"Es kann nicht mehrere Substanzen von gleicher Natur oder gleichem Attribute geben."
Dies beweist Spinoza so:
"Wenn es mehrere verschiedene Substanzen gäbe, so müßte man sie von einander entweder durch die Verschiedenheit ihrer Attribute oder ihrer Affectionen unterscheiden. Wollte man sie nun durch die Verschiedenheit ihrer Attribute unter- scheiden, so müßte man zugeben, daß es nur eine Substanz von einem und demselben Attribute gäbe. Will man aber die Substanzen nach ihren Affectionen unterscheiden, so muß man dieselben, da die Substanz ihrer Natur nach eher da ist, als ihre Affectionen, ohne ihren Affect, d. h. an und für sich, betrachten, und es ist alsdann undenkbar, durch was sie von einander unterschieden werden könnten; es kann daher nicht mehrere Substanzen, sondern nur eine Substanz von derselben Natur geben."
Hierzu bemerke ich:
Dieser Satz beweist nur, daß wir Dinge von gleichen Eigenschaften, wenn wir sie successive betrachten (um die
20 *
Aus der Monographie: Das Syſtem des Spinoza.
Der fünfte Lehrſatz des Spinoza lautet:
"Es kann nicht mehrere Subſtanzen von gleicher Natur oder gleichem Attribute geben."
Dies beweiſt Spinoza ſo:
"Wenn es mehrere verſchiedene Subſtanzen gäbe, ſo müßte man ſie von einander entweder durch die Verſchiedenheit ihrer Attribute oder ihrer Affectionen unterſcheiden. Wollte man ſie nun durch die Verſchiedenheit ihrer Attribute unter- ſcheiden, ſo müßte man zugeben, daß es nur eine Subſtanz von einem und demſelben Attribute gäbe. Will man aber die Subſtanzen nach ihren Affectionen unterſcheiden, ſo muß man dieſelben, da die Subſtanz ihrer Natur nach eher da iſt, als ihre Affectionen, ohne ihren Affect, d. h. an und für ſich, betrachten, und es iſt alsdann undenkbar, durch was ſie von einander unterſchieden werden könnten; es kann daher nicht mehrere Subſtanzen, ſondern nur eine Subſtanz von derſelben Natur geben."
Hierzu bemerke ich:
Dieſer Satz beweiſt nur, daß wir Dinge von gleichen Eigenſchaften, wenn wir ſie ſucceſſive betrachten (um die
20 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0503"n="[307]"/><divn="3"><head><hirendition="#c"><hirendition="#fr"><hirendition="#b">Aus der Monographie:<lb/><hirendition="#g">Das Syſtem des Spinoza</hi>.</hi></hi></hi></head><lb/><p>Der fünfte Lehrſatz des Spinoza lautet:</p><lb/><p>"Es kann nicht mehrere Subſtanzen von gleicher Natur<lb/>
oder gleichem Attribute geben."</p><lb/><p>Dies beweiſt Spinoza ſo:</p><lb/><p>"Wenn es mehrere verſchiedene Subſtanzen gäbe, ſo<lb/>
müßte man ſie von einander entweder durch die Verſchiedenheit<lb/>
ihrer Attribute oder ihrer Affectionen unterſcheiden. Wollte<lb/>
man ſie nun durch die Verſchiedenheit ihrer Attribute unter-<lb/>ſcheiden, ſo müßte man zugeben, daß es nur eine Subſtanz<lb/>
von einem und demſelben Attribute gäbe. Will man aber<lb/>
die Subſtanzen nach ihren Affectionen unterſcheiden, ſo muß<lb/>
man dieſelben, da die Subſtanz ihrer Natur nach eher da<lb/>
iſt, als ihre Affectionen, ohne ihren Affect, d. h. an und<lb/>
für ſich, betrachten, und es iſt alsdann undenkbar, durch was<lb/>ſie von einander unterſchieden werden könnten; es kann daher<lb/>
nicht mehrere Subſtanzen, ſondern nur eine Subſtanz von<lb/>
derſelben Natur geben."</p><lb/><p>Hierzu bemerke ich:</p><lb/><p>Dieſer Satz beweiſt nur, daß wir Dinge von gleichen<lb/>
Eigenſchaften, wenn wir ſie <hirendition="#g">ſucceſſive</hi> betrachten (um die<lb/><fwplace="bottom"type="sig">20 *</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[[307]/0503]
Aus der Monographie:
Das Syſtem des Spinoza.
Der fünfte Lehrſatz des Spinoza lautet:
"Es kann nicht mehrere Subſtanzen von gleicher Natur
oder gleichem Attribute geben."
Dies beweiſt Spinoza ſo:
"Wenn es mehrere verſchiedene Subſtanzen gäbe, ſo
müßte man ſie von einander entweder durch die Verſchiedenheit
ihrer Attribute oder ihrer Affectionen unterſcheiden. Wollte
man ſie nun durch die Verſchiedenheit ihrer Attribute unter-
ſcheiden, ſo müßte man zugeben, daß es nur eine Subſtanz
von einem und demſelben Attribute gäbe. Will man aber
die Subſtanzen nach ihren Affectionen unterſcheiden, ſo muß
man dieſelben, da die Subſtanz ihrer Natur nach eher da
iſt, als ihre Affectionen, ohne ihren Affect, d. h. an und
für ſich, betrachten, und es iſt alsdann undenkbar, durch was
ſie von einander unterſchieden werden könnten; es kann daher
nicht mehrere Subſtanzen, ſondern nur eine Subſtanz von
derſelben Natur geben."
Hierzu bemerke ich:
Dieſer Satz beweiſt nur, daß wir Dinge von gleichen
Eigenſchaften, wenn wir ſie ſucceſſive betrachten (um die
20 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. [307]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/503>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.