Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879. Simon. Ich sage dir, die Brust deiner Cornelia wird wie das Euter der römischen Wölfin -- nein, das geht nicht, Romulus war ein Tyrann, das geht nicht. (Gehn vorbei.) Ein Bettler (singt). "Eine Hand voll Erde und ein wenig Moos!" Liebe Herren, schöne Damen! Erster Herr. Kerl, arbeite, du siehst ganz wohlge- nährt aus. Zweiter Herr. Da! (Er gibt ihm Geld.) Er hat eine Hand wie Sammet. Das ist unverschämt. Bettler. Mein Herr, wo habt Ihr Euren Rock her? Zweiter Herr. Arbeit, Arbeit! du könntest den näm- lichen haben; ich will dir Arbeit geben, komm' zu mir, ich wohne -- Bettler. Herr, warum habt Ihr gearbeitet? Zweiter Herr. Narr, um den Rock zu haben. Bettler. Ihr habt Euch gequält, um einen Genuß zu haben, denn so ein Rock ist ein Genuß, ein Lumpen thut's auch. Zweiter Herr. Freilich, sonst geht's nicht. Bettler. Daß ich ein Narr wäre. Das hebt einander. Die Sonne scheint warm an das Eck und das geht ganz leicht. (Singt): "Eine Hand voll Erde und ein wenig Moos -- --" Rosalie (zu Adelaiden). Mach fort, da kommen Sol- daten. Wir haben seit gestern nichts Warmes in den Leib gekriegt. Bettler. "Ist auf dieser Erde einst mein letztes Loos!" Meine Herren, meine Damen! Soldat. Halt! wo hinaus, meine Kinder? (Zu Rosalie.) Wie alt bist du? Simon. Ich ſage dir, die Bruſt deiner Cornelia wird wie das Euter der römiſchen Wölfin — nein, das geht nicht, Romulus war ein Tyrann, das geht nicht. (Gehn vorbei.) Ein Bettler (ſingt). "Eine Hand voll Erde und ein wenig Moos!" Liebe Herren, ſchöne Damen! Erſter Herr. Kerl, arbeite, du ſiehſt ganz wohlge- nährt aus. Zweiter Herr. Da! (Er gibt ihm Geld.) Er hat eine Hand wie Sammet. Das iſt unverſchämt. Bettler. Mein Herr, wo habt Ihr Euren Rock her? Zweiter Herr. Arbeit, Arbeit! du könnteſt den näm- lichen haben; ich will dir Arbeit geben, komm' zu mir, ich wohne — Bettler. Herr, warum habt Ihr gearbeitet? Zweiter Herr. Narr, um den Rock zu haben. Bettler. Ihr habt Euch gequält, um einen Genuß zu haben, denn ſo ein Rock iſt ein Genuß, ein Lumpen thut's auch. Zweiter Herr. Freilich, ſonſt geht's nicht. Bettler. Daß ich ein Narr wäre. Das hebt einander. Die Sonne ſcheint warm an das Eck und das geht ganz leicht. (Singt): "Eine Hand voll Erde und ein wenig Moos — —" Roſalie (zu Adelaiden). Mach fort, da kommen Sol- daten. Wir haben ſeit geſtern nichts Warmes in den Leib gekriegt. Bettler. "Iſt auf dieſer Erde einſt mein letztes Loos!" Meine Herren, meine Damen! Soldat. Halt! wo hinaus, meine Kinder? (Zu Roſalie.) 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Ein Bettler (ſingt). "Eine Hand voll Erde und ein
wenig Moos!" Liebe Herren, ſchöne Damen!
Erſter Herr. Kerl, arbeite, du ſiehſt ganz wohlge-
nährt aus.
Zweiter Herr. Da! (Er gibt ihm Geld.) Er hat eine
Hand wie Sammet. Das iſt unverſchämt.
Bettler. Mein Herr, wo habt Ihr Euren Rock her?
Zweiter Herr. Arbeit, Arbeit! du könnteſt den näm-
lichen haben; ich will dir Arbeit geben, komm' zu mir, ich
wohne —
Bettler. Herr, warum habt Ihr gearbeitet?
Zweiter Herr. Narr, um den Rock zu haben.
Bettler. Ihr habt Euch gequält, um einen Genuß
zu haben, denn ſo ein Rock iſt ein Genuß, ein Lumpen
thut's auch.
Zweiter Herr. Freilich, ſonſt geht's nicht.
Bettler. Daß ich ein Narr wäre. Das hebt einander.
Die Sonne ſcheint warm an das Eck und das geht ganz
leicht. (Singt): "Eine Hand voll Erde und ein wenig
Moos — —"
Roſalie (zu Adelaiden). Mach fort, da kommen Sol-
daten. Wir haben ſeit geſtern nichts Warmes in den Leib
gekriegt.
Bettler. "Iſt auf dieſer Erde einſt mein letztes Loos!"
Meine Herren, meine Damen!
Soldat. Halt! wo hinaus, meine Kinder? (Zu Roſalie.)
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