weitere Zusätze und Aenderungen vorgenommen. Denn Büchner war ja bereits über die Aenderungen, welche Weidig an seinem Manuscript für die erste Auflage vorgenommen, so erzürnt, daß er sich, wie man im Anhang nachlesen mag, auf das heftigste darüber äußerte, ja die Arbeit nicht mehr als die seinige anerkennen wollte. Es ist also nicht anzunehmen, daß er sich an einer ferneren Umge- staltung betheiligt.
Der dritte Abdruck steht in den "Nachgelassenen Schriften, (Frankfurt, Sauerländer 1850.)" Der Herausgeber derselben, be- kanntlich Dr. Ludwig Büchner, sah sich jedoch nicht in der Lage das in seinem Besitze befindliche Exemplar der ersten Auflage einfach vollinhaltlich der Ausgabe einzufügen. Das verhinderten die traurigen, politischen Verhältnisse des Jahres, in dem seine Ausgabe erschien. "Von dem Landboten" bemerkt er in der Einleitung dieser Ausgabe (N. S. S. 50) "konnten wir nur den kleinsten Theil wiedergeben. Vieles darin bezog sich auf ehemalige specielle Landesverhältnisse, Anderes würde noch heutzutage Staatsverbrechen involviren. Die gegebenen Stellen mögen zur Beurtheilung des Ganzen hinweisen, dessen Hauptwerth ein historischer ist." Freilich rettete Dr. Büchner ehrlich, was nur immer zu retten war, ohne den damals gewaltig langen Arm des Strafgerichts gegen das Buch in Bewegung zu setzen, aber der Auszug war gleichwohl nur sehr dürftig und konnte von dem eigentlichen Charakter der Schrift kaum ein richtiges Bild auch nur errathen lassen. Die kräftigsten Stellen mußten wegbleiben, ebenso alle Orts- und Personennamen, selbst der Titel der Schrift heißt da: "Der ...... sche Landbote".
Jene Rücksichten, welchen damals Dr. Büchner "dem Zwang gehorchend, nicht dem eigenen Triebe" leider so ausgiebig Rechnung tragen mußte, sind heute nicht mehr wirksam. Der Staat "von Gottes Gnaden" existirt heute nicht mehr, der deutsche Bundestag ist todt, der deutsche Einheitsstaat ist erstanden. Die Streitschrift, welche so grimmig, mit dem glühenden Ethos einer Freiheit lieben- den Seele, den Absolutismus befehdet, ist völlig gegenstandlos ge- worden: was sie bekämpft hat, ist längst dahin. Selbst die bös- willigste Absicht wird diese Waffe nicht mehr gegen die Zustände der Gegenwart schwingen können. Heute hat diese merkwürdige
weitere Zuſätze und Aenderungen vorgenommen. Denn Büchner war ja bereits über die Aenderungen, welche Weidig an ſeinem Manuſcript für die erſte Auflage vorgenommen, ſo erzürnt, daß er ſich, wie man im Anhang nachleſen mag, auf das heftigſte darüber äußerte, ja die Arbeit nicht mehr als die ſeinige anerkennen wollte. Es iſt alſo nicht anzunehmen, daß er ſich an einer ferneren Umge- ſtaltung betheiligt.
Der dritte Abdruck ſteht in den "Nachgelaſſenen Schriften, (Frankfurt, Sauerländer 1850.)" Der Herausgeber derſelben, be- kanntlich Dr. Ludwig Büchner, ſah ſich jedoch nicht in der Lage das in ſeinem Beſitze befindliche Exemplar der erſten Auflage einfach vollinhaltlich der Ausgabe einzufügen. Das verhinderten die traurigen, politiſchen Verhältniſſe des Jahres, in dem ſeine Ausgabe erſchien. "Von dem Landboten" bemerkt er in der Einleitung dieſer Ausgabe (N. S. S. 50) "konnten wir nur den kleinſten Theil wiedergeben. Vieles darin bezog ſich auf ehemalige ſpecielle Landesverhältniſſe, Anderes würde noch heutzutage Staatsverbrechen involviren. Die gegebenen Stellen mögen zur Beurtheilung des Ganzen hinweiſen, deſſen Hauptwerth ein hiſtoriſcher iſt." Freilich rettete Dr. Büchner ehrlich, was nur immer zu retten war, ohne den damals gewaltig langen Arm des Strafgerichts gegen das Buch in Bewegung zu ſetzen, aber der Auszug war gleichwohl nur ſehr dürftig und konnte von dem eigentlichen Charakter der Schrift kaum ein richtiges Bild auch nur errathen laſſen. Die kräftigſten Stellen mußten wegbleiben, ebenſo alle Orts- und Perſonennamen, ſelbſt der Titel der Schrift heißt da: "Der ...... ſche Landbote".
