Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

stellte; er ist ein ziemlich ruhiger und sehr anspruchsloser
Mann. Er beabsichtigt, in aller Nähe mit seiner Frau nach
Nancy und in Zeit von einem Jahr ungefähr nach Zürich
zu gehen, um dort zu dociren. ... Die Verhältnisse der
politischen Flüchtlinge sind in der Schweiz keineswegs so schlecht,
als man sich einbildet; die strengen Maßregeln erstrecken sich
nur auf diejenigen, welche durch ihre fortgesetzten Tollheiten
die Schweiz in die unangenehmsten Verhältnisse mit dem
Auslande gebracht und schon beinahe in einen Krieg mit
demselben verwickelt haben. .... Böckel und Baum sind
fortwährend meine intimsten Freunde; Letzterer will seine
Abhandlung über die Methodisten, wofür er einen Preis von
3000 Francs erhalten hat und öffentlich gekrönt worden ist,
drucken lassen. Ich habe mich in seinem Namen an Gutzkow
gewendet, mit dem ich fortwährend in Correspondenz stehe.
Er ist im Augenblick in Berlin, muß aber bald wieder zu-
rückkommen. Er scheint viel auf mich zu halten, ich bin
froh darüber, sein Literaturblatt steht in großem Ansehn. .....
Im Juni wird er hierherkommen, wie er mir schreibt. Daß
Mehreres aus meinem Drama im Phönix erschienen ist, hatte
ich durch ihn erfahren, er versicherte mich auch, daß das
Blatt viel Ehre damit eingelegt habe. Das Ganze muß
bald erscheinen. Im Fall es euch zu Gesicht kommt, bitte
ich euch, bei eurer Beurtheilung vorerst zu bedenken, daß ich
der Geschichte treu bleiben und die Männer der Revolution
geben mußte, wie sie waren: blutig, liederlich, energisch und
cynisch. Ich betrachte mein Drama wie ein geschichtliches
Gemälde, das seinem Original gleichen muß. ... Gutzkow
hat mich um Kritiken, wie um eine besondere Gefälligkeit
gebeten; ich konnte es nicht abschlagen, ich gebe mich ja doch

ſtellte; er iſt ein ziemlich ruhiger und ſehr anſpruchsloſer
Mann. Er beabſichtigt, in aller Nähe mit ſeiner Frau nach
Nancy und in Zeit von einem Jahr ungefähr nach Zürich
zu gehen, um dort zu dociren. ... Die Verhältniſſe der
politiſchen Flüchtlinge ſind in der Schweiz keineswegs ſo ſchlecht,
als man ſich einbildet; die ſtrengen Maßregeln erſtrecken ſich
nur auf diejenigen, welche durch ihre fortgeſetzten Tollheiten
die Schweiz in die unangenehmſten Verhältniſſe mit dem
Auslande gebracht und ſchon beinahe in einen Krieg mit
demſelben verwickelt haben. .... Böckel und Baum ſind
fortwährend meine intimſten Freunde; Letzterer will ſeine
Abhandlung über die Methodiſten, wofür er einen Preis von
3000 Francs erhalten hat und öffentlich gekrönt worden iſt,
drucken laſſen. Ich habe mich in ſeinem Namen an Gutzkow
gewendet, mit dem ich fortwährend in Correſpondenz ſtehe.
Er iſt im Augenblick in Berlin, muß aber bald wieder zu-
rückkommen. Er ſcheint viel auf mich zu halten, ich bin
froh darüber, ſein Literaturblatt ſteht in großem Anſehn. .....
Im Juni wird er hierherkommen, wie er mir ſchreibt. Daß
Mehreres aus meinem Drama im Phönix erſchienen iſt, hatte
ich durch ihn erfahren, er verſicherte mich auch, daß das
Blatt viel Ehre damit eingelegt habe. Das Ganze muß
bald erſcheinen. Im Fall es euch zu Geſicht kommt, bitte
ich euch, bei eurer Beurtheilung vorerſt zu bedenken, daß ich
der Geſchichte treu bleiben und die Männer der Revolution
geben mußte, wie ſie waren: blutig, liederlich, energiſch und
cyniſch. Ich betrachte mein Drama wie ein geſchichtliches
Gemälde, das ſeinem Original gleichen muß. ... Gutzkow
hat mich um Kritiken, wie um eine beſondere Gefälligkeit
gebeten; ich konnte es nicht abſchlagen, ich gebe mich ja doch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0543" n="347"/>
&#x017F;tellte; er i&#x017F;t ein ziemlich ruhiger und &#x017F;ehr an&#x017F;pruchslo&#x017F;er<lb/>
Mann. Er beab&#x017F;ichtigt, in aller Nähe mit &#x017F;einer Frau nach<lb/>
Nancy und in Zeit von einem Jahr ungefähr nach Zürich<lb/>
zu gehen, um dort zu dociren. ... Die Verhältni&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
