Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879. (Sie tanzt und singt.) O meine müden Füße, ihr müßt tanzen In bunten Schuhen, Und möchtet lieber tief Im Boden ruhen. O meine heißen Wangen, ihr müßt glühn Im milden Kosen, Und möchtet lieber blühn -- Zwei weiße Rosen. O meine armen Augen, ihr müßt blitzen Im Strahl der Kerzen Und schlieft im Dunkel lieber aus Von euren Schmerzen. Leonce (indeß träumend vor sich hin). O, eine sterbende Liebe ist schöner als eine werdende. Ich bin ein Römer; bei dem köstlichen Mahle spielen zum Desert die goldnen Fische in ihren Todesfarben. Wie ihr das Roth von den Wangen stirbt, wie still das Auge ausglüht, wie leis das Wogen ihrer Glieder steigt und fällt! Adio, adio, meine Liebe, ich will deine Leiche lieben. (Rosetta nähert sich ihm wieder.) Thränen, Rosetta? Ein feiner Epikuräismus -- weinen zu können. Stelle dich in die Sonne, damit die köstlichen Tropfen krystallisiren, es muß prächtige Diamanten geben. Du kannst dir ein Halsband davon machen lassen. Rosetta. Wohl Diamanten, sie schneiden mir in die Augen. Ach Leonce! (Will ihn umfassen.) Leonce. Gib Acht! Mein Kopf! Ich habe unsere Liebe darin beigesetzt. Sieh zu den Fenstern meiner Augen (Sie tanzt und ſingt.) O meine müden Füße, ihr müßt tanzen In bunten Schuhen, Und möchtet lieber tief Im Boden ruhen. O meine heißen Wangen, ihr müßt glühn Im milden Koſen, Und möchtet lieber blühn — Zwei weiße Roſen. O meine armen Augen, ihr müßt blitzen Im Strahl der Kerzen Und ſchlieft im Dunkel lieber aus Von euren Schmerzen. Leonce (indeß träumend vor ſich hin). O, eine ſterbende Liebe iſt ſchöner als eine werdende. Ich bin ein Römer; bei dem köſtlichen Mahle ſpielen zum Deſert die goldnen Fiſche in ihren Todesfarben. Wie ihr das Roth von den Wangen ſtirbt, wie ſtill das Auge ausglüht, wie leis das Wogen ihrer Glieder ſteigt und fällt! Adio, adio, meine Liebe, ich will deine Leiche lieben. (Roſetta nähert ſich ihm wieder.) Thränen, Roſetta? Ein feiner Epikuräismus — weinen zu können. Stelle dich in die Sonne, damit die köſtlichen Tropfen kryſtalliſiren, es muß prächtige Diamanten geben. Du kannſt dir ein Halsband davon machen laſſen. Roſetta. Wohl Diamanten, ſie ſchneiden mir in die Augen. Ach Leonce! (Will ihn umfaſſen.) Leonce. Gib Acht! Mein Kopf! Ich habe unſere Liebe darin beigeſetzt. Sieh zu den Fenſtern meiner Augen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <sp who="#ROSETTA"> <pb facs="#f0321" n="125"/> <stage> <hi rendition="#c">(Sie tanzt und ſingt.)</hi> </stage><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>O meine müden Füße, ihr müßt tanzen</l><lb/> <l>In bunten Schuhen,</l><lb/> <l>Und möchtet lieber tief</l><lb/> <l>Im Boden ruhen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>O meine heißen Wangen, ihr müßt glühn</l><lb/> <l>Im milden Koſen,</l><lb/> <l>Und möchtet lieber blühn —</l><lb/> <l>Zwei weiße Roſen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>O meine armen Augen, ihr müßt blitzen</l><lb/> <l>Im Strahl der Kerzen</l><lb/> <l>Und ſchlieft im Dunkel lieber aus</l><lb/> <l>Von euren Schmerzen.</l> </lg> </lg> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce</hi> </hi> </speaker> <stage>(indeß träumend vor ſich hin).</stage> <p>O, eine ſterbende<lb/> Liebe iſt ſchöner als eine werdende. Ich bin ein Römer;<lb/> bei dem köſtlichen Mahle ſpielen zum Deſert die goldnen<lb/> Fiſche in ihren Todesfarben. Wie ihr das Roth von den<lb/> Wangen ſtirbt, wie ſtill das Auge ausglüht, wie leis das<lb/> Wogen ihrer Glieder ſteigt und fällt! <hi rendition="#aq">Adio, adio,</hi> meine<lb/> Liebe, ich will deine Leiche lieben. <stage>(Roſetta nähert ſich ihm<lb/> wieder.)</stage> Thränen, Roſetta? Ein feiner Epikuräismus —<lb/> weinen zu können. Stelle dich in die Sonne, damit die<lb/> köſtlichen Tropfen kryſtalliſiren, es muß prächtige Diamanten<lb/> geben. Du kannſt dir ein Halsband davon machen laſſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#ROSETTA"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Roſetta.</hi> </hi> </speaker> <p>Wohl Diamanten, ſie ſchneiden mir in die<lb/> Augen. Ach Leonce!</p> <stage>(Will ihn umfaſſen.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce.</hi> </hi> </speaker> <p>Gib Acht! Mein Kopf! Ich habe unſere<lb/> Liebe darin beigeſetzt. Sieh zu den Fenſtern meiner Augen<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [125/0321]
(Sie tanzt und ſingt.)
O meine müden Füße, ihr müßt tanzen
In bunten Schuhen,
Und möchtet lieber tief
Im Boden ruhen.
O meine heißen Wangen, ihr müßt glühn
Im milden Koſen,
Und möchtet lieber blühn —
Zwei weiße Roſen.
O meine armen Augen, ihr müßt blitzen
Im Strahl der Kerzen
Und ſchlieft im Dunkel lieber aus
Von euren Schmerzen.
Leonce (indeß träumend vor ſich hin). O, eine ſterbende
Liebe iſt ſchöner als eine werdende. Ich bin ein Römer;
bei dem köſtlichen Mahle ſpielen zum Deſert die goldnen
Fiſche in ihren Todesfarben. Wie ihr das Roth von den
Wangen ſtirbt, wie ſtill das Auge ausglüht, wie leis das
Wogen ihrer Glieder ſteigt und fällt! Adio, adio, meine
Liebe, ich will deine Leiche lieben. (Roſetta nähert ſich ihm
wieder.) Thränen, Roſetta? Ein feiner Epikuräismus —
weinen zu können. Stelle dich in die Sonne, damit die
köſtlichen Tropfen kryſtalliſiren, es muß prächtige Diamanten
geben. Du kannſt dir ein Halsband davon machen laſſen.
Roſetta. Wohl Diamanten, ſie ſchneiden mir in die
Augen. Ach Leonce! (Will ihn umfaſſen.)
Leonce. Gib Acht! Mein Kopf! Ich habe unſere
Liebe darin beigeſetzt. Sieh zu den Fenſtern meiner Augen
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