parationen möglichst flüchtig geschrieben sind. Auch machen sich hier die Unlust und der Muthwille des Knaben in allerlei komischen Bemerkungen Luft, die er in das Dictat des Lehrers einfließen läßt. So fügt er einmal dem, aller- dings besonders schönen Versus memorialis:
"Wenn man "ich habe" sagen thut, Schickt sich das Verbum "est" sehr gut, Doch so, daß die Person dabei Allzeit im dativo sey",
die Bemerkung hinzu: "Dieser Vers wäre nicht unwerth, von Ihnen selbst, Herr Doktor, gedichtet worden zu sein!" -- und in seiner Uebersetzung von Cic. Or. pro Marc. III. 10. steht nach der Apostrophe an Cäsar: "Durch welche Lob- sprüche sollen wir Dich, den wir vor uns sehen, erheben, mit welchem Eifer dir nachahmen, mit welchem Wohlwollen dich umfassen?" in derselben Zeile zu lesen: "Wahrlich nur dadurch, indem wir dir die Tintenfässer an den Kopf werfen, der du uns die blühende Welt der Alten zur Wüste machst." Aehnliche Einschiebsel, die bei allem Muthwillen doch von gewisser ernsterer Erkenntniß zeugen, finden sich namentlich in eines anderen Lehrers Vorlesungen über antike Münz- kunde. Da lesen wir §. 11: "Von dem Nutzen der Münz- kunde. Sie bringt Langeweile und Abspannung hervor, und schon diese Symptome sind ja in den Augen jedes echten, tiefer in den Geist der Alten eingedrungenen Philologen der schlagende Beweis für den Nutzen dieses Studiums. O Herr Doktor! was sind Verstand, Scharfsinn, gesunde Vernunft? Leere Namen! -- Ein Düngerhaufe todter Gelehrsamkeit -- dies ist das allein würdige Ziel menschlichen Strebens!" -- Nicht minder bezeichnend ist das Motto, welches der Schüler
parationen möglichſt flüchtig geſchrieben ſind. Auch machen ſich hier die Unluſt und der Muthwille des Knaben in allerlei komiſchen Bemerkungen Luft, die er in das Dictat des Lehrers einfließen läßt. So fügt er einmal dem, aller- dings beſonders ſchönen Versus memorialis:
"Wenn man "ich habe" ſagen thut, Schickt ſich das Verbum "est" ſehr gut, Doch ſo, daß die Perſon dabei Allzeit im dativo ſey",
die Bemerkung hinzu: "Dieſer Vers wäre nicht unwerth, von Ihnen ſelbſt, Herr Doktor, gedichtet worden zu ſein!" — und in ſeiner Ueberſetzung von Cic. Or. pro Marc. III. 10. ſteht nach der Apoſtrophe an Cäſar: "Durch welche Lob- ſprüche ſollen wir Dich, den wir vor uns ſehen, erheben, mit welchem Eifer dir nachahmen, mit welchem Wohlwollen dich umfaſſen?" in derſelben Zeile zu leſen: "Wahrlich nur dadurch, indem wir dir die Tintenfäſſer an den Kopf werfen, der du uns die blühende Welt der Alten zur Wüſte machſt." Aehnliche Einſchiebſel, die bei allem Muthwillen doch von gewiſſer ernſterer Erkenntniß zeugen, finden ſich namentlich in eines anderen Lehrers Vorleſungen über antike Münz- kunde. Da leſen wir §. 11: "Von dem Nutzen der Münz- kunde. Sie bringt Langeweile und Abſpannung hervor, und ſchon dieſe Symptome ſind ja in den Augen jedes echten, tiefer in den Geiſt der Alten eingedrungenen Philologen der ſchlagende Beweis für den Nutzen dieſes Studiums. O Herr Doktor! was ſind Verſtand, Scharfſinn, geſunde Vernunft? Leere Namen! — Ein Düngerhaufe todter Gelehrſamkeit — dies iſt das allein würdige Ziel menſchlichen Strebens!" — Nicht minder bezeichnend iſt das Motto, welches der Schüler
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parationen möglichſt flüchtig geſchrieben ſind. Auch machen
ſich hier die Unluſt und der Muthwille des Knaben in
allerlei komiſchen Bemerkungen Luft, die er in das Dictat
des Lehrers einfließen läßt. So fügt er einmal dem, aller-
dings beſonders ſchönen Versus memorialis:
"Wenn man "ich habe" ſagen thut,
Schickt ſich das Verbum "est" ſehr gut,
Doch ſo, daß die Perſon dabei
Allzeit im dativo ſey",
die Bemerkung hinzu: "Dieſer Vers wäre nicht unwerth, von
Ihnen ſelbſt, Herr Doktor, gedichtet worden zu ſein!" —
und in ſeiner Ueberſetzung von Cic. Or. pro Marc. III. 10.
ſteht nach der Apoſtrophe an Cäſar: "Durch welche Lob-
ſprüche ſollen wir Dich, den wir vor uns ſehen, erheben,
mit welchem Eifer dir nachahmen, mit welchem Wohlwollen
dich umfaſſen?" in derſelben Zeile zu leſen: "Wahrlich nur
dadurch, indem wir dir die Tintenfäſſer an den Kopf werfen,
der du uns die blühende Welt der Alten zur Wüſte machſt."
Aehnliche Einſchiebſel, die bei allem Muthwillen doch von
gewiſſer ernſterer Erkenntniß zeugen, finden ſich namentlich
in eines anderen Lehrers Vorleſungen über antike Münz-
kunde. Da leſen wir §. 11: "Von dem Nutzen der Münz-
kunde. Sie bringt Langeweile und Abſpannung hervor, und
ſchon dieſe Symptome ſind ja in den Augen jedes echten,
tiefer in den Geiſt der Alten eingedrungenen Philologen der
ſchlagende Beweis für den Nutzen dieſes Studiums. O Herr
Doktor! was ſind Verſtand, Scharfſinn, geſunde Vernunft?
Leere Namen! — Ein Düngerhaufe todter Gelehrſamkeit —
dies iſt das allein würdige Ziel menſchlichen Strebens!" —
Nicht minder bezeichnend iſt das Motto, welches der Schüler
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. XXI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/37>, abgerufen am 23.11.2024.
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