Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
es tagelang so treiben. Wenn Sie einen Menschen aufzu- treiben wissen, der Lust hätte, manchmal mit mir zu wetten, so werden Sie mich sehr verbinden. Dann -- habe ich nachzudenken, wie es wohl angehen mag, daß ich mir ein- mal auf den Kopf sehe. -- O wer sich einmal auf den Kopf sehen könnte! Das ist eines von meinen Idealen. Mirt wäre geholfen! Und dann -- und dann -- noch un- endlich Viel der Art. -- Bin ich ein Müßiggänger? Habe ich jetzt keine Beschäftigung? -- Ja, es ist traurig .... Hofmeister. Sehr traurig, Eure Hoheit. Leonce. Daß die Wolken schon seit drei Wochen von Westen nach Osten ziehen. Es macht mich ganz melan- cholisch. Hofmeister. Eine sehr gegründete Melancholie. Leonce. Mensch, warum widersprechen Sie mir nicht? Sie sind pressirt, nicht wahr? Es ist mir leid, daß ich Sie so lange aufgehalten habe. (Der Hofmeister entfernt sich mit einer tiefen Verbeugung.) Mein Herr, ich gratulire Ihnen zu der schönen Parenthese, die Ihre Beine machen, wenn Sie sich verbeugen. Leonce (allein, streckt sich auf der Bank aus). Die Bienen sitzen so träge an den Blumen, und der Sonnenschein liegt so faul auf dem Boden. Es krassirt ein entsetzlicher Müßig- gang. -- Müßiggang ist aller Laster Anfang. Was die Leute nicht Alles aus Langeweile treiben! Sie studiren aus Langeweile, sie beten aus Langeweile , sie verlieben, ver- heirathen und vermehren sich aus Langeweile und sterben endlich aus Langeweile, und -- und das ist der Humor davon -- Alles mit den ernsthaftesten Gesichtern, ohne zu merken, warum, und meinen Gott weiß was dazu. Alle
es tagelang ſo treiben. Wenn Sie einen Menſchen aufzu- treiben wiſſen, der Luſt hätte, manchmal mit mir zu wetten, ſo werden Sie mich ſehr verbinden. Dann — habe ich nachzudenken, wie es wohl angehen mag, daß ich mir ein- mal auf den Kopf ſehe. — O wer ſich einmal auf den Kopf ſehen könnte! Das iſt eines von meinen Idealen. Mirt wäre geholfen! Und dann — und dann — noch un- endlich Viel der Art. — Bin ich ein Müßiggänger? Habe ich jetzt keine Beſchäftigung? — Ja, es iſt traurig .... Hofmeiſter. Sehr traurig, Eure Hoheit. Leonce. Daß die Wolken ſchon ſeit drei Wochen von Weſten nach Oſten ziehen. Es macht mich ganz melan- choliſch. Hofmeiſter. Eine ſehr gegründete Melancholie. Leonce. Menſch, warum widerſprechen Sie mir nicht? Sie ſind preſſirt, nicht wahr? Es iſt mir leid, daß ich Sie ſo lange aufgehalten habe. (Der Hofmeiſter entfernt ſich mit einer tiefen Verbeugung.) Mein Herr, ich gratulire Ihnen zu der ſchönen Parentheſe, die Ihre Beine machen, wenn Sie ſich verbeugen. Leonce (allein, ſtreckt ſich auf der Bank aus). Die Bienen ſitzen ſo träge an den Blumen, und der Sonnenſchein liegt ſo faul auf dem Boden. Es kraſſirt ein entſetzlicher Müßig- gang. — Müßiggang iſt aller Laſter Anfang. Was die Leute nicht Alles aus Langeweile treiben! Sie ſtudiren aus Langeweile, ſie beten aus Langeweile , ſie verlieben, ver- heirathen und vermehren ſich aus Langeweile und ſterben endlich aus Langeweile, und — und das iſt der Humor davon — Alles mit den ernſthafteſten Geſichtern, ohne zu merken, warum, und meinen Gott weiß was dazu. Alle <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <sp who="#LEO"> <p><pb facs="#f0310" n="114"/> es tagelang ſo treiben. Wenn Sie einen Menſchen aufzu-<lb/> treiben wiſſen, der Luſt hätte, manchmal mit mir zu wetten,<lb/> ſo werden Sie mich ſehr verbinden. Dann — habe ich<lb/> nachzudenken, wie es wohl angehen mag, daß ich mir ein-<lb/> mal auf den Kopf ſehe. — O wer ſich einmal auf den<lb/> Kopf ſehen könnte! Das iſt eines von meinen Idealen.