Der obere umschließt das Central-Organ des animalen Lebens; der andre das Central-Organ des vegetativen Lebens oder die große Körper-Pulsader, so daß diese letztere, gerade so wie das Rückenmark, einen förmlichen Wirbelkanal besitzt. Man denke sich nun, daß die Theile, welche diesen Bogen bilden, sich nicht mehr in der Mittellinie vereinigen, und man hat die Rippen! Bei den höheren Thieren ergänzt sich dieser Bogen durch das Brustbein. Die hauptsächlichsten, vor der Wirbelsäule gelegenen und durch den unteren Bogen eingeschlossenen Organe des vegetativen Lebens sind die, der Verdauung und der Athmung dienenden Röhren-Systeme. In ähnlicher Weise wiederholt die Mundhöhle mit ihren Speichel-Organen das Verdauungs-Rohr mit seinen drüsigen Anhängen, und die Nase das Athmungs-Rohr, indem die Knochen des Gesichtes den unteren Ring oder die Querfort- sätze und Rippen der Schädelwirbel vorstellen.
Uebrigens sind alle diese Vergleichungen nur annähernder Art. Ich leugne nicht die großen Verschiedenheiten zwischen Kopf und Rumpf, zwischen Gehirn und Rückenmark, zwischen Hirn-Nerven und Rückenmarks-Nerven, und will nur den ursprünglichen Typus zeigen, nach welchem sich diese Theile entwickelt haben. Man kann einen solchen Typus nur ver- kennen, wenn man hartnäckig Thatsachen aufsucht, welche schwer zu erkennen und scheinbar willkürlich sind. Die Natur ist groß und reich, nicht weil sie in jedem Augenblick willkürlich neue Organe für neue Vorrichtungen schafft, sondern weil sie die höchsten und reinsten Formen nach dem einfachsten Plane hervorbringt.
Der obere umſchließt das Central-Organ des animalen Lebens; der andre das Central-Organ des vegetativen Lebens oder die große Körper-Pulsader, ſo daß dieſe letztere, gerade ſo wie das Rückenmark, einen förmlichen Wirbelkanal beſitzt. Man denke ſich nun, daß die Theile, welche dieſen Bogen bilden, ſich nicht mehr in der Mittellinie vereinigen, und man hat die Rippen! Bei den höheren Thieren ergänzt ſich dieſer Bogen durch das Bruſtbein. Die hauptſächlichſten, vor der Wirbelſäule gelegenen und durch den unteren Bogen eingeſchloſſenen Organe des vegetativen Lebens ſind die, der Verdauung und der Athmung dienenden Röhren-Syſteme. In ähnlicher Weiſe wiederholt die Mundhöhle mit ihren Speichel-Organen das Verdauungs-Rohr mit ſeinen drüſigen Anhängen, und die Naſe das Athmungs-Rohr, indem die Knochen des Geſichtes den unteren Ring oder die Querfort- ſätze und Rippen der Schädelwirbel vorſtellen.
Uebrigens ſind alle dieſe Vergleichungen nur annähernder Art. Ich leugne nicht die großen Verſchiedenheiten zwiſchen Kopf und Rumpf, zwiſchen Gehirn und Rückenmark, zwiſchen Hirn-Nerven und Rückenmarks-Nerven, und will nur den urſprünglichen Typus zeigen, nach welchem ſich dieſe Theile entwickelt haben. Man kann einen ſolchen Typus nur ver- kennen, wenn man hartnäckig Thatſachen aufſucht, welche ſchwer zu erkennen und ſcheinbar willkürlich ſind. Die Natur iſt groß und reich, nicht weil ſie in jedem Augenblick willkürlich neue Organe für neue Vorrichtungen ſchafft, ſondern weil ſie die höchſten und reinſten Formen nach dem einfachſten Plane hervorbringt.
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Der obere umſchließt das Central-Organ des animalen Lebens;
der andre das Central-Organ des vegetativen Lebens oder
die große Körper-Pulsader, ſo daß dieſe letztere, gerade ſo
wie das Rückenmark, einen förmlichen Wirbelkanal beſitzt.
Man denke ſich nun, daß die Theile, welche dieſen Bogen
bilden, ſich nicht mehr in der Mittellinie vereinigen, und
man hat die Rippen! Bei den höheren Thieren ergänzt ſich
dieſer Bogen durch das Bruſtbein. Die hauptſächlichſten,
vor der Wirbelſäule gelegenen und durch den unteren Bogen
eingeſchloſſenen Organe des vegetativen Lebens ſind die, der
Verdauung und der Athmung dienenden Röhren-Syſteme.
In ähnlicher Weiſe wiederholt die Mundhöhle mit ihren
Speichel-Organen das Verdauungs-Rohr mit ſeinen drüſigen
Anhängen, und die Naſe das Athmungs-Rohr, indem die
Knochen des Geſichtes den unteren Ring oder die Querfort-
ſätze und Rippen der Schädelwirbel vorſtellen.
Uebrigens ſind alle dieſe Vergleichungen nur annähernder
Art. Ich leugne nicht die großen Verſchiedenheiten zwiſchen
Kopf und Rumpf, zwiſchen Gehirn und Rückenmark, zwiſchen
Hirn-Nerven und Rückenmarks-Nerven, und will nur den
urſprünglichen Typus zeigen, nach welchem ſich dieſe Theile
entwickelt haben. Man kann einen ſolchen Typus nur ver-
kennen, wenn man hartnäckig Thatſachen aufſucht, welche
ſchwer zu erkennen und ſcheinbar willkürlich ſind. Die
Natur iſt groß und reich, nicht weil ſie in jedem Augenblick
willkürlich neue Organe für neue Vorrichtungen ſchafft,
ſondern weil ſie die höchſten und reinſten Formen nach dem
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/493>, abgerufen am 25.11.2024.
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