Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.Fest noch trotzen alte Strebepfeiler, Aufgethürmet wie zur Ewigkeit Stehen sie und schau'n wie ernste Geister Nieder auf der Welt Vergänglichkeit. Still und ruhig ist's im öden Raume, Wie ein weites Grab streckt er sich hin; Wo einst kräftige Geschlechter blühten, Nagt die Zeit jetzt, die Zerstörerin. Durch der alten Säle düstre Hallen Flattert jetzt die scheue Fledermaus, Durch die ringszerfallenen Bogenfenster Bricht der Nachtwind pfeifend ein und aus. Auf dem hohen Söller, wo die Laute Schlagend einst die edle Jungfrau stand, Krächzt der Uhu seine Todtenlieder, Klebt sein Nest der Rabe an die Wand. Alles, Alles hat die Zeit verändert, Ueberall nagt ihr gefräß'ger Zahn, Ueber Alles schwingt sie ihre Sense Nichts ist was die schnelle hemmen kann. Die Nacht. Niedersinkt des Tages goldner Wagen, Und die stille Nacht schwebt leis' herauf, Stillt mit sanfter Hand des Herzens Klagen, Bringt uns Ruh' im schweren Lebenslauf. Ruhe gießt sie in das Herz des Müden, Der ermattet auf der Pilgerbahn, Bringt ihm wieder seinen stillen Frieden, Den des Schicksals rauhe Hand ihm nahm. Feſt noch trotzen alte Strebepfeiler, Aufgethürmet wie zur Ewigkeit Stehen ſie und ſchau'n wie ernſte Geiſter Nieder auf der Welt Vergänglichkeit. Still und ruhig iſt's im öden Raume, Wie ein weites Grab ſtreckt er ſich hin; Wo einſt kräftige Geſchlechter blühten, Nagt die Zeit jetzt, die Zerſtörerin. Durch der alten Säle düſtre Hallen Flattert jetzt die ſcheue Fledermaus, Durch die ringszerfallenen Bogenfenſter Bricht der Nachtwind pfeifend ein und aus. Auf dem hohen Söller, wo die Laute Schlagend einſt die edle Jungfrau ſtand, Krächzt der Uhu ſeine Todtenlieder, Klebt ſein Neſt der Rabe an die Wand. Alles, Alles hat die Zeit verändert, Ueberall nagt ihr gefräß'ger Zahn, Ueber Alles ſchwingt ſie ihre Senſe Nichts iſt was die ſchnelle hemmen kann. Die Nacht. Niederſinkt des Tages goldner Wagen, Und die ſtille Nacht ſchwebt leiſ' herauf, Stillt mit ſanfter Hand des Herzens Klagen, Bringt uns Ruh' im ſchweren Lebenslauf. Ruhe gießt ſie in das Herz des Müden, Der ermattet auf der Pilgerbahn, Bringt ihm wieder ſeinen ſtillen Frieden, Den des Schickſals rauhe Hand ihm nahm. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0591" n="395"/> <lg n="6"> <l>Feſt noch trotzen alte Strebepfeiler,</l><lb/> <l>Aufgethürmet wie zur Ewigkeit</l><lb/> <l>Stehen ſie und ſchau'n wie ernſte Geiſter</l><lb/> <l>Nieder auf der Welt Vergänglichkeit.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Still und ruhig iſt's im öden Raume,</l><lb/> <l>Wie ein weites Grab ſtreckt er ſich hin;</l><lb/> <l>Wo einſt kräftige Geſchlechter blühten,</l><lb/> <l>Nagt die Zeit jetzt, die Zerſtörerin.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Durch der alten Säle düſtre Hallen</l><lb/> <l>Flattert jetzt die ſcheue Fledermaus,</l><lb/> <l>Durch die ringszerfallenen Bogenfenſter</l><lb/> <l>Bricht der Nachtwind pfeifend ein und aus.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Auf dem hohen Söller, wo die Laute</l><lb/> <l>Schlagend einſt die edle Jungfrau ſtand,</l><lb/> <l>Krächzt der Uhu ſeine Todtenlieder,</l><lb/> <l>Klebt ſein Neſt der Rabe an die Wand.</l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Alles, Alles hat die Zeit verändert,</l><lb/> <l>Ueberall nagt ihr gefräß'ger Zahn,</l><lb/> <l>Ueber Alles ſchwingt ſie ihre Senſe</l><lb/> <l>Nichts iſt was die ſchnelle hemmen kann.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">Die Nacht.</hi> </hi> </head><lb/> <lg n="1"> <l>Niederſinkt des Tages goldner Wagen,</l><lb/> <l>Und die ſtille Nacht ſchwebt leiſ' herauf,</l><lb/> <l>Stillt mit ſanfter Hand des Herzens Klagen,</l><lb/> <l>Bringt uns Ruh' im ſchweren Lebenslauf.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ruhe gießt ſie in das Herz des Müden,</l><lb/> <l>Der ermattet auf der Pilgerbahn,</l><lb/> <l>Bringt ihm wieder ſeinen ſtillen Frieden,</l><lb/> <l>Den des Schickſals rauhe Hand ihm nahm.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [395/0591]
Feſt noch trotzen alte Strebepfeiler,
Aufgethürmet wie zur Ewigkeit
Stehen ſie und ſchau'n wie ernſte Geiſter
Nieder auf der Welt Vergänglichkeit.
Still und ruhig iſt's im öden Raume,
Wie ein weites Grab ſtreckt er ſich hin;
Wo einſt kräftige Geſchlechter blühten,
Nagt die Zeit jetzt, die Zerſtörerin.
Durch der alten Säle düſtre Hallen
Flattert jetzt die ſcheue Fledermaus,
Durch die ringszerfallenen Bogenfenſter
Bricht der Nachtwind pfeifend ein und aus.
Auf dem hohen Söller, wo die Laute
Schlagend einſt die edle Jungfrau ſtand,
Krächzt der Uhu ſeine Todtenlieder,
Klebt ſein Neſt der Rabe an die Wand.
Alles, Alles hat die Zeit verändert,
Ueberall nagt ihr gefräß'ger Zahn,
Ueber Alles ſchwingt ſie ihre Senſe
Nichts iſt was die ſchnelle hemmen kann.
Die Nacht.
Niederſinkt des Tages goldner Wagen,
Und die ſtille Nacht ſchwebt leiſ' herauf,
Stillt mit ſanfter Hand des Herzens Klagen,
Bringt uns Ruh' im ſchweren Lebenslauf.
Ruhe gießt ſie in das Herz des Müden,
Der ermattet auf der Pilgerbahn,
Bringt ihm wieder ſeinen ſtillen Frieden,
Den des Schickſals rauhe Hand ihm nahm.
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