Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
keinen Augenblick verlieren, wir müssen uns zeigen! (Danton und Paris ab). Robespierre. (allein.) Geh' nur! Er will die Rosse der Revolution am Bordell halten machen, wie ein Kutscher seine dressirten Gäule; sie werden Kraft genug haben, ihn zum Revolutionsplatz zu schleifen. -- Mir die Absätze von den Schuhen treten! -- Um bei deinen Begriffen zu bleiben! -- Halt! Halt! Ist's das eigentlich? -- Sie werden sagen: seine gigantische Gestalt hätte zu viel Schatten auf mich ge- worfen, ich hätte ihn deßwegen aus der Sonne gehen heißen. -- Und wenn sie Recht hätten? -- Ist's denn so nothwendig? Ja, ja, die Republik! Er muß weg! -- Es ist lächerlich, wie meine Gedanken einander beaufsichtigen. -- Er muß weg. Wer in einer Masse, die vorwärts drängt, stehen bleibt, leistet so gut Widerstand, als trät' er ihr entgegen, er wird zertreten. -- Wir werden das Schiff der Revolution nicht auf den seichten Berechnungen und den Schlammbänken dieser Leute stranden lassen, wir müssen die Hand abhauen, die es zu halten wagt, und wenn er es mit den Zähnen packte! -- Weg mit einer Gesellschaft, die der todten Aristo- kratie die Kleider ausgezogen und ihren Aussatz geerbt hat. -- Keine Tugend! die Tugend ein Absatz meiner Schuhe! Bei meinen Begriffen! -- Wie das immer wieder kommt. -- Warum kann ich den Gedanken nicht los werden? Er deutet mit blutigem Finger immer da, da hin! Ich mag so viel Lappen darum wickeln, als ich will, das Blut schlägt immer durch. -- (Nach einer Pause): Ich weiß nicht, was in mir das Andere belügt. (Tritt ans Fenster.) Die Nacht schnarcht über der Erde und wälzt sich im wüsten Traum. Gedanken, Wünsche, kaum geahnt, wirr und gestaltlos, die scheu vor
keinen Augenblick verlieren, wir müſſen uns zeigen! (Danton und Paris ab). Robespierre. (allein.) Geh' nur! Er will die Roſſe der Revolution am Bordell halten machen, wie ein Kutſcher ſeine dreſſirten Gäule; ſie werden Kraft genug haben, ihn zum Revolutionsplatz zu ſchleifen. — Mir die Abſätze von den Schuhen treten! — Um bei deinen Begriffen zu bleiben! — Halt! Halt! Iſt's das eigentlich? — Sie werden ſagen: ſeine gigantiſche Geſtalt hätte zu viel Schatten auf mich ge- worfen, ich hätte ihn deßwegen aus der Sonne gehen heißen. — Und wenn ſie Recht hätten? — Iſt's denn ſo nothwendig? Ja, ja, die Republik! Er muß weg! — Es iſt lächerlich, wie meine Gedanken einander beaufſichtigen. — Er muß weg. Wer in einer Maſſe, die vorwärts drängt, ſtehen bleibt, leiſtet ſo gut Widerſtand, als trät' er ihr entgegen, er wird zertreten. — Wir werden das Schiff der Revolution nicht auf den ſeichten Berechnungen und den Schlammbänken dieſer Leute ſtranden laſſen, wir müſſen die Hand abhauen, die es zu halten wagt, und wenn er es mit den Zähnen packte! — Weg mit einer Geſellſchaft, die der todten Ariſto- kratie die Kleider ausgezogen und ihren Ausſatz geerbt hat. — Keine Tugend! die Tugend ein Abſatz meiner Schuhe! Bei meinen Begriffen! — Wie das immer wieder kommt. — Warum kann ich den Gedanken nicht los werden? Er deutet mit blutigem Finger immer da, da hin! Ich mag ſo viel Lappen darum wickeln, als ich will, das Blut ſchlägt immer durch. — (Nach einer Pauſe): Ich weiß nicht, was in mir das Andere belügt. (Tritt ans Fenſter.) Die Nacht ſchnarcht über der Erde und wälzt ſich im wüſten Traum. Gedanken, Wünſche, kaum geahnt, wirr und geſtaltlos, die ſcheu vor <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <sp who="#DANTON"> <p><pb facs="#f0228" n="32"/> keinen Augenblick verlieren, wir müſſen uns zeigen!</p> <stage>(<hi rendition="#fr"><hi rendition="#b">Danton</hi></hi><lb/> und <hi rendition="#fr"><hi rendition="#b">Paris</hi></hi> ab).