Umwälzung glauben könnte. Ich habe mich seit einem halben Jahre vollkommen überzeugt, daß Nichts zu thun ist, und daß Jeder, der im Augenblicke sich aufopfert, seine Haut wie ein Narr zu Markte trägt. Ich kann Dir nichts Näheres sagen, aber ich kenne die Verhältnisse, ich weiß, wie schwach, wie unbedeutend, wie zerstückelt die liberale Partei ist, ich weiß, daß ein zweckmäßiges, übereinstimmendes Handeln un- möglich ist, und daß jeder Versuch auch nicht zum geringsten Resultate führt. -- -- -- -- Eine genaue Bekanntschaft mit dem Treiben der deutschen Revolutionärs im Auslande hat mich überzeugt, daß auch von dieser Seite nicht das Geringste zu hoffen ist. Es herrscht unter ihnen eine babylonische Verwirrung, die nie gelöst werden wird. Hoffen wir auf die Zeit!
28.
Straßburg, im Juli 1835.
..... Ich habe hier noch mündlich viel Unangenehmes aus Darmstadt erfahren. Koch, Walloth, Geilfuß und einer meiner Gießener Freunde, mit Namen Becker, sind vor Kurzem hier angekommen, auch ist der junge Stamm hier. Es sind sonst noch Mehrere angekommen, sie gehen aber sämmtlich weiter in die Schweiz oder in das Innere von Frankreich. Ich habe von Glück zu sagen und fühle mich manchmal recht frei und leicht, wenn ich den weiten, freien Raum um mich überblicke und mich dann in das Darmstädter Arresthaus zurückversetze. Die Unglücklichen! Minnigerode sitzt jetzt fast ein Jahr, er soll körperlich fast aufgerieben sein, aber zeigt er nicht eine heroische Stand- haftigkeit? Es heißt, er sei schon mehrmals geschlagen
Umwälzung glauben könnte. Ich habe mich ſeit einem halben Jahre vollkommen überzeugt, daß Nichts zu thun iſt, und daß Jeder, der im Augenblicke ſich aufopfert, ſeine Haut wie ein Narr zu Markte trägt. Ich kann Dir nichts Näheres ſagen, aber ich kenne die Verhältniſſe, ich weiß, wie ſchwach, wie unbedeutend, wie zerſtückelt die liberale Partei iſt, ich weiß, daß ein zweckmäßiges, übereinſtimmendes Handeln un- möglich iſt, und daß jeder Verſuch auch nicht zum geringſten Reſultate führt. — — — — Eine genaue Bekanntſchaft mit dem Treiben der deutſchen Revolutionärs im Auslande hat mich überzeugt, daß auch von dieſer Seite nicht das Geringſte zu hoffen iſt. Es herrſcht unter ihnen eine babyloniſche Verwirrung, die nie gelöſt werden wird. Hoffen wir auf die Zeit!
28.
Straßburg, im Juli 1835.
..... Ich habe hier noch mündlich viel Unangenehmes aus Darmſtadt erfahren. Koch, Walloth, Geilfuß und einer meiner Gießener Freunde, mit Namen Becker, ſind vor Kurzem hier angekommen, auch iſt der junge Stamm hier. Es ſind ſonſt noch Mehrere angekommen, ſie gehen aber ſämmtlich weiter in die Schweiz oder in das Innere von Frankreich. Ich habe von Glück zu ſagen und fühle mich manchmal recht frei und leicht, wenn ich den weiten, freien Raum um mich überblicke und mich dann in das Darmſtädter Arreſthaus zurückverſetze. Die Unglücklichen! Minnigerode ſitzt jetzt faſt ein Jahr, er ſoll körperlich faſt aufgerieben ſein, aber zeigt er nicht eine heroiſche Stand- haftigkeit? Es heißt, er ſei ſchon mehrmals geſchlagen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0546"n="350"/>
Umwälzung glauben könnte. Ich habe mich ſeit einem halben<lb/>
Jahre vollkommen überzeugt, daß Nichts zu thun iſt, und<lb/>
daß Jeder, der <hirendition="#g">im Augenblicke</hi>ſich aufopfert, ſeine Haut<lb/>
