fahren, und mit ehemaligen Marquiſinnen und Baroneſſen Unzucht treiben. Wir dürfen wohl fragen, iſt das Volk geplündert, oder ſind die Gold- hände der Könige gedrückt worden, wenn wir Geſetzgeber des Volkes mit allen Laſtern und allem Luxus der ehemaligen Höflinge Parade machen, wenn wir dieſe Marquis und Grafen der Revolution reiche Weiber heirathen, üppige Gaſt- mähler geben, ſpielen, Diener halten und koſtbare Kleider tragen ſehen? — Wir dürfen wohl ſtaunen, wenn wir ſie Einfälle haben, ſchöngeiſtern und ſo Etwas von gutem Tone bekommen hören. Man hat vor Kurzem auf eine unver- ſchämte Weiſe den Tacitus parodirt, ich könnte mit dem Salluſt antworten und den Catilina traveſtiren; doch ich denke, ich habe keine Striche mehr nöthig, die Porträts ſind fertig. — Keinen Vertrag, keinen Waffenſtillſtand mit den Menſchen, welche nur auf Ausplünderung des Volkes bedacht waren, welche dieſe Ausplünderung ungeſtraft zu vollbringen hofften, für welche die Republik eine Spekulation und die Revolution ein Handwerk war! In Schrecken geſetzt durch den reißenden Strom der Beiſpiele, ſuchen ſie ganz leiſe die Gerechtigkeit abzukühlen. Man ſollte glauben, jeder ſage zu ſich ſelbſt: "wir ſind nicht tugendhaft genug, um ſo ſchrecklich zu ſein. Philoſophiſche Geſetzgeber! erbarmt euch unſerer Schwäche; ich wage euch nicht zu ſagen, daß ich laſterhaft bin; ich ſage euch alſo lieber: ſeid nicht grauſam." Beruhige dich, tugendhaftes Volk, beruhigt euch, ihr Patrioten, ſagt euern Brüdern zu Lyon: das Schwert des Geſetzes roſte nicht in den Händen, denen ihr es anvertraut habt. Wir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <sp who="#ROB"> <p><pb facs="#f0216" n="20"/> als eine gute Handlung vollbringt. Ihr würdet mich leicht<lb/> verſtehen, wenn ihr an Leute denkt, welche ſonſt in Dach-<lb/> ſtuben lebten und jetzt in Caroſſen fahren, und mit ehemaligen<lb/> Marquiſinnen und Baroneſſen Unzucht treiben. Wir dürfen<lb/> wohl fragen, iſt das Volk geplündert, oder ſind die Gold-<lb/> hände der Könige gedrückt worden, wenn wir Geſetzgeber des<lb/> Volkes mit allen Laſtern und allem Luxus der ehemaligen<lb/> Höflinge Parade machen, wenn wir dieſe Marquis und<lb/> Grafen der Revolution reiche Weiber heirathen, üppige Gaſt-<lb/> mähler geben, ſpielen, Diener halten und koſtbare Kleider<lb/> tragen ſehen? — Wir dürfen wohl ſtaunen, wenn wir ſie<lb/> Einfälle haben, ſchöngeiſtern und ſo Etwas von gutem Tone<lb/> bekommen hören. Man hat vor Kurzem auf eine unver-<lb/> ſchämte Weiſe den Tacitus parodirt, ich könnte mit dem<lb/> Salluſt antworten und den Catilina traveſtiren; doch ich<lb/> denke, ich habe keine Striche mehr nöthig, die Porträts ſind<lb/> fertig. — Keinen Vertrag, keinen Waffenſtillſtand mit den<lb/> Menſchen, welche nur auf Ausplünderung des Volkes bedacht<lb/> waren, welche dieſe Ausplünderung ungeſtraft zu vollbringen<lb/> hofften, für welche die Republik eine Spekulation und die<lb/> Revolution ein Handwerk war! In Schrecken geſetzt durch<lb/> den reißenden Strom der Beiſpiele, ſuchen ſie ganz leiſe die<lb/> Gerechtigkeit abzukühlen. Man ſollte glauben, jeder ſage zu<lb/> ſich ſelbſt: "wir ſind nicht tugendhaft genug, um ſo ſchrecklich<lb/> zu ſein. Philoſophiſche Geſetzgeber! erbarmt euch unſerer<lb/> Schwäche; ich wage euch nicht zu ſagen, daß ich laſterhaft<lb/> bin; ich ſage euch alſo lieber: ſeid nicht grauſam." Beruhige<lb/> dich, tugendhaftes Volk, beruhigt euch, ihr Patrioten, ſagt<lb/> euern Brüdern zu Lyon: das Schwert des Geſetzes roſte<lb/> nicht in den Händen, denen ihr es anvertraut habt. Wir<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [20/0216]
als eine gute Handlung vollbringt. Ihr würdet mich leicht
verſtehen, wenn ihr an Leute denkt, welche ſonſt in Dach-
ſtuben lebten und jetzt in Caroſſen fahren, und mit ehemaligen
Marquiſinnen und Baroneſſen Unzucht treiben. Wir dürfen
wohl fragen, iſt das Volk geplündert, oder ſind die Gold-
hände der Könige gedrückt worden, wenn wir Geſetzgeber des
Volkes mit allen Laſtern und allem Luxus der ehemaligen
Höflinge Parade machen, wenn wir dieſe Marquis und
Grafen der Revolution reiche Weiber heirathen, üppige Gaſt-
mähler geben, ſpielen, Diener halten und koſtbare Kleider
tragen ſehen? — Wir dürfen wohl ſtaunen, wenn wir ſie
Einfälle haben, ſchöngeiſtern und ſo Etwas von gutem Tone
bekommen hören. Man hat vor Kurzem auf eine unver-
ſchämte Weiſe den Tacitus parodirt, ich könnte mit dem
Salluſt antworten und den Catilina traveſtiren; doch ich
denke, ich habe keine Striche mehr nöthig, die Porträts ſind
fertig. — Keinen Vertrag, keinen Waffenſtillſtand mit den
Menſchen, welche nur auf Ausplünderung des Volkes bedacht
waren, welche dieſe Ausplünderung ungeſtraft zu vollbringen
hofften, für welche die Republik eine Spekulation und die
Revolution ein Handwerk war! In Schrecken geſetzt durch
den reißenden Strom der Beiſpiele, ſuchen ſie ganz leiſe die
Gerechtigkeit abzukühlen. Man ſollte glauben, jeder ſage zu
ſich ſelbſt: "wir ſind nicht tugendhaft genug, um ſo ſchrecklich
zu ſein. Philoſophiſche Geſetzgeber! erbarmt euch unſerer
Schwäche; ich wage euch nicht zu ſagen, daß ich laſterhaft
bin; ich ſage euch alſo lieber: ſeid nicht grauſam." Beruhige
dich, tugendhaftes Volk, beruhigt euch, ihr Patrioten, ſagt
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