Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite
Wozzeck. Ja wohl, Herr Hauptmann!
Hauptmann. Wozzeck, Er sieht immer so verhetzt aus!
Ein guter Mensch thut das nicht, ein guter Mensch, der sein
gutes Gewissen hat, thut Alles langsam .... Red' Er doch
was, Wozzeck. Was ist heut für Wetter?
Wozzeck. Schlimm, Herr Hauptmann, schlimm. Wind!
Hauptmann. Ich spür's schon, 's ist so was Ge-
schwindes draußen; so ein Wind macht mir den Effect, wie
eine Maus. (Pfiffig.) Ich glaub', wir haben so was aus
Süd-Nord?
Wozzeck. Ja wohl, Herr Hauptmann.
Hauptmann. Ha! ha! ha! Süd-Nord! Ha! ha! ha!
O Er ist dumm, ganz abscheulich dumm! (Gerührt.) Wozzeck,
Er ist ein guter Mensch, aber (mit Würde) , Wozzeck, Er hat
keine Moral! Moral, das ist, wenn man moralisch ist,
versteht Er? Es ist ein gutes Wort. Er hat ein Kind
ohne den Segen der Kirche, wie unser hochwürdiger Herr
Garnisonsprediger sagt, "ohne den Segen der Kirche" --
das Wort ist nicht von mir.
Wozzeck. Herr Hauptmann! Der liebe Gott wird den
armen Wurm nicht d'rum ansehen, ob das Amen darüber
gesagt ist, eh' er gemacht wurde. Der Herr sprach: Lasset
die Kleinen zu mir kommen!
Hauptmann. Was sagt Er da? Was ist das für
eine kuriose Antwort? Er macht mich ganz confus mit
seiner Antwort. Wenn ich sage: Er, so meine ich Ihn,
Ihn ...
Wozzeck. Wir arme Leut! Sehen Sie, Herr Haupt-
mann, Geld, Geld! Wer kein Geld hat! -- Da setz' ein-
mal einer Seinesgleichen auf die moralische Art in die Welt!
Wozzeck. Ja wohl, Herr Hauptmann!
Hauptmann. Wozzeck, Er ſieht immer ſo verhetzt aus!
Ein guter Menſch thut das nicht, ein guter Menſch, der ſein
gutes Gewiſſen hat, thut Alles langſam .... Red' Er doch
was, Wozzeck. Was iſt heut für Wetter?
Wozzeck. Schlimm, Herr Hauptmann, ſchlimm. Wind!
Hauptmann. Ich ſpür's ſchon, 's iſt ſo was Ge-
ſchwindes draußen; ſo ein Wind macht mir den Effect, wie
eine Maus. (Pfiffig.) Ich glaub', wir haben ſo was aus
Süd-Nord?
Wozzeck. Ja wohl, Herr Hauptmann.
Hauptmann. Ha! ha! ha! Süd-Nord! Ha! ha! ha!
O Er iſt dumm, ganz abſcheulich dumm! (Gerührt.) Wozzeck,
Er iſt ein guter Menſch, aber (mit Würde) , Wozzeck, Er hat
keine Moral! Moral, das iſt, wenn man moraliſch iſt,
verſteht Er? Es iſt ein gutes Wort. Er hat ein Kind
ohne den Segen der Kirche, wie unſer hochwürdiger Herr
Garniſonsprediger ſagt, "ohne den Segen der Kirche" —
das Wort iſt nicht von mir.
Wozzeck. Herr Hauptmann! Der liebe Gott wird den
armen Wurm nicht d'rum anſehen, ob das Amen darüber
geſagt iſt, eh' er gemacht wurde. Der Herr ſprach: Laſſet
die Kleinen zu mir kommen!
Hauptmann. Was ſagt Er da? Was iſt das für
eine kurioſe Antwort? Er macht mich ganz confus mit
ſeiner Antwort. Wenn ich ſage: Er, ſo meine ich Ihn,
Ihn ...
