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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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vertragen können. Einige allgemeine Betrachtungen über die
Verhältnisse der Natur und der Geschichte mögen sie über-
zeugen, daß wir nicht grausamer sind, als die Natur und
als die Zeit. Die Natur folgt ruhig und unwiderstehlich
ihren Gesetzen; der Mensch wird vernichtet, wo er mit ihnen
in Conflict kommt. Eine Aenderung in den Bestandtheilen
der Luft, ein Auflodern des tellurischen Feuers, ein Schwanken
in dem Gleichgewicht einer Wassermasse und eine Seuche,
ein vulkanischer Ausbruch, eine Ueberschwemmung begraben
Tausende. -- Was ist das Resultat? Eine unbedeutende,
im großen Ganzen kaum bemerkbare Veränderung der phy-
sischen Natur, die fast spurlos vorüber gegangen sein würde,
wenn nicht Leichen auf ihrem Wege lägen. -- Ich frage
nun: soll die moralische Natur in ihren Revolutionen mehr
Rücksicht nehmen, als die physische? Soll eine Idee nicht
eben so gut wie ein Gesetz der Physik vernichten dürfen, was
sich ihr widersetzt? Soll überhaupt ein Ereigniß, das die
ganze Gestaltung der moralischen Natur, das heißt der Mensch-
heit, umändert, nicht durch Blut gehen dürfen? Der Welt-
geist bedient sich in der geistigen Sphäre unserer Arme eben
so, wie er in der physischen Vulkane und Wasserfluthen ge-
braucht. Was liegt daran, ob sie nun an einer Seuche oder
an der Revolution sterben? -- Die Schritte der Menschheit
sind langsam, man kann sie nur nach Jahrhunderten zählen,
hinter jedem erheben sich die Gräber von Generationen. Das
Gelangen zu den einfachsten Erfindungen und Grundsätzen
hat Millionen das Leben gekostet, die auf dem Wege starben.
Ist es denn nicht einfach, daß zu einer Zeit, wo der Gang
der Geschichte rascher ist, auch mehr Menschen außer Athem
kommen? Wir schließen schnell und einfach: da Alle unter
vertragen können. Einige allgemeine Betrachtungen über die
Verhältniſſe der Natur und der Geſchichte mögen ſie über-
zeugen, daß wir nicht grauſamer ſind, als die Natur und
als die Zeit. Die Natur folgt ruhig und unwiderſtehlich
ihren Geſetzen; der Menſch wird vernichtet, wo er mit ihnen
in Conflict kommt. Eine Aenderung in den Beſtandtheilen
der Luft, ein Auflodern des telluriſchen Feuers, ein Schwanken
in dem Gleichgewicht einer Waſſermaſſe und eine Seuche,
ein vulkaniſcher Ausbruch, eine Ueberſchwemmung begraben
Tauſende. — Was iſt das Reſultat? Eine unbedeutende,
im großen Ganzen kaum bemerkbare Veränderung der phy-
ſiſchen Natur, die faſt ſpurlos vorüber gegangen ſein würde,
wenn nicht Leichen auf ihrem Wege lägen. — Ich frage
nun: ſoll die moraliſche Natur in ihren Revolutionen mehr
Rückſicht nehmen, als die phyſiſche? Soll eine Idee nicht
eben ſo gut wie ein Geſetz der Phyſik vernichten dürfen, was
ſich ihr widerſetzt? Soll überhaupt ein Ereigniß, das die
ganze Geſtaltung der moraliſchen Natur, das heißt der Menſch-
heit, umändert, nicht durch Blut gehen dürfen? Der Welt-
geiſt bedient ſich in der geiſtigen Sphäre unſerer Arme eben
ſo, wie er in der phyſiſchen Vulkane und Waſſerfluthen ge-
braucht. Was liegt daran, ob ſie nun an einer Seuche oder
an der Revolution ſterben? — Die Schritte der Menſchheit
ſind langſam, man kann ſie nur nach Jahrhunderten zählen,
hinter jedem erheben ſich die Gräber von Generationen. Das
Gelangen zu den einfachſten Erfindungen und Grundſätzen
hat Millionen das Leben gekoſtet, die auf dem Wege ſtarben.
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[55/0251] vertragen können. Einige allgemeine Betrachtungen über die Verhältniſſe der Natur und der Geſchichte mögen ſie über- zeugen, daß wir nicht grauſamer ſind, als die Natur und als die Zeit. Die Natur folgt ruhig und unwiderſtehlich ihren Geſetzen; der Menſch wird vernichtet, wo er mit ihnen in Conflict kommt. Eine Aenderung in den Beſtandtheilen der Luft, ein Auflodern des telluriſchen Feuers, ein Schwanken in dem Gleichgewicht einer Waſſermaſſe und eine Seuche, ein vulkaniſcher Ausbruch, eine Ueberſchwemmung begraben Tauſende. — Was iſt das Reſultat? Eine unbedeutende, im großen Ganzen kaum bemerkbare Veränderung der phy- ſiſchen Natur, die faſt ſpurlos vorüber gegangen ſein würde, wenn nicht Leichen auf ihrem Wege lägen. — Ich frage nun: ſoll die moraliſche Natur in ihren Revolutionen mehr Rückſicht nehmen, als die phyſiſche? Soll eine Idee nicht eben ſo gut wie ein Geſetz der Phyſik vernichten dürfen, was ſich ihr widerſetzt? Soll überhaupt ein Ereigniß, das die ganze Geſtaltung der moraliſchen Natur, das heißt der Menſch- heit, umändert, nicht durch Blut gehen dürfen? Der Welt- geiſt bedient ſich in der geiſtigen Sphäre unſerer Arme eben ſo, wie er in der phyſiſchen Vulkane und Waſſerfluthen ge- braucht. Was liegt daran, ob ſie nun an einer Seuche oder an der Revolution ſterben? — Die Schritte der Menſchheit ſind langſam, man kann ſie nur nach Jahrhunderten zählen, hinter jedem erheben ſich die Gräber von Generationen. Das Gelangen zu den einfachſten Erfindungen und Grundſätzen hat Millionen das Leben gekoſtet, die auf dem Wege ſtarben. Iſt es denn nicht einfach, daß zu einer Zeit, wo der Gang der Geſchichte raſcher iſt, auch mehr Menſchen außer Athem kommen? Wir ſchließen ſchnell und einfach: da Alle unter

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/251>, abgerufen am 21.11.2024.