Jene Rückſichten, welchen damals Dr. Büchner "dem Zwang gehorchend, nicht dem eigenen Triebe" leider ſo ausgiebig Rechnung tragen mußte, ſind heute nicht mehr wirkſam. Der Staat "von Gottes Gnaden" exiſtirt heute nicht mehr, der deutſche Bundestag iſt todt, der deutſche Einheitsſtaat iſt erſtanden. Die Streitſchrift, welche ſo grimmig, mit dem glühenden Ethos einer Freiheit lieben- den Seele, den Abſolutismus befehdet, iſt völlig gegenſtandlos ge- worden: was ſie bekämpft hat, iſt längſt dahin. Selbſt die bös- willigſte Abſicht wird dieſe Waffe nicht mehr gegen die Zuſtände der Gegenwart ſchwingen können. Heute hat dieſe merkwürdige
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weitere Zuſätze und Aenderungen vorgenommen. Denn Büchner
war ja bereits über die Aenderungen, welche Weidig an ſeinem
Manuſcript für die erſte Auflage vorgenommen, ſo erzürnt, daß er
ſich, wie man im Anhang nachleſen mag, auf das heftigſte darüber
äußerte, ja die Arbeit nicht mehr als die ſeinige anerkennen wollte.
Es iſt alſo nicht anzunehmen, daß er ſich an einer ferneren Umge-
ſtaltung betheiligt.
Der dritte Abdruck ſteht in den "Nachgelaſſenen Schriften,
(Frankfurt, Sauerländer 1850.)" Der Herausgeber derſelben, be-
kanntlich Dr. Ludwig Büchner, ſah ſich jedoch nicht in der Lage das
in ſeinem Beſitze befindliche Exemplar der erſten Auflage einfach
vollinhaltlich der Ausgabe einzufügen. Das verhinderten die traurigen,
politiſchen Verhältniſſe des Jahres, in dem ſeine Ausgabe erſchien.
"Von dem Landboten" bemerkt er in der Einleitung dieſer Ausgabe
(N. S. S. 50) "konnten wir nur den kleinſten Theil wiedergeben.
Vieles darin bezog ſich auf ehemalige ſpecielle Landesverhältniſſe,
Anderes würde noch heutzutage Staatsverbrechen involviren. Die
gegebenen Stellen mögen zur Beurtheilung des Ganzen hinweiſen,
deſſen Hauptwerth ein hiſtoriſcher iſt." Freilich rettete Dr. Büchner
ehrlich, was nur immer zu retten war, ohne den damals gewaltig
langen Arm des Strafgerichts gegen das Buch in Bewegung zu
ſetzen, aber der Auszug war gleichwohl nur ſehr dürftig und konnte
von dem eigentlichen Charakter der Schrift kaum ein richtiges Bild
auch nur errathen laſſen. Die kräftigſten Stellen mußten wegbleiben,
ebenſo alle Orts- und Perſonennamen, ſelbſt der Titel der Schrift
heißt da: "Der ...... ſche Landbote".
Jene Rückſichten, welchen damals Dr. Büchner "dem Zwang
gehorchend, nicht dem eigenen Triebe" leider ſo ausgiebig Rechnung
tragen mußte, ſind heute nicht mehr wirkſam. Der Staat "von
Gottes Gnaden" exiſtirt heute nicht mehr, der deutſche Bundestag
iſt todt, der deutſche Einheitsſtaat iſt erſtanden. Die Streitſchrift,
welche ſo grimmig, mit dem glühenden Ethos einer Freiheit lieben-
den Seele, den Abſolutismus befehdet, iſt völlig gegenſtandlos ge-
worden: was ſie bekämpft hat, iſt längſt dahin. Selbſt die bös-
willigſte Abſicht wird dieſe Waffe nicht mehr gegen die Zuſtände
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/480>, abgerufen am 25.11.2024.
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