Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879. Valerio. Ach Herr, was ich ein Gefühl für die Natur habe! Das Gras steht so schön, daß man ein Ochs sein möchte, um es fressen zu können, und dann wieder ein Mensch, um den Ochsen zu essen, der solches Gras gefressen. Leonce. Unglücklicher, Sie scheinen auch an Idealen zu laboriren. Valerio. O Gott, ich laufe schon seit acht Tagen einem Ideal von Rindfleisch nach, ohne es irgendwo in der Realität anzutreffen! (Er singt.) Frau Wirthin hat 'ne brave Magd Sie sitzt im Garten Tag und Nacht, Sie sitzt in ihrem Garten Bis daß das Glöcklein zwölfe schlägt, Und paßt auf die Solda--a--ten! .... Seht diese Ameisen, ihr lieben Kinder, es ist bewunderns- würdig, welcher Instinkt in diesen kleinen Geschöpfen, Ord- nung, Fleiß -- -- Herr, es gibt nur vier Arten, sein Geld auf eine menschliche Weise zu verdienen, es finden, in der Lotterie gewinnen, erben oder in Gottes Namen stehlen, wenn man die Geschicklichkeit hat, keine Gewissensbisse zu bekommen. Leonce. Du bist mit diesen Principien ziemlich alt geworden, ohne vor Hunger oder am Galgen zu sterben. Valerio (ihn immer starr ansehend). Ja, Herr, und das behaupte ich, wer sein Geld auf andere Weise erwirbt, ist ein Schuft. Leonce. Denn wer arbeitet, ist ein subtiler Selbst- mörder, und ein Selbstmörder ist ein Verbrecher, und ein Verbrecher ist ein Schuft. Also, wer arbeitet ist ein Schuft. Valerio. Ja! -- Aber dennoch sind die Ameisen ein Valerio. Ach Herr, was ich ein Gefühl für die Natur habe! Das Gras ſteht ſo ſchön, daß man ein Ochs ſein möchte, um es freſſen zu können, und dann wieder ein Menſch, um den Ochſen zu eſſen, der ſolches Gras gefreſſen. Leonce. Unglücklicher, Sie ſcheinen auch an Idealen zu laboriren. Valerio. O Gott, ich laufe ſchon ſeit acht Tagen einem Ideal von Rindfleiſch nach, ohne es irgendwo in der Realität anzutreffen! (Er ſingt.) Frau Wirthin hat 'ne brave Magd Sie ſitzt im Garten Tag und Nacht, Sie ſitzt in ihrem Garten Bis daß das Glöcklein zwölfe ſchlägt, Und paßt auf die Solda—a—ten! .... Seht dieſe Ameiſen, ihr lieben Kinder, es iſt bewunderns- würdig, welcher Inſtinkt in dieſen kleinen Geſchöpfen, Ord- nung, Fleiß — — Herr, es gibt nur vier Arten, ſein Geld auf eine menſchliche Weiſe zu verdienen, es finden, in der Lotterie gewinnen, erben oder in Gottes Namen ſtehlen, wenn man die Geſchicklichkeit hat, keine Gewiſſensbiſſe zu bekommen. Leonce. Du biſt mit dieſen Principien ziemlich alt geworden, ohne vor Hunger oder am Galgen zu ſterben. Valerio (ihn immer ſtarr anſehend). Ja, Herr, und das behaupte ich, wer ſein Geld auf andere Weiſe erwirbt, iſt ein Schuft. Leonce. Denn wer arbeitet, iſt ein ſubtiler Selbſt- mörder, und ein Selbſtmörder iſt ein Verbrecher, und ein Verbrecher iſt ein Schuft. Alſo, wer arbeitet iſt ein Schuft. Valerio. Ja! — Aber dennoch ſind die Ameiſen ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <pb facs="#f0312" n="116"/> <sp who="#VAL"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Valerio.</hi> </hi> </speaker> <p>Ach Herr, was ich ein Gefühl für die Natur<lb/> habe! 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Leonce. Unglücklicher, Sie ſcheinen auch an Idealen
zu laboriren.
Valerio. O Gott, ich laufe ſchon ſeit acht Tagen
einem Ideal von Rindfleiſch nach, ohne es irgendwo in der
Realität anzutreffen! (Er ſingt.)
Frau Wirthin hat 'ne brave Magd
Sie ſitzt im Garten Tag und Nacht,
Sie ſitzt in ihrem Garten
Bis daß das Glöcklein zwölfe ſchlägt,
Und paßt auf die Solda—a—ten! ....
Seht dieſe Ameiſen, ihr lieben Kinder, es iſt bewunderns-
würdig, welcher Inſtinkt in dieſen kleinen Geſchöpfen, Ord-
nung, Fleiß — — Herr, es gibt nur vier Arten, ſein Geld
auf eine menſchliche Weiſe zu verdienen, es finden, in der
Lotterie gewinnen, erben oder in Gottes Namen ſtehlen,
wenn man die Geſchicklichkeit hat, keine Gewiſſensbiſſe zu
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Leonce. Du biſt mit dieſen Principien ziemlich alt
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Valerio (ihn immer ſtarr anſehend). Ja, Herr, und das
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Zitationshilfe: | Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/312>, abgerufen am 16.07.2024. |