<lb/> Mirt wäre geholfen! Und dann — und dann — noch un-<lb/> endlich Viel der Art. — Bin ich ein Müßiggänger? Habe<lb/> ich jetzt keine Beſchäftigung? — Ja, es iſt traurig ....</p> </sp><lb/> <sp who="#HOFM"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Hofmeiſter.</hi> </hi> </speaker> <p>Sehr traurig, Eure Hoheit.</p> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce.</hi> </hi> </speaker> <p>Daß die Wolken ſchon ſeit drei Wochen von<lb/> Weſten nach Oſten ziehen. Es macht mich ganz melan-<lb/> choliſch.</p> </sp><lb/> <sp who="#HOFM"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Hofmeiſter.</hi> </hi> </speaker> <p>Eine ſehr gegründete Melancholie.</p> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce.</hi> </hi> </speaker> <p>Menſch, warum widerſprechen Sie mir nicht?<lb/> Sie ſind preſſirt, nicht wahr? Es iſt mir leid, daß<lb/> ich Sie ſo lange aufgehalten habe. <stage>(Der Hofmeiſter entfernt<lb/> ſich mit einer tiefen Verbeugung.)</stage> Mein Herr, ich gratulire<lb/> Ihnen zu der ſchönen Parentheſe, die Ihre Beine machen,<lb/> wenn Sie ſich verbeugen.</p> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce</hi> </hi> </speaker> <stage>(allein, ſtreckt ſich auf der Bank aus).</stage> <p>Die Bienen<lb/> ſitzen ſo träge an den Blumen, und der Sonnenſchein liegt<lb/> ſo faul auf dem Boden. Es kraſſirt ein entſetzlicher Müßig-<lb/> gang. — Müßiggang iſt aller Laſter Anfang. Was die<lb/> Leute nicht Alles aus Langeweile treiben! Sie ſtudiren aus<lb/> Langeweile, ſie beten aus Langeweile , ſie verlieben, ver-<lb/> heirathen und vermehren ſich aus Langeweile und ſterben<lb/> endlich aus Langeweile, und — und das iſt der Humor<lb/> davon — Alles mit den ernſthafteſten Geſichtern, ohne zu<lb/> merken, warum, und meinen Gott weiß was dazu. Alle<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0310]
es tagelang ſo treiben. Wenn Sie einen Menſchen aufzu-
treiben wiſſen, der Luſt hätte, manchmal mit mir zu wetten,
ſo werden Sie mich ſehr verbinden. Dann — habe ich
nachzudenken, wie es wohl angehen mag, daß ich mir ein-
mal auf den Kopf ſehe. — O wer ſich einmal auf den
Kopf ſehen könnte! Das iſt eines von meinen Idealen.
Mirt wäre geholfen! Und dann — und dann — noch un-
endlich Viel der Art. — Bin ich ein Müßiggänger? Habe
ich jetzt keine Beſchäftigung? — Ja, es iſt traurig ....
Hofmeiſter. Sehr traurig, Eure Hoheit.
Leonce. Daß die Wolken ſchon ſeit drei Wochen von
Weſten nach Oſten ziehen. Es macht mich ganz melan-
choliſch.
Hofmeiſter. Eine ſehr gegründete Melancholie.
Leonce. Menſch, warum widerſprechen Sie mir nicht?
Sie ſind preſſirt, nicht wahr? Es iſt mir leid, daß
ich Sie ſo lange aufgehalten habe. (Der Hofmeiſter entfernt
ſich mit einer tiefen Verbeugung.) Mein Herr, ich gratulire
Ihnen zu der ſchönen Parentheſe, die Ihre Beine machen,
wenn Sie ſich verbeugen.
Leonce (allein, ſtreckt ſich auf der Bank aus). Die Bienen
ſitzen ſo träge an den Blumen, und der Sonnenſchein liegt
ſo faul auf dem Boden. Es kraſſirt ein entſetzlicher Müßig-
gang. — Müßiggang iſt aller Laſter Anfang. Was die
Leute nicht Alles aus Langeweile treiben! Sie ſtudiren aus
Langeweile, ſie beten aus Langeweile , ſie verlieben, ver-
heirathen und vermehren ſich aus Langeweile und ſterben
endlich aus Langeweile, und — und das iſt der Humor
davon — Alles mit den ernſthafteſten Geſichtern, ohne zu
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