Wozzeck. Wir arme Leut! Sehen Sie, Herr Haupt-
mann, Geld, Geld! Wer kein Geld hat! — Da ſetz' ein-
mal einer Seinesgleichen auf die moraliſche Art in die Welt!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div type="scene" n="3">
            <pb facs="#f0360" n="164"/>
            <sp who="#WOZ">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Wozzeck.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Ja wohl, Herr Hauptmann!</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#HAU">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Hauptmann.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Wozzeck, Er &#x017F;ieht immer &#x017F;o verhetzt aus!<lb/>
Ein guter Men&#x017F;ch thut das nicht, ein guter Men&#x017F;ch, der &#x017F;ein<lb/>
gutes Gewi&#x017F;&#x017F;en hat, thut Alles lang&#x017F;am .... Red' Er doch<lb/>
was, Wozzeck. Was i&#x017F;t heut für Wetter?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#WOZ">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Wozzeck.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Schlimm, Herr Hauptmann, &#x017F;chlimm. Wind!</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#HAU">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Hauptmann.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Ich &#x017F;pür's &#x017F;chon, 's i&#x017F;t &#x017F;o was Ge-<lb/>
&#x017F;chwindes draußen; &#x017F;o ein Wind macht mir den Effect, wie<lb/>
eine Maus.<stage>(Pfiffig.)</stage> Ich glaub', wir haben &#x017F;o was aus<lb/>
Süd-Nord?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#WOZ">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Wozzeck.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Ja wohl, Herr Hauptmann.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#HAU">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Hauptmann.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Ha! ha! ha! Süd-Nord! Ha! ha! ha!<lb/>
O Er i&#x017F;t dumm, ganz ab&#x017F;cheulich dumm! <stage>(Gerührt.)</stage> Wozzeck,<lb/>
Er i&#x017F;t ein guter Men&#x017F;ch, aber <stage>(mit Würde)</stage>, Wozzeck, Er hat<lb/>
keine Moral! Moral, das i&#x017F;t, wenn man morali&#x017F;ch i&#x017F;t,<lb/>
ver&#x017F;teht Er? Es i&#x017F;t ein gutes Wort. Er hat ein Kind<lb/>
ohne den Segen der Kirche, wie un&#x017F;er hochwürdiger Herr<lb/>
Garni&#x017F;onsprediger &#x017F;agt, "ohne den Segen der Kirche" &#x2014;<lb/>
das Wort i&#x017F;t nicht von mir.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#WOZ">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Wozzeck.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Herr Hauptmann! Der liebe Gott wird den<lb/>
armen Wurm nicht d'rum an&#x017F;ehen, ob das Amen darüber<lb/>
ge&#x017F;agt i&#x017F;t, eh' er gemacht wurde. Der Herr &#x017F;prach: La&#x017F;&#x017F;et<lb/>
die Kleinen zu mir kommen!</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#HAU">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Hauptmann.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Was &#x017F;agt Er da? Was i&#x017F;t das für<lb/>
eine kurio&#x017F;e Antwort? Er macht mich ganz confus mit<lb/>
&#x017F;einer Antwort. Wenn ich &#x017F;age: Er, &#x017F;o meine ich Ihn,<lb/>
Ihn ...</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#WOZ">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Wozzeck.</hi> </hi> </speaker>
              <p>Wir arme Leut! Sehen Sie, Herr Haupt-<lb/>
mann, Geld, Geld! Wer kein Geld hat! &#x2014; Da &#x017F;etz' ein-<lb/>
mal einer Seinesgleichen auf die morali&#x017F;che Art in die Welt!<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0360] Wozzeck. Ja wohl, Herr Hauptmann! Hauptmann. Wozzeck, Er ſieht immer ſo verhetzt aus! Ein guter Menſch thut das nicht, ein guter Menſch, der ſein gutes Gewiſſen hat, thut Alles langſam .... Red' Er doch was, Wozzeck. Was iſt heut für Wetter? Wozzeck. Schlimm, Herr Hauptmann, ſchlimm. Wind! Hauptmann. Ich ſpür's ſchon, 's iſt ſo was Ge- ſchwindes draußen; ſo ein Wind macht mir den Effect, wie eine Maus.(Pfiffig.) Ich glaub', wir haben ſo was aus Süd-Nord? Wozzeck. Ja wohl, Herr Hauptmann. Hauptmann. Ha! ha! ha! Süd-Nord! Ha! ha! ha! O Er iſt dumm, ganz abſcheulich dumm! (Gerührt.) Wozzeck, Er iſt ein guter Menſch, aber (mit Würde), Wozzeck, Er hat keine Moral! Moral, das iſt, wenn man moraliſch iſt, verſteht Er? Es iſt ein gutes Wort. Er hat ein Kind ohne den Segen der Kirche, wie unſer hochwürdiger Herr Garniſonsprediger ſagt, "ohne den Segen der Kirche" — das Wort iſt nicht von mir. Wozzeck. Herr Hauptmann! Der liebe Gott wird den armen Wurm nicht d'rum anſehen, ob das Amen darüber geſagt iſt, eh' er gemacht wurde. Der Herr ſprach: Laſſet die Kleinen zu mir kommen! Hauptmann. Was ſagt Er da? Was iſt das für eine kurioſe Antwort? Er macht mich ganz confus mit ſeiner Antwort. Wenn ich ſage: Er, ſo meine ich Ihn, Ihn ... Wozzeck. Wir arme Leut! Sehen Sie, Herr Haupt- mann, Geld, Geld! Wer kein Geld hat! — Da ſetz' ein- mal einer Seinesgleichen auf die moraliſche Art in die Welt!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/360
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/360>, abgerufen am 21.11.2024.