wie ein Narr zu Markte trägt. Ich kann Dir nichts Näheres<lb/>ſagen, aber ich kenne die Verhältniſſe, ich weiß, wie ſchwach,<lb/>
wie unbedeutend, wie zerſtückelt die liberale Partei iſt, ich<lb/>
weiß, daß ein zweckmäßiges, übereinſtimmendes Handeln un-<lb/>
möglich iſt, und daß jeder Verſuch auch nicht zum geringſten<lb/>
Reſultate führt. ———— Eine genaue Bekanntſchaft<lb/>
mit dem Treiben der deutſchen Revolutionärs im Auslande<lb/>
hat mich überzeugt, daß auch von dieſer Seite nicht das<lb/>
Geringſte zu hoffen iſt. Es herrſcht unter ihnen eine<lb/>
babyloniſche Verwirrung, die nie gelöſt werden wird. Hoffen<lb/>
wir auf die Zeit!</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#c">28.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#g">Straßburg</hi>, im Juli 1835.</dateline><lb/><p>..... Ich habe hier noch mündlich viel Unangenehmes<lb/>
aus Darmſtadt erfahren. <hirendition="#g">Koch</hi>, <hirendition="#g">Walloth</hi>, <hirendition="#g">Geilfuß</hi> und<lb/>
einer meiner Gießener Freunde, mit Namen <hirendition="#g">Becker</hi>, ſind<lb/>
vor Kurzem hier angekommen, auch iſt der junge <hirendition="#g">Stamm</hi><lb/>
hier. Es ſind ſonſt noch Mehrere angekommen, ſie gehen<lb/>
aber ſämmtlich weiter in die Schweiz oder in das Innere<lb/>
von Frankreich. Ich habe von Glück zu ſagen und fühle<lb/>
mich manchmal recht frei und leicht, wenn ich den weiten,<lb/>
freien Raum um mich überblicke und mich dann in das<lb/>
Darmſtädter Arreſthaus zurückverſetze. Die Unglücklichen!<lb/>
Minnigerode ſitzt jetzt faſt ein Jahr, er ſoll körperlich faſt<lb/>
aufgerieben ſein, aber zeigt er nicht eine heroiſche Stand-<lb/>
haftigkeit? Es heißt, er ſei ſchon mehrmals geſchlagen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[350/0546]
Umwälzung glauben könnte. Ich habe mich ſeit einem halben
Jahre vollkommen überzeugt, daß Nichts zu thun iſt, und
daß Jeder, der im Augenblicke ſich aufopfert, ſeine Haut
wie ein Narr zu Markte trägt. Ich kann Dir nichts Näheres
ſagen, aber ich kenne die Verhältniſſe, ich weiß, wie ſchwach,
wie unbedeutend, wie zerſtückelt die liberale Partei iſt, ich
weiß, daß ein zweckmäßiges, übereinſtimmendes Handeln un-
möglich iſt, und daß jeder Verſuch auch nicht zum geringſten
Reſultate führt. — — — — Eine genaue Bekanntſchaft
mit dem Treiben der deutſchen Revolutionärs im Auslande
hat mich überzeugt, daß auch von dieſer Seite nicht das
Geringſte zu hoffen iſt. Es herrſcht unter ihnen eine
babyloniſche Verwirrung, die nie gelöſt werden wird. Hoffen
wir auf die Zeit!
28.
Straßburg, im Juli 1835.
..... Ich habe hier noch mündlich viel Unangenehmes
aus Darmſtadt erfahren. Koch, Walloth, Geilfuß und
einer meiner Gießener Freunde, mit Namen Becker, ſind
vor Kurzem hier angekommen, auch iſt der junge Stamm
hier. Es ſind ſonſt noch Mehrere angekommen, ſie gehen
aber ſämmtlich weiter in die Schweiz oder in das Innere
von Frankreich. Ich habe von Glück zu ſagen und fühle
mich manchmal recht frei und leicht, wenn ich den weiten,
freien Raum um mich überblicke und mich dann in das
Darmſtädter Arreſthaus zurückverſetze. Die Unglücklichen!
Minnigerode ſitzt jetzt faſt ein Jahr, er ſoll körperlich faſt
aufgerieben ſein, aber zeigt er nicht eine heroiſche Stand-
haftigkeit? Es heißt, er ſei ſchon mehrmals geſchlagen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/546>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.