Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.
Der Mensch hat mich vorhin confus gemacht, ich muß mir wieder heraushelfen. Leonce. (zu den Anwesenden.) Meine Herren! meine Ge- mahlin und ich bedauern unendlich, daß Sie uns heute so lange zu Diensten gestanden sind. Ihre Stellung ist so traurig, daß wir um keinen Preis ihre Standhaftigkeit länger auf die Probe stellen möchten. Gehen Sie jetzt nach Hause, aber vergessen Sie Ihre Reden, Predigten und Verse nicht, denn morgen fangen wir in aller Ruhe und Gemüthlichkeit den Spaß noch einmal von vorne an. Auf Wiedersehen! (Alle entfernen sich, Leonce, Lena, Valerio und die Gouvernante aus- genommen.) Leonce. Nun Lena, siehst du jetzt, wie wir die Taschen voll haben, voll Puppen und Spielzeug? Was wollen wir damit anfangen, wollen wir ihnen Schnurrbärte machen und ihnen Säbel anhängen? Oder wollen wir ihnen Fräcke an- ziehen und sie infusorische Politik und Diplomatie treiben lassen, und uns mit dem Mikroskop daneben setzen? Oder hast du Verlangen nach einer Drehorgel, auf der die milch- weißen ästhetischen Spitzmäuse herumhuschen? Wollen wir ein Theater bauen? Lena lehnt sich an und schüttelt den Kopf.) Aber ich weiß besser, was du willst, wir lassen alle Uhren zerschlagen, alle Kalender verbieten, und zählen Stun- den und Monden nur nach der Blumenuhr, nur nach Blüthe und Frucht. Und dann umstellen wir das Ländchen mit Brennspiegeln, daß es keinen Winter mehr gibt, und wir uns im Sommer des Ischia und Capri hinaufdestilliren, und das ganze Jahr zwischen Rosen und Veilchen, zwischen Orangen und Lorbeer stecken.
Der Menſch hat mich vorhin confus gemacht, ich muß mir wieder heraushelfen. Leonce. (zu den Anweſenden.) Meine Herren! meine Ge- mahlin und ich bedauern unendlich, daß Sie uns heute ſo lange zu Dienſten geſtanden ſind. Ihre Stellung iſt ſo traurig, daß wir um keinen Preis ihre Standhaftigkeit länger auf die Probe ſtellen möchten. Gehen Sie jetzt nach Hauſe, aber vergeſſen Sie Ihre Reden, Predigten und Verſe nicht, denn morgen fangen wir in aller Ruhe und Gemüthlichkeit den Spaß noch einmal von vorne an. Auf Wiederſehen! (Alle entfernen ſich, Leonce, Lena, Valerio und die Gouvernante aus- genommen.) Leonce. Nun Lena, ſiehſt du jetzt, wie wir die Taſchen voll haben, voll Puppen und Spielzeug? Was wollen wir damit anfangen, wollen wir ihnen Schnurrbärte machen und ihnen Säbel anhängen? Oder wollen wir ihnen Fräcke an- ziehen und ſie infuſoriſche Politik und Diplomatie treiben laſſen, und uns mit dem Mikroskop daneben ſetzen? Oder haſt du Verlangen nach einer Drehorgel, auf der die milch- weißen äſthetiſchen Spitzmäuſe herumhuſchen? Wollen wir ein Theater bauen? Lena lehnt ſich an und ſchüttelt den Kopf.) Aber ich weiß beſſer, was du willſt, wir laſſen alle Uhren zerſchlagen, alle Kalender verbieten, und zählen Stun- den und Monden nur nach der Blumenuhr, nur nach Blüthe und Frucht. Und dann umſtellen wir das Ländchen mit Brennſpiegeln, daß es keinen Winter mehr gibt, und wir uns im Sommer des Iſchia und Capri hinaufdeſtilliren, und das ganze Jahr zwiſchen Roſen und Veilchen, zwiſchen Orangen und Lorbeer ſtecken. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="act" n="3"> <div type="scene" n="4"> <sp who="#KOENIG"> <p><pb facs="#f0352" n="156"/> Der Menſch hat mich vorhin confus gemacht, ich muß mir<lb/> wieder heraushelfen.