politi&#x017F;chen Flüchtlinge &#x017F;ind in der Schweiz keineswegs &#x017F;o &#x017F;chlecht,<lb/>
als man &#x017F;ich einbildet; die &#x017F;trengen Maßregeln er&#x017F;trecken &#x017F;ich<lb/>
nur auf diejenigen, welche durch ihre fortge&#x017F;etzten Tollheiten<lb/>
die Schweiz in die unangenehm&#x017F;ten Verhältni&#x017F;&#x017F;e mit dem<lb/>
Auslande gebracht und &#x017F;chon beinahe in einen Krieg mit<lb/>
dem&#x017F;elben verwickelt haben. .... <hi rendition="#g">Böckel</hi> und <hi rendition="#g">Baum</hi> &#x017F;ind<lb/>
fortwährend meine intim&#x017F;ten Freunde; Letzterer will &#x017F;eine<lb/>
Abhandlung über die Methodi&#x017F;ten, wofür er einen Preis von<lb/>
3000 Francs erhalten hat und öffentlich gekrönt worden i&#x017F;t,<lb/>
drucken la&#x017F;&#x017F;en. Ich habe mich in &#x017F;einem Namen an <hi rendition="#g">Gutzkow</hi><lb/>
gewendet, mit dem ich fortwährend in Corre&#x017F;pondenz &#x017F;tehe.<lb/>
Er i&#x017F;t im Augenblick in Berlin, muß aber bald wieder zu-<lb/>
rückkommen. Er &#x017F;cheint viel auf mich zu halten, ich bin<lb/>
froh darüber, &#x017F;ein Literaturblatt &#x017F;teht in großem An&#x017F;ehn. .....<lb/>
Im Juni wird er hierherkommen, wie er mir &#x017F;chreibt. Daß<lb/>
Mehreres aus meinem Drama im Phönix er&#x017F;chienen i&#x017F;t, hatte<lb/>
ich durch ihn erfahren, er ver&#x017F;icherte mich auch, daß das<lb/>
Blatt viel Ehre damit eingelegt habe. Das Ganze muß<lb/>
bald er&#x017F;cheinen. Im Fall es euch zu Ge&#x017F;icht kommt, bitte<lb/>
ich euch, bei eurer Beurtheilung vorer&#x017F;t zu bedenken, daß ich<lb/>
der Ge&#x017F;chichte treu bleiben und die Männer der Revolution<lb/>
geben mußte, wie &#x017F;ie waren: blutig, liederlich, energi&#x017F;ch und<lb/>
cyni&#x017F;ch. Ich betrachte mein Drama wie ein ge&#x017F;chichtliches<lb/>
Gemälde, das &#x017F;einem Original gleichen muß. ... Gutzkow<lb/>
hat mich um Kritiken, wie um eine be&#x017F;ondere Gefälligkeit<lb/>
gebeten; ich konnte es nicht ab&#x017F;chlagen, ich gebe mich ja doch<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[347/0543] ſtellte; er iſt ein ziemlich ruhiger und ſehr anſpruchsloſer Mann. Er beabſichtigt, in aller Nähe mit ſeiner Frau nach Nancy und in Zeit von einem Jahr ungefähr nach Zürich zu gehen, um dort zu dociren. ... Die Verhältniſſe der politiſchen Flüchtlinge ſind in der Schweiz keineswegs ſo ſchlecht, als man ſich einbildet; die ſtrengen Maßregeln erſtrecken ſich nur auf diejenigen, welche durch ihre fortgeſetzten Tollheiten die Schweiz in die unangenehmſten Verhältniſſe mit dem Auslande gebracht und ſchon beinahe in einen Krieg mit demſelben verwickelt haben. .... Böckel und Baum ſind fortwährend meine intimſten Freunde; Letzterer will ſeine Abhandlung über die Methodiſten, wofür er einen Preis von 3000 Francs erhalten hat und öffentlich gekrönt worden iſt, drucken laſſen. Ich habe mich in ſeinem Namen an Gutzkow gewendet, mit dem ich fortwährend in Correſpondenz ſtehe. Er iſt im Augenblick in Berlin, muß aber bald wieder zu- rückkommen. Er ſcheint viel auf mich zu halten, ich bin froh darüber, ſein Literaturblatt ſteht in großem Anſehn. ..... Im Juni wird er hierherkommen, wie er mir ſchreibt. Daß Mehreres aus meinem Drama im Phönix erſchienen iſt, hatte ich durch ihn erfahren, er verſicherte mich auch, daß das Blatt viel Ehre damit eingelegt habe. Das Ganze muß bald erſcheinen. Im Fall es euch zu Geſicht kommt, bitte ich euch, bei eurer Beurtheilung vorerſt zu bedenken, daß ich der Geſchichte treu bleiben und die Männer der Revolution geben mußte, wie ſie waren: blutig, liederlich, energiſch und cyniſch. Ich betrachte mein Drama wie ein geſchichtliches Gemälde, das ſeinem Original gleichen muß. ... Gutzkow hat mich um Kritiken, wie um eine beſondere Gefälligkeit gebeten; ich konnte es nicht abſchlagen, ich gebe mich ja doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/543
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/543>, abgerufen am 23.11.2024.