habe ich mich bereits an das Disciplinargericht gewendet und es um Schutz gegen die Willkür des Universitätsrichters ge- beten. Ich bin auf die Antwort begierig. Ich kann mich nicht entschließen, auf die mir gebührende Genugthuung zu verzichten. Das Verletzen meiner heiligsten Rechte und das Einbrechen in alle meine Geheimnisse, das Berühren von Papieren, die mir Heiligthümer sind, empörten mich zu tief, als daß ich nicht jedes Mittel ergreifen sollte, um mich an dem Urheber dieser Gewaltthat zu rächen. Den Universitäts- richter habe ich mittelst des höflichsten Spottes fast ums Leben gebracht. Wie ich zurückkam, mein Zimmer mir ver- boten und mein Pult versiegelt fand, lief ich zu ihm und sagte ihm ganz kaltblütig mit der größten Höflichkeit, in Gegenwart mehrerer Personen: wie ich vernommen, habe er in meiner Abwesenheit mein Zimmer mit seinem Besuche beehrt, ich komme, um ihn um den Grund seines gütigen Besuches zu fragen etc. -- Es ist Schade, daß ich nicht nach dem Mittagessen gekommen, aber auch so barst er fast und mußte diese beißende Ironie mit der größten Höflichkeit be- antworten. Das Gesetz sagt, nur in Fällen sehr dringen- den Verdachts, ja nur eines Verdachtes, der statt halben Beweises gelten könne, dürfe eine Haussuchung vorge- nommen werden. Ihr seht, wie man das Gesetz auslegt. Verdacht, am wenigsten ein dringender, kann nicht gegen mich vorliegen, sonst müßte ich verhaftet sein; in der Zeit, wo ich hier bin, könnte ich ja jede Untersuchung durch Ver- abreden gleichlautender Aussagen und dergleichen unmöglich machen. Es geht hieraus hervor, daß ich durch nichts compromittirt bin, und daß die Haussuchung nur vorgenommen worden, weil ich nicht liederlich und nicht sclavisch genug
habe ich mich bereits an das Disciplinargericht gewendet und es um Schutz gegen die Willkür des Univerſitätsrichters ge- beten. Ich bin auf die Antwort begierig. Ich kann mich nicht entſchließen, auf die mir gebührende Genugthuung zu verzichten. Das Verletzen meiner heiligſten Rechte und das Einbrechen in alle meine Geheimniſſe, das Berühren von Papieren, die mir Heiligthümer ſind, empörten mich zu tief, als daß ich nicht jedes Mittel ergreifen ſollte, um mich an dem Urheber dieſer Gewaltthat zu rächen. Den Univerſitäts- richter habe ich mittelſt des höflichſten Spottes faſt ums Leben gebracht. Wie ich zurückkam, mein Zimmer mir ver- boten und mein Pult verſiegelt fand, lief ich zu ihm und ſagte ihm ganz kaltblütig mit der größten Höflichkeit, in Gegenwart mehrerer Perſonen: wie ich vernommen, habe er in meiner Abweſenheit mein Zimmer mit ſeinem Beſuche beehrt, ich komme, um ihn um den Grund ſeines gütigen Beſuches zu fragen etc. — Es iſt Schade, daß ich nicht nach dem Mittageſſen gekommen, aber auch ſo barſt er faſt und mußte dieſe beißende Ironie mit der größten Höflichkeit be- antworten. Das Geſetz ſagt, nur in Fällen ſehr dringen- den Verdachts, ja nur eines Verdachtes, der ſtatt halben Beweiſes gelten könne, dürfe eine Hausſuchung vorge- nommen werden. Ihr ſeht, wie man das Geſetz auslegt. Verdacht, am wenigſten ein dringender, kann nicht gegen mich vorliegen, ſonſt müßte ich verhaftet ſein; in der Zeit, wo ich hier bin, könnte ich ja jede Unterſuchung durch Ver- abreden gleichlautender Ausſagen und dergleichen unmöglich machen. Es geht hieraus hervor, daß ich durch nichts compromittirt bin, und daß die Hausſuchung nur vorgenommen worden, weil ich nicht liederlich und nicht ſclaviſch genug
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0537"n="341"/>
habe ich mich bereits an das Disciplinargericht gewendet und<lb/>
es um Schutz gegen die Willkür des Univerſitätsrichters ge-<lb/>
beten. Ich bin auf die Antwort begierig. Ich kann mich<lb/>