</p> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce.</hi> </hi> </speaker> <stage>(zu den Anweſenden.)</stage> <p>Meine Herren! meine Ge-<lb/> mahlin und ich bedauern unendlich, daß Sie uns heute ſo<lb/> lange zu Dienſten geſtanden ſind. Ihre Stellung iſt ſo<lb/> traurig, daß wir um keinen Preis ihre Standhaftigkeit länger<lb/> auf die Probe ſtellen möchten. Gehen Sie jetzt nach Hauſe,<lb/> aber vergeſſen Sie Ihre Reden, Predigten und Verſe nicht,<lb/> denn morgen fangen wir in aller Ruhe und Gemüthlichkeit<lb/> den Spaß noch einmal von vorne an. Auf Wiederſehen!</p><lb/> <stage>(Alle entfernen ſich, <hi rendition="#fr"><hi rendition="#b">Leonce, Lena, Valerio</hi></hi> und die <hi rendition="#fr"><hi rendition="#b">Gouvernante</hi></hi> aus-<lb/> genommen.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#LEO"> <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Leonce.</hi> </hi> </speaker> <p>Nun Lena, ſiehſt du jetzt, wie wir die Taſchen<lb/> voll haben, voll Puppen und Spielzeug? Was wollen wir<lb/> damit anfangen, wollen wir ihnen Schnurrbärte machen und<lb/> ihnen Säbel anhängen? Oder wollen wir ihnen Fräcke an-<lb/> ziehen und ſie infuſoriſche Politik und Diplomatie treiben<lb/> laſſen, und uns mit dem Mikroskop daneben ſetzen? Oder<lb/> haſt du Verlangen nach einer Drehorgel, auf der die milch-<lb/> weißen äſthetiſchen Spitzmäuſe herumhuſchen? Wollen wir<lb/> ein Theater bauen? <stage>Lena lehnt ſich an und ſchüttelt den<lb/> Kopf.)</stage> Aber ich weiß beſſer, was du willſt, wir laſſen alle<lb/> Uhren zerſchlagen, alle Kalender verbieten, und zählen Stun-<lb/> den und Monden nur nach der Blumenuhr, nur nach Blüthe<lb/> und Frucht. Und dann umſtellen wir das Ländchen mit<lb/> Brennſpiegeln, daß es keinen Winter mehr gibt, und wir<lb/> uns im Sommer des Iſchia und Capri hinaufdeſtilliren, und<lb/> das ganze Jahr zwiſchen Roſen und Veilchen, zwiſchen<lb/> Orangen und Lorbeer ſtecken.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [156/0352]
Der Menſch hat mich vorhin confus gemacht, ich muß mir
wieder heraushelfen.
Leonce. (zu den Anweſenden.) Meine Herren! meine Ge-
mahlin und ich bedauern unendlich, daß Sie uns heute ſo
lange zu Dienſten geſtanden ſind. Ihre Stellung iſt ſo
traurig, daß wir um keinen Preis ihre Standhaftigkeit länger
auf die Probe ſtellen möchten. Gehen Sie jetzt nach Hauſe,
aber vergeſſen Sie Ihre Reden, Predigten und Verſe nicht,
denn morgen fangen wir in aller Ruhe und Gemüthlichkeit
den Spaß noch einmal von vorne an. Auf Wiederſehen!
(Alle entfernen ſich, Leonce, Lena, Valerio und die Gouvernante aus-
genommen.)
Leonce. Nun Lena, ſiehſt du jetzt, wie wir die Taſchen
voll haben, voll Puppen und Spielzeug? Was wollen wir
damit anfangen, wollen wir ihnen Schnurrbärte machen und
ihnen Säbel anhängen? Oder wollen wir ihnen Fräcke an-
ziehen und ſie infuſoriſche Politik und Diplomatie treiben
laſſen, und uns mit dem Mikroskop daneben ſetzen? Oder
haſt du Verlangen nach einer Drehorgel, auf der die milch-
weißen äſthetiſchen Spitzmäuſe herumhuſchen? Wollen wir
ein Theater bauen? Lena lehnt ſich an und ſchüttelt den
Kopf.) Aber ich weiß beſſer, was du willſt, wir laſſen alle
Uhren zerſchlagen, alle Kalender verbieten, und zählen Stun-
den und Monden nur nach der Blumenuhr, nur nach Blüthe
und Frucht. Und dann umſtellen wir das Ländchen mit
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