</stage> </sp><lb/> <sp who="#ROB"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Robespierre.</hi> </hi> </speaker> <stage>(allein.)</stage> <p>Geh' nur! Er will die Roſſe<lb/> der Revolution am Bordell halten machen, wie ein Kutſcher<lb/> ſeine dreſſirten Gäule; ſie werden Kraft genug haben, ihn<lb/> zum Revolutionsplatz zu ſchleifen. — Mir die Abſätze von<lb/> den Schuhen treten! — Um bei deinen Begriffen zu bleiben! —<lb/> Halt! Halt! Iſt's das eigentlich? — Sie werden ſagen:<lb/> ſeine gigantiſche Geſtalt hätte zu viel Schatten auf mich ge-<lb/> worfen, ich hätte ihn deßwegen aus der Sonne gehen heißen. —<lb/> Und wenn ſie Recht hätten? — Iſt's denn ſo nothwendig?<lb/> Ja, ja, die Republik! Er muß weg! — Es iſt lächerlich,<lb/> wie meine Gedanken einander beaufſichtigen. — Er muß<lb/> weg. Wer in einer Maſſe, die vorwärts drängt, ſtehen<lb/> bleibt, leiſtet ſo gut Widerſtand, als trät' er ihr entgegen,<lb/> er wird zertreten. — Wir werden das Schiff der Revolution<lb/> nicht auf den ſeichten Berechnungen und den Schlammbänken<lb/> dieſer Leute ſtranden laſſen, wir müſſen die Hand abhauen,<lb/> die es zu halten wagt, und wenn er es mit den Zähnen<lb/> packte! — Weg mit einer Geſellſchaft, die der todten Ariſto-<lb/> kratie die Kleider ausgezogen und ihren Ausſatz geerbt hat. —<lb/> Keine Tugend! die Tugend ein Abſatz meiner Schuhe! Bei<lb/> meinen Begriffen! — Wie das immer wieder kommt. —<lb/> Warum kann ich den Gedanken nicht los werden? Er deutet<lb/> mit blutigem Finger immer da, da hin! Ich mag ſo viel<lb/> Lappen darum wickeln, als ich will, das Blut ſchlägt immer<lb/> durch. — <stage>(Nach einer Pauſe):</stage> Ich weiß nicht, was in mir<lb/> das Andere belügt. <stage>(Tritt ans Fenſter.)</stage> Die Nacht ſchnarcht<lb/> über der Erde und wälzt ſich im wüſten Traum. Gedanken,<lb/> Wünſche, kaum geahnt, wirr und geſtaltlos, die ſcheu vor<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0228]
keinen Augenblick verlieren, wir müſſen uns zeigen! (Danton
und Paris ab).
Robespierre. (allein.) Geh' nur! Er will die Roſſe
der Revolution am Bordell halten machen, wie ein Kutſcher
ſeine dreſſirten Gäule; ſie werden Kraft genug haben, ihn
zum Revolutionsplatz zu ſchleifen. — Mir die Abſätze von
den Schuhen treten! — Um bei deinen Begriffen zu bleiben! —
Halt! Halt! Iſt's das eigentlich? — Sie werden ſagen:
ſeine gigantiſche Geſtalt hätte zu viel Schatten auf mich ge-
worfen, ich hätte ihn deßwegen aus der Sonne gehen heißen. —
Und wenn ſie Recht hätten? — Iſt's denn ſo nothwendig?
Ja, ja, die Republik! Er muß weg! — Es iſt lächerlich,
wie meine Gedanken einander beaufſichtigen. — Er muß
weg. Wer in einer Maſſe, die vorwärts drängt, ſtehen
bleibt, leiſtet ſo gut Widerſtand, als trät' er ihr entgegen,
er wird zertreten. — Wir werden das Schiff der Revolution
nicht auf den ſeichten Berechnungen und den Schlammbänken
dieſer Leute ſtranden laſſen, wir müſſen die Hand abhauen,
die es zu halten wagt, und wenn er es mit den Zähnen
packte! — Weg mit einer Geſellſchaft, die der todten Ariſto-
kratie die Kleider ausgezogen und ihren Ausſatz geerbt hat. —
Keine Tugend! die Tugend ein Abſatz meiner Schuhe! Bei
meinen Begriffen! — Wie das immer wieder kommt. —
Warum kann ich den Gedanken nicht los werden? Er deutet
mit blutigem Finger immer da, da hin! Ich mag ſo viel
Lappen darum wickeln, als ich will, das Blut ſchlägt immer
durch. — (Nach einer Pauſe): Ich weiß nicht, was in mir
das Andere belügt. (Tritt ans Fenſter.) Die Nacht ſchnarcht
über der Erde und wälzt ſich im wüſten Traum. Gedanken,
Wünſche, kaum geahnt, wirr und geſtaltlos, die ſcheu vor
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