nicht entſchließen, auf die mir gebührende Genugthuung zu<lb/>
verzichten. Das Verletzen meiner heiligſten Rechte und das<lb/>
Einbrechen in alle meine Geheimniſſe, das Berühren von<lb/>
Papieren, die mir Heiligthümer ſind, empörten mich zu tief,<lb/>
als daß ich nicht jedes Mittel ergreifen ſollte, um mich an<lb/>
dem Urheber dieſer Gewaltthat zu rächen. Den Univerſitäts-<lb/>
richter habe ich mittelſt des höflichſten Spottes faſt ums<lb/>
Leben gebracht. Wie ich zurückkam, mein Zimmer mir ver-<lb/>
boten und mein Pult verſiegelt fand, lief ich zu ihm und<lb/>ſagte ihm ganz kaltblütig mit der größten Höflichkeit, in<lb/>
Gegenwart mehrerer Perſonen: wie ich vernommen, habe er<lb/>
in meiner Abweſenheit mein Zimmer mit ſeinem Beſuche<lb/><hirendition="#g">beehrt</hi>, ich komme, um ihn um den Grund ſeines gütigen<lb/>
Beſuches zu fragen etc. — Es iſt Schade, daß ich nicht nach<lb/>
dem Mittageſſen gekommen, aber auch ſo barſt er faſt und<lb/>
mußte dieſe beißende Ironie mit der größten Höflichkeit be-<lb/>
antworten. Das Geſetz ſagt, nur in Fällen ſehr <hirendition="#g">dringen</hi>-<lb/><hirendition="#g">den</hi> Verdachts, ja nur eines Verdachtes, der ſtatt <hirendition="#g">halben<lb/>
Beweiſes</hi> gelten <hirendition="#g">könne</hi>, dürfe eine Hausſuchung vorge-<lb/>
nommen werden. Ihr ſeht, wie man das Geſetz auslegt.<lb/>
Verdacht, am wenigſten ein dringender, kann nicht gegen<lb/>
mich vorliegen, ſonſt müßte ich verhaftet ſein; in der Zeit,<lb/>
wo ich hier bin, könnte ich ja jede Unterſuchung durch Ver-<lb/>
abreden gleichlautender Ausſagen und dergleichen unmöglich<lb/>
machen. Es geht hieraus hervor, daß ich durch nichts<lb/>
compromittirt bin, und daß die Hausſuchung nur vorgenommen<lb/>
worden, weil ich nicht liederlich und nicht ſclaviſch genug<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[341/0537]
habe ich mich bereits an das Disciplinargericht gewendet und
es um Schutz gegen die Willkür des Univerſitätsrichters ge-
beten. Ich bin auf die Antwort begierig. Ich kann mich
nicht entſchließen, auf die mir gebührende Genugthuung zu
verzichten. Das Verletzen meiner heiligſten Rechte und das
Einbrechen in alle meine Geheimniſſe, das Berühren von
Papieren, die mir Heiligthümer ſind, empörten mich zu tief,
als daß ich nicht jedes Mittel ergreifen ſollte, um mich an
dem Urheber dieſer Gewaltthat zu rächen. Den Univerſitäts-
richter habe ich mittelſt des höflichſten Spottes faſt ums
Leben gebracht. Wie ich zurückkam, mein Zimmer mir ver-
boten und mein Pult verſiegelt fand, lief ich zu ihm und
ſagte ihm ganz kaltblütig mit der größten Höflichkeit, in
Gegenwart mehrerer Perſonen: wie ich vernommen, habe er
in meiner Abweſenheit mein Zimmer mit ſeinem Beſuche
beehrt, ich komme, um ihn um den Grund ſeines gütigen
Beſuches zu fragen etc. — Es iſt Schade, daß ich nicht nach
dem Mittageſſen gekommen, aber auch ſo barſt er faſt und
mußte dieſe beißende Ironie mit der größten Höflichkeit be-
antworten. Das Geſetz ſagt, nur in Fällen ſehr dringen-
den Verdachts, ja nur eines Verdachtes, der ſtatt halben
Beweiſes gelten könne, dürfe eine Hausſuchung vorge-
nommen werden. Ihr ſeht, wie man das Geſetz auslegt.
Verdacht, am wenigſten ein dringender, kann nicht gegen
mich vorliegen, ſonſt müßte ich verhaftet ſein; in der Zeit,
wo ich hier bin, könnte ich ja jede Unterſuchung durch Ver-
abreden gleichlautender Ausſagen und dergleichen unmöglich
machen. Es geht hieraus hervor, daß ich durch nichts
compromittirt bin, und daß die Hausſuchung nur vorgenommen
worden, weil ich nicht liederlich und nicht ſclaviſch genug